TE Vfgh Beschluss 1986/12/1 B371/86

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Veröffentlicht am 01.12.1986
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
RAO §1 Abs2 litd
RAO §2 Abs1
RAO §30 Abs4

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; Abweisung eines Antrages auf Feststellung (Bestätigung) der Anrechenbarkeit bestimmter Praxiszeiten eines Rechtsanwaltsanwärters auf seine Ausbildungszeit nach §1 Abs2 litd iVm. §2 Abs1 RAO; mangelnde Ausschöpfung des nach §30 Abs4 RAO (Beschwerde an die OBDK) vorgesehenen Instanzenzuges

Spruch

I. Die gegen die Punkte 2. und 3. des Bescheides des Ausschusses der Vbg. Rechtsanwaltskammer vom 28. Feber 1986, Z 65/86, erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Behandlung der Beschwerde gegen Punkt 1. des Bescheides des Ausschusses der Vbg. Rechtsanwaltskammer vom 28. Feber 1986, Z 65/86, wird abgelehnt.

Begründung

Begründung:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist seit 3. Dezember 1984 als Konzipient des Zweitbeschwerdeführers in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter der Vbg. Rechtsanwaltskammer eingetragen. Da er bekanntgegeben hatte, daß seine Tätigkeit zunächst nur 10 Wochenstunden betrage, wurde beiden Bf. von der Vbg. Rechtsanwaltskammer mitgeteilt, daß die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter noch keine Entscheidung über das Ausmaß der Anrechenbarkeit der Tätigkeit gemäß §§1 Abs2 litd iVm. 2 Abs1 und 2 Rechtsanwaltsordnung 1868, RGBl. 96, idF BGBl. 556/1985 (künftig: RAO) darstelle.

2. Mit Bescheid des Ausschusses der Vbg. Rechtsanwaltskammer vom 28. Feber 1986 wies dieser einen - nach Ergehen des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 556 - gestellten Antrag beider Bf. ab, der Ausschuß wolle folgenden Feststellungsbescheid erlassen:

"1. Die weitere Verwendung des Erstantragstellers als Rechtsanwaltsanwärter beim Zweitantragsteller ist auch nach Inkrafttreten der neuen Rechtsanwaltsprüfungsordnung und der damit verbundenen Änderungen der Rechtsanwaltsordnung zulässig.

2. Die vom Erstantragsteller als Rechtsanwaltsanwärter beim Zweitantragsteller seit 3. 12. 1984 ausgeübte Tätigkeit gilt in vollem Umfange als anrechenbare Tätigkeit gem. §1 Abs2 litd in Verbindung mit §2 Abs1 RAO.

3. Die Tätigkeiten des Erstantragstellers bei der Finanzlandesdirektion Vorarlberg, bei der Universität Innsbruck als Vertragsassistent und Lehrbeauftragter, als Lehrbeauftragter der Universität Klagenfurt im Rahmen des Interuniversitären Forschungsinstitutes sowie als Verteidiger in Strafsachen gelten als anrechenbare Tätigkeiten gemäß §1 Abs2 litd in Verbindung mit §2 Abs1 RAO im Ausmaß von 15 Monaten."

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Ausschuß der Vbg. Rechtsanwaltskammer bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen verpflichtet sei, eine Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter vorzunehmen. Der Ausschuß sei jedoch nicht berechtigt, Qualität und Ausmaß der Praxis als Rechtsanwaltsanwärter zum Anlaß zu nehmen, die Streichung aus der Liste zu verfügen oder Maßnahmen anderer als disziplinärer Art zu treffen. Eine Wertung könne erst anläßlich einer beantragten Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vorgenommen werden, sodaß ein rechtliches Interesse an der Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides zu verneinen sei. Es sei aber auch schon nach allgemeinen Denkgesetzen nicht möglich, künftige und damit unbekannte Tätigkeiten zum Gegenstand eines Feststellungsbescheides zu machen. Eine anrechenbare "praktische Verwendung" sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Nebenbeschäftigung vorliege, die die rechtsanwaltschaftliche Betätigung in erheblichem Maße einschränke. Durch die Novellierung des §2 Abs1 RAO sei lediglich klargestellt worden, daß eine Anrechenbarkeit verhindert werde, wenn durch sonstige berufliche Tätigkeiten eine Beeinträchtigung der Ausbildung eines Rechtsanwaltsanwärters zu erwarten sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf freie Berufswahl sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht, die Verfassungswidrigkeit der §§2 und 21b RAO behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

4. Die gegen Punkt 2. und 3. des bekämpften Bescheides erhobene Beschwerde ist unzulässig:

4.1. Eine Beschwerdeführung nach Art144 B-VG setzt die Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges voraus. Gemäß §30 Abs4 RAO steht gegen Verweigerung der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter, gegen die Löschung aus dieser Liste und gegen die Verweigerung der Bestätigung der Rechtsanwaltspraxis den Beteiligten das Recht der Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission offen. Gegenstand des den Punkten 2. und 3. des angefochtenen Bescheides zugrunde liegenden Antrages ist das Begehren auf Feststellung (Bestätigung) der Anrechenbarkeit bestimmter Praxiszeiten des Erstantragstellers auf seine Ausbildungszeit nach §1 Abs2 litd iVm. §2 Abs1 RAO. Mit dem angefochtenen Bescheid wird durch Abweisung des gestellten Antrages die begehrte Feststellung (Bestätigung) verweigert. Die Beschwerde meint, daß die in Frage stehenden Praxiszeiten des Erstantragstellers als anrechenbar iS der RAO zu werten (bestätigen) sind. Darüber abzusprechen ist jedoch letztinstanzlich der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vorbehalten. Den Bf. wäre daher - unvorgreiflich der Frage, ob ihr Feststellungsantrag aus anderen Gründen unzulässig war - die Möglichkeit offengestanden, Beschwerde an die Oberste was die Bf. nach ihrem Vorbringen auch getan haben.

Der Anrufung des VfGH steht insofern die Nichtausschöpfung des Instanzenzuges entgegen.

Die Beschwerde ist daher insoweit zurückzuweisen.

4.2. Soweit sich die Beschwerde gegen Punkt 1. des bekämpften Bescheides richtet, wird ihre Behandlung abgelehnt.

Der VfGH kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG).

...

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen.

Schlagworte

VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Zuständigkeit, Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B371.1986

Dokumentnummer

JFT_10138799_86B00371_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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