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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
MRK Art6Leitsatz
Tir. GVG 1970 (1983); Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu einer Parzellenteilung gemäß §6 Abs4 nach Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten; hier Landesgrundverkehrsreferent ein dienstlich vorgesetzter Beamter des Berichterstatters der Landesgrundverkehrsbehörde - Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal gemäß Art6 MRKSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal iS des Art6 MRK verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Eingabe vom 17. März 1980 stellte der Bf. an die
Grundverkehrsbehörde Neustift, Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, den
Antrag um Zustimmung zur Abtrennung von 590 Quadratmeter aus der
Grundparzelle ..., von 324 Quadratmeter aus der Grundparzelle .../1,
von 51 Quadratmeter aus der Bauparzelle ... und zur Vereinigung
dieser Flächen mit der Grundparzelle ... EZ 10 I KG Neustift, sowie
zur Abtrennung von 22 Quadratmeter aus der Grundparzelle ... und
Vereinigung mit der Grundparzelle .../1 und zur Abtrennung von
42 Quadratmeter aus der Grundparzelle ... und Vereinigung mit der
Bauparzelle ..., zwecks Schaffung einer eigenen Parzelle für die Errichtung einer Hofstelle.
Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Neustift vom 17. April 1980 wurde diesem Antrag gemäß §3 Abs1 litj GVG 1970 idF LGBl. 6/1974 - später wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - die Zustimmung erteilt.
1.2. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten am 28. April 1980 erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 20. März 1981 Folge gegeben und der beantragten Parzellenteilung gemäß §6 Abs4 GVG die Zustimmung versagt.
1.3. Mit Erk. des VfGH vom 9. Dezember 1982 B217/81 wurde dieser Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben.
1.4. Mit (Ersatz-)Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 9. März 1984, Z LGv-105/11-80, wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten vom 28. April 1980 neuerlich Folge gegeben und der gemäß §3 Abs1 litj GVG beantragten Parzellenteilung neuerlich gemäß §6 Abs4 GVG die Zustimmung versagt.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht wird, verfassungsrechtliche Bedenken gegen §3 Abs1 litj GVG 1983 behauptet werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Unter anderem aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der lita, c, d, e und f des §13 Abs4 Z1 GVG 1983 ein.
Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
Der VfGH erachtete es, ebenso wie der EuGMR im Urteil vom 22. Oktober 1984 in der Rechtssache Sramek, mit Art6 MRK für unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich bei seiner beruflichen Tätigkeit außerhalb der Landesgrundverkehrsbehörde gegenüber einer im grundverkehrsbehördlichen Verfahren einschreitenden Partei in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies im Fall Sramek beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Da das dargelegte, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsgebot einfach-gesetzlicher Anordnungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.
4. Unter anderem aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde wurde vom VfGH des weiteren von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 litj GVG 1983 eingeleitet.
Mit Erk. VfSlg. 11141/1986 wurde die genannte Gesetzesstelle jedoch nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
5. Aufgrund dieses Ergebnisses der Gesetzesprüfungsverfahren hat der VfGH sich mit der Beschwerde weiter zu befassen. Aus folgenden Gründen war der angefochtene Bescheid aufzuheben:
Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides war Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde ein Beamter der Abteilung III b 3 des Amtes der Tir. Landesregierung; Landesgrundverkehrsreferent war in diesem Zeitpunkte Dr. H A, Vorstand der Gruppe III, und damit, wie sich aus der damals maßgeblichen Geschäftseinteilung des Amtes der Tir. Landesregierung (Verordnung des Landeshauptmannes vom 28. Juni 1983, LGBl. 70) ergibt, ein dienstlich vorgesetzter Beamter des Berichterstatters der Landesgrundverkehrsbehörde. Gemäß §2 der zitierten Geschäftseinteilung waren nämlich die Abteilungen I c, III a 1, III a 2, III b 1, III b 2, III b 3 und III c zur Gruppe III zusammengefaßt, sodaß zwischen beiden Beamten eine besonders enge berufliche Beziehung - mit dienstlicher Überordnung des als Partei des Verfahrens tätig gewesenen Landesgrundverkehrsreferenten - bestand.
Durch die Entscheidung einer derart zusammengesetzten Behörde wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal verletzt (vgl. VfSlg. 10634/1985). Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Behördenzusammensetzung, Kollegialbehörde, Tribunal, Landesgrundverkehrsreferent, Parteistellung GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B382.1984Dokumentnummer
JFT_10138798_84B00382_00