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L2 DienstrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzBeachte
Kundmachung am 13. Feber 1987, LGBl. für OÖ 6/1987; Anlaßfall VfSlg. 11159/1986Leitsatz
GehaltsG; Präjudizialität des (als landesgesetzliche Vorschrift in OÖ geltenden) §26 Abs3 Z2 idF der 23. Ergänzung zum LandesbeamtenG, LGBl. für OÖ 41/1985 infolge der rückwirkend verfügten Gesetzesänderung; Abfertigungsregelung für weibliche Beamte, die wesentlich nicht dem im Gesetzeswortlaut angedeuteten Zweck (bezüglich Erziehung eines Kindes) dient, sondern allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen; aus diesem Grunde unsachliche Beschränkung auf weibliche Beamte; Gleichheitswidrigkeit der RegelungSpruch
In ArtII Z4 der 23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetznovelle 1985, LGBl. für OÖ Nr. 41/1985, wird die Z2 in dem als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung stehenden §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956 als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1987 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von OÖ ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der oberösterreichische Landesgesetzgeber ordnete im §2 Abs1 des Landesbeamtengesetzes, LGBl. 27/1954, (mit gewissen Modifikationen) die sinngemäße Anwendung des damals geltenden Bundesbeamtendienstrechts für Landesbeamte an. Im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung des Bundesbeamtendienstrechtes wurde das so geschaffene Dienstrecht der Landesbeamten durch Landesgesetze laufend ergänzt und geändert, so ua. durch die "3. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz", LGBl. 8/1956, (welche in §1 Abs1 litf die sinngemäße Anwendung des Gehaltsgesetzes 1956 als landesgesetzliche Vorschrift anordnete), durch die "6. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz", LGBl. 18/1961, (welche in §1 Abs1 litb die 1. Gehaltsgesetz-Nov. BGBl. 94/1959, - mithin auch ihren eine Neufassung des §26 Abs3 Gehaltsgesetz 1956 enthaltenden ArtI Z9 - zur für Landesbeamte sinngemäß geltenden Vorschrift erklärte) sowie durch die
"23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetznovelle 1985", LGBl. 41/1985, (welche - gemäß Abschnitt III Z1 litf rückwirkend mit 1. Jänner 1984 - insbesondere §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956, soweit es als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung steht, neu faßte).
2. Die Absätze 1 und 2 in der (auch als landesgesetzliche Vorschrift maßgeblichen) Stammfassung des Gehaltsgesetzes 1956 haben folgenden Wortlaut:
"(1) Dem Beamten, der ohne Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß aus dem Dienststand ausscheidet, gebührt eine Abfertigung.
(2) Eine Abfertigung gebührt nicht,
a) wenn das Dienstverhältnis des Beamten während der Probezeit gelöst wird;
b) wenn der Beamte freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt, sofern nicht die Bestimmungen des Abs3 anzuwenden sind;
c) wenn der Beamte durch ein Disziplinarerkenntnis entlassen wird;
d) wenn der Beamte kraft Gesetzes oder durch Tod aus dem Dienstverhältnis ausscheidet."
Absatz 3 dieses Paragraphen erhielt zufolge der "6. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz" folgende Fassung:
"(3) Eine Abfertigung gebührt außerdem
1. einem verheirateten Beamten weiblichen Geschlechts, wenn er innerhalb von zwei Jahren nach seiner Eheschließung freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt;
2. einem Beamten weiblichen Geschlechts, wenn er innerhalb von 18 Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt."
Derselbe Absatz wurde - wie schon erwähnt: rückwirkend auf den 1. Jänner 1984 - durch die "23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetznovelle 1985" folgendermaßen gefaßt:
"(3) Eine Abfertigung gebührt außerdem
1. einer verheirateten Beamtin, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Eheschließung,
2. einer Beamtin, wenn sie innerhalb von 18 Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt,
3. einer Beamtin, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach der Annahme eines Kindes, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat und das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, an Kindes Statt (§15 Abs5 Z1 des Mutterschutzgesetzes 1979) oder innerhalb von sechs Monaten nach der Übernahme eines solchen Kindes in unentgeltliche Pflege (§15 Abs5 Z2 des Mutterschutzgesetzes 1979),
freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt."
II. 1. Der Bf. im Anlaßfall B587/84, welcher aus dem Dienstverhältnis als oberösterreichischer Landesbeamter austrat, beantragte am 27. April 1984 die Gewährung einer Abfertigung. Er begründete dieses Begehren - sinngemäß auf das Wesentliche zusammengefaßt - damit, daß er aus dem Landesdienst austrete, um sich - insbesondere durch die Haushaltsführung - seinem 1974 geborenen Sohn zu widmen; die Beschränkung des Abfertigungsanspruchs auf weibliche Beamte verletze den Gleichheitsgrundsatz.
Die Oö Landesregierung wies den Antrag mit Bescheid vom 14. Mai 1984 "gemäß §26 Abs2 litb und Abs3 des als landesgesetzliche Vorschrift geltenden Gehaltsgesetzes 1956" (- damit ist die durch die "6. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz" herbeigeführte Fassung dieses Paragraphen gemeint -) unter Darlegung der Gesetzeslage ab.
2. Dieser Bescheid der Oö Landesregierung ist Gegenstand der unter B587/84 protokollierten Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die von der dort bel. Beh. herangezogene Bestimmung als gleichheitswidrig kritisiert wird.
III. Der VfGH beschloß aus Anlaß dieser Beschwerdesache gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Z2 im §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956, soweit diese Bestimmung zufolge ArtII Z4 der 23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetznovelle 1985, LGBl. für OÖ Nr. 41/1985, als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung steht, einzuleiten und begründete dies folgendermaßen:
"1. Zunächst nimmt der Gerichtshof an, daß der erhobenen Beschwerde Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen. Präjudiziell iS des Art140 Abs1 B-VG dürfte jedoch nicht der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte §26 Abs3 Z2 des Gehaltsgesetzes 1956 in der zu folge der '6. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz' als landesgesetzliche Vorschrift geltenden Fassung sein, sondern die Fassung dieser Bestimmung gemäß ArtII Z4 der '23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetznovelle 1985'. Wenngleich nämlich die Landesregierung bei der Erlassung ihres Bescheides die ersterwähnte Fassung anzuwenden hatte, hätte der Gerichtshof dennoch - infolge der rückwirkend auf den 1. Jänner 1984 verfügten Gesetzesänderung - den Bescheid an der späteren Fassung des §26 Abs3 Z2 zu messen.
2. Der VfGH hegt gegen diese Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken, weil sie anscheinend dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot widerspricht.
Es erscheint dem Gerichtshof zweifelhaft, ob der von beiden Prozeßparteien übereinstimmend angenommene Regelungszweck für die Abfertigungsgewährung, nämlich daß die Beamtin wegen der Erziehung ihres Kindes aus dem Dienstverhältnis austritt, im Gesetz zureichenden Niederschlag gefunden hat, und zwar so, daß die Regelung überhaupt oder im wesentlichen auf diesen Zweck beschränkt ist. Der vom Gesetzgeber festgelegte verhältnismäßig lange Zeitraum von 18 Jahren legt die Annahme nahe, daß die Regelung weit über diese Fallgestaltung hinausreicht und es erlaubt, eine Abfertigung auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn der Anlaß dafür, aus dem Dienstverhältnis auszutreten, keineswegs in der Obsorge für ein eigenes Kind besteht, sondern in völlig anderen Beweggründen zu finden ist. Bei einer solchen Wertung des Gesetzesinhaltes käme der in Betrachtung stehenden Gesetzesstelle geradezu der Charakter einer allgemeinen Abfertigungsregelung bei freiwilliger Dienstentsagung zu, von der infolge ihres besonders weiten Anwendungsbereichs nicht einzusehen wäre, weshalb sie auf weibliche Beamte beschränkt ist.
Selbst wenn man aber in Übereinstimmung mit den Prozeßparteien den normativen Inhalt der Gesetzesvorschrift darin erblickt, den Entfall der Abfertigung nach freiwilligem Dienstaustritt wegen der persönlichen Obsorge für ein Kind nicht eintreten zu lassen, ist nicht zu bestreiten, daß diese Voraussetzung auch bei einem Beamten männlichen Geschlechts gegeben sein kann. Daran zweifelt auch die OÖ Landesregierung nicht. Sie hält eine geschlechtsspezifische Differenzierung jedoch deshalb für zulässig, weil - wie mit näherer Begründung dargelegt wird - die Fälle der Pflege und Erziehung von Kindern durch den Mann sehr selten und daher atypisch seien, der Gesetzgeber jedoch daraus (im Hinblick auf den Entfall der Abfertigung) resultierende Härtefälle nicht berücksichtigen müsse.
Dieser Ansicht wäre allerdings - im Rahmen einer noch nicht endgültigen Beurteilung der Verfassungsrechtslage - die jüngere Rechtsprechung des VfGH über die Auswirkung der durch das BG BGBl. 280/1978 herbeigeführten Lage im Bereich der Pensionsansprüche von Hinterbliebenen nach Bundesbeamten entgegenzuhalten (welche zur Aufhebung von Bestimmungen im Pensionsgesetz 1965 führte, s. VfSlg. 9995/1984, 10077/1984 und 10180/1984), weil die Problematik anscheinend grundsätzlich gleichgelagert ist. Nimmt man an, daß die in dieser Judikatur entwickelten Gedanken entsprechend auf die hier - vorläufig - zu wertende Gesetzeslage übertragen werden können, so ergibt sich wohl, daß auch der Dienstrechtsgesetzgeber allmählich jene geschlechtsspezifischen Differenzierungen aufgeben muß, die ausschließlich von der früher bestandenen, nach dem Geschlecht unterscheidenden Zivilrechtslage herleitbar sind. Grundsätzlich führt eine Gleichstellung im zivilrechtlichen Bereich zu einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch dann Bedacht genommen werden muß, wenn die in Betracht zu ziehenden Fälle nicht sehr zahlreich sind. Es geht nämlich - wie der Gerichtshof in seinem Erk. VfSlg. 9995/1984 ausgesprochen und in den beiden anderen angeführten Entscheidungen bekräftigt hat - 'nicht an, solche Fälle als vom Regelfall abweichende Härtefälle zu werten, die ein Gesetz nicht gleichheitswidrig machen; es muß hier vielmehr - einem vom VfGH schon ausgesprochenen Grundgedanken folgend (s. gleichfalls das ... Erk. VfSlg. 8871/1980 S. 593) - auch das Gewicht des eintretenden Rechtsnachteils berücksichtigt werden'.
Hält man jedoch den in der bezogenen Judikatur entwickelten Grundgedanken nicht auf die in Prüfung genommene Gesetzesvorschrift in der dargestellten Weise übertragbar, so wäre weiters zu überlegen, ob der Gesetzgeber zwar von der Obsorge für das Kind durch seine Mutter als dem tatsächlich gegebenen Regelfall ohne weitere Voraussetzungen ausgehen kann, die Möglichkeit aber, daß bei einem männlichen Beamten die Lage vollkommen gleich sein kann, mit in Betracht ziehen müßte. Dies etwa in der Weise, daß für einen solchen - seltenen - Fall der Abfertigungsanspruch zwar an sich vorgesehen, aber an besondere - für weibliche Beamte nicht bestehende - Nachweispflichten bezüglich des Vorliegens der tatsächlichen Verhältnisse geknüpft wird."
IV.1. Die Oö Landesregierung erstattete eine Äußerung in der sie darlegt, weshalb die in Prüfung gezogene Vorschrift nicht verfassungswidrig sei.
2. Von den weiters zur Äußerung eingeladenen Regierungen machten die Tir. Landesregierung und die Wr. Landesregierung von dieser Möglichkeit Gebrauch; während die Tir. Landesregierung die betreffende Gesetzesstelle für verfassungswidrig hält, ist die Wr. Landesregierung (im Hinblick auf eine später noch zu erwähnende Regelung im ASVG im Ergebnis) der gegenteiligen Meinung.
V.1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.
Der VfGH bleibt insbesondere bei der vorläufigen Annahme des Einleitungsbeschlusses, daß der im Beschwerdeverfahren angefochtene Bescheid - infolge der rückwirkend auf den 1. Jänner 1984 verfügten Gesetzesänderung - an der durch die "23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und Landesbeamtengesetznovelle 1985" herbeigeführten Fassung des (als landesgesetzliche Vorschrift geltenden) §26 Abs3 Z2 des Gehaltsgesetzes 1956 zu messen wäre und daß daher diese Fassung der Gesetzesbestimmung präjudiziell ist.
Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen vor.
2. Das vom VfGH primär angenommene verfassungsrechtliche Bedenken erweist sich als berechtigt.
Es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, auf die sich der Gerichtshof stützen kann, daß der zeitliche Aufwand für die Pflege und Erziehung eines Kindes - durchschnittlich gesehen - mit dessen steigendem Lebensalter wesentlich abnimmt. Dies wird besonders deutlich, wenn man - innerhalb des hier zu betrachtenden Zeitraumes von 18 Jahren - etwa den Zeitaufwand für ein einjähriges Kind mit dem für einen 17jährigen Jugendlichen vergleicht. Diese Durchschnittsbetrachtung zeigt, daß der Grund für einen späteren Dienstaustritt im Regelfall wohl nicht in der Übernahme der Obsorge für das wesentlich früher geborene Kind, sondern in anderen Beweggründen zu finden ist. Der Gerichtshof bleibt daher bei den sein primäres Bedenken tragenden Annahmen des Prüfungsbeschlusses; es handelt sich um eine Regelung, die wesentlich nicht dem im Gesetzeswortlaut angedeuteten Zweck dient, sondern allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen. So gewertet ist aber in der Tat nicht einzusehen, weshalb die Vorschrift auf weibliche Beamte beschränkt ist; sie verstößt sohin gegen das auch den Gesetzgeber bindende, diesem sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrende Gleichheitsgebot (s. zB VfSlg. 10624/1985).
An diesem Ergebnis vermag auch der von der Wr. Landesregierung angeführte Umstand nichts zu ändern, daß §311 Abs3 litb ASVG eine korrespondierende, den Dienstgeber von der Leistung eines Überweisungsbetrages befreiende Regelung trifft, die eine derartige Befreiung im angenommenen Fall einer gleichen Abfertigung männlicher Beamte aber nicht umfaßt. Denn diese komplementäre - in der Anlaßbeschwerdesache nicht präjudizielle - Regelung ist nicht die Ursache, sondern die Folge der - gleichheitswidrigen - besoldungsrechtlichen Differenzierung und kann diese daher nicht rechtfertigen.
Im gegebenen Zusammenhang ist noch anzumerken, daß der VfGH nicht zu untersuchen hatte, ob es überhaupt zulässig erscheint, einen Abfertigungsanspruch in der gegebenen Weise an die Geburt eines Kindes zu knüpfen.
3. Die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz
B-VG.
Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialtät, Dienstrecht Beamte, Abfertigung, Arbeitsmarktpolitik, geschlechtsspezifische DifferenzierungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:G178.1986Dokumentnummer
JFT_10138797_86G00178_00