Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; im Auftrag und unter der Leitung eines Beamten der Sicherheitsdirektion für NÖ durchgeführte Amtshandlungen von Gendarmeriebeamten (als Organe der Sicherheitsdirektion); kein (ausreichend sicherer) Nachweis für die behauptete Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und ZwangsgewaltSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, der Bf. habe sich am 19. Dezember 1984 als Journalist für eine Tageszeitung in der Stopfenreuther Au aufgehalten. Der Bf. habe sich an diesem Tag gegen 06.30 Uhr beim sog. Lager 4 befunden, welches von Gendarmeriebeamten umstellt worden sei. Als sein Ersuchen, das Lager betreten zu dürfen, von den Beamten abgelehnt worden sei, sei der Bf. außerhalb der Kette der Gendarmen stehen geblieben und habe seine Kamera ans Auge genommen, um zu fotografieren. Da habe ihm einer der Beamten mit ausgestrecktem Arm die Kamera über Nase und Brille weggeschlagen. Hiebei habe der Bf. eine Blitzlichtaufnahme "von dem tätlichen Beamten" gemacht.
Der Bf. erachtet sich dadurch, daß ihm "beim Fotografieren die Kamera über Nase und Brillen weggeschlagen" worden sei, in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt und beantragt, der VfGH wolle dies feststellen.
2. Die Sicherheitsdirektion für NÖ (vertreten durch die Finanzprokuratur) hat die Abweisung der Beschwerde beantragt und zunächst darauf verwiesen, daß ihr über die in der Beschwerde dargestellten Geschehnisse keinerlei Akten oder sonstige Unterlagen zur Verfügung stünden; sie sehe sich demnach verhalten, die Darstellung der Beschwerde generell zu bestreiten.
In der Folge hat die Sicherheitsdirektion aufgrund jener Fotos, welche vom Bf. gemacht worden waren (und auf welche in der Folge noch zurückzukommen sein wird), die Zeugen Bezirksinspektor J V und W T namhaft gemacht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH hat die Sicherheitsdirektion die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die bekämpften Amtshandlungen am 19. Dezember 1984 wurden - s. hiezu die Ausführungen im Erk. des VfGH vom 19. Juni 1986, B81/85 und andere Zahlen - im Auftrag und unter der Leitung eines Beamten der Sicherheitsdirektion für NÖ durchgeführt. Sie sind somit dieser Behörde zuzurechnen (s. VfSlg. 8545/1979, S 313). Die einschreitenden Beamten vollzogen die Maßnahmen am 19. Dezember 1984 in der Stopfenreuther Au für die Sicherheitsdirektion, als deren Hilfsorgan sie tätig wurden und deren Vollzugsgewalt sie im konkreten Fall gehandhabt haben (vgl. VfSlg. 8146/1977, S 157).
Belangte Behörde ist hier daher die Sicherheitsdirektion für NÖ.
2. Der VfGH hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Bf. als Partei und des Zeugen Bezirksinspektor V im Rechtshilfewege sowie durch Einsichtnahme in ein mit W T als Auskunftsperson vor der Sicherheitsdirektion für NÖ aufgenommenes Protokoll und in vier vom Bf. vorgelegte Fotos.
Der Bf. hat bei seiner Aussage im wesentlichen sein Beschwerdevorbringen wiederholt und darauf hingewiesen, daß - als er "auf gut Glück" über die Köpfe der Gendarmeriebeamten hinweg in das Lager 4 hineinfotografiert habe - sich einer der Beamten umgedreht habe. Auf einmal habe der Bf. von links kommend einen Schlag auf seiner Nase gespürt. Bei diesem Schlag sei seine Nasenspitze gestreift worden. Die rechte Hand des Bf. habe sich mit der Schlagbewegung nach unten bewegt, wobei der Bf. - vermutlich als Reflexbewegung - mit der Kamera in der rechten Hand noch einmal "abgedrückt" habe. Beim Foto mit der Nr. 12 handle es sich um jenes Bild, welches der Bf. im Moment des "Niedergehens der Kamera" durch den Schlag aufgenommen habe, es zeige jenen Beamten, der sich nach dem Bf. umgedreht habe. Die Bilder mit den Nr. 13 und 14 habe der Bf. nach dem Schlag aufgenommen. Auf dem Bild mit der Nr. 14 sei im übrigen ein dem Bf. persönlich nicht bekannter Fotograf zu sehen, der in eine Diskussion mit den Gendarmeriebeamten verwickelt gewesen sei. Bei dem vierten der vorgelegten Fotos (mit der Nr. 11) handle es sich offensichtlich um jenes Foto, welches der Bf. zu Beginn über die Köpfe der den Einschließungskreis bildenden Beamten aufgenommen habe.
Der Gendarmeriebeamte Bezirksinspektor J V gab als Zeuge vernommen an, er sei der auf dem Foto mit der Nr. 12 links vorne abgebildete Mann. Er wisse nicht, wie er auf dieses Bild komme und könne auch nicht sagen, wann das Bild zustandegekommen sei, weil so viel fotografiert worden sei. Er habe niemandem die Kamera ans Auge geschlagen bzw. weggeschlagen. Es habe bei dem Einsatz am 19. Dezember 1984 in der Stopfenreuther Au bei seiner Einheit "keinerlei Reibereien" gegeben, er und die anderen Beamten hätten lediglich das Lager 4 umschlossen gehalten, es sei alles absolut friedlich hergegangen.
In der mit W T von der Sicherheitsdirektion für NÖ aufgenommenen Niederschrift gab dieser im wesentlichen an, er sei von Beruf Journalist und habe am 19. Dezember 1984 für eine Tageszeitung berichtet. Auf dem Foto mit der Nr. 14 seien er und ein Kollege zu sehen, wie sie gerade mit den Gendarmeriebeamten sprechen. Er und sein Kollege seien beim Fotografieren nicht behindert worden und hätten auch den Kordon der Gendarmeriebeamten ungehindert passieren können. Besondere Vorfälle habe er beim sog. Lager 4 nicht wahrnehmen können. Hinsichtlich der anderen Fotos (mit den Nr. 11, 12 und 13) könne er keine Angaben machen.
Zum Foto Nr. 12 hält der VfGH fest, daß dieses zwei Gendarmeriebeamte zeigt. Während der rechts auf dem Bild sichtbare Beamte etwas weiter weg von der Kamera steht, ist von dem Beamten links auf dem Bild - Bezirksinspektor V -, welcher sich näher zur Kamera befindet, nur der Kopf und der linke Teil des Oberkörpers zu sehen. Ob und welche Bewegung V mit dem rechten Arm macht, ist auf dem Foto nicht erkennbar. Der Gesichtsausdruck des Beamten ist ruhig und wirkt ausgeglichen, eher freundlich.
3. Bei dieser Beweislage kann der behauptete Schlag des Beamten gegen den Bf. nicht mit jener Sicherheit als erwiesen angenommen werden, welche erforderlich ist, um darauf Feststellungen des VfGH zu gründen. Wohl ist einerseits kein Grund dafür erkennbar, daß der Bf. einen ihm unbekannten Beamten zu unrecht einer Vorgangsweise wie der in Beschwerde gezogenen beschuldigen sollte. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, daß der Beamte das ihm vorgeworfene Verhalten in Abrede stellt, daß der in der Nähe befindliche (unbeteiligte) Journalist T nichts dergleichen wahrgenommen hat und ungehindert fotografieren durfte, und daß der Gesichtsausdruck des Bezirksinspektor V zum Zeitpunkt der behaupteten Tätlichkeit gegen den Bf. ein eher friedlicher ist (also zumindest nichts darauf hindeutet, daß dieser Mensch im Begriffe ist, aggressiv zu werden). Dazu kommt, daß der Bf. nach seinen eigenen Angaben unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall die Fotos mit den Nr. 13 und 14 gemacht hat, also offenbar unbehindert weiterfotografieren konnte, und daß das Gehaben der Gendarmeriebeamten und der übrigen auf diesen Fotos zu sehenden Personen ein durchaus ruhiges und friedfertiges ist.
Auf Grund all dieser Umstände sieht sich der VfGH nicht in der Lage, allein aufgrund der Behauptungen des Bf. als erwiesen anzunehmen, daß der Beamte auf ihn eingeschlagen hat.
An diesem Ergebnis vermag der in der Beschwerde behauptete Umstand nichts zu ändern, daß nach diesem Vorfall an einem anderen Ort (auf dem Weg zum Lager 1) Beamte gegen - namentlich genannte - Journalisten tätlich vorgegangen seien. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde dies noch kein ins Gewicht fallendes Indiz dafür darstellen, daß ein anderer Beamter an einem anderen Ort und in einem anderen Zusammenhang gegen den Bf. in der Weise tätlich geworden ist, wie sie der Bf. darstellt.
4. Da somit nicht erwiesen ist, daß die von Bf. behauptete verwaltungsbehördliche Zwangsgewalt gegen seine Person ausgeübt wurde, ist die Beschwerde gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B149.1985Dokumentnummer
JFT_10138797_85B00149_00