TE Vfgh Erkenntnis 1986/12/4 V4/84

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Veröffentlicht am 04.12.1986
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Sbg LandesstraßenG 1972 §37
Sbg LandesstraßenG 1972 §40 Abs2
Sbg LandesstraßenG 1972 §41
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Hallein vom 15.12.83, mit der der Domkapitelweg ab der Salzachtal Bundesstraße zu einer öffentlichen Interessentenstraße erklärt wird

Beachte

Kundmachung am 31. März 1987, LGBl. für Sbg. 24/1987

Leitsatz

Verordnung des Gemeinderates der Stadtgd. Hallein vom 15. Dezember 1983 betreffend die Erklärung einer Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße; soweit sich die Verordnung auf jenen Wegteil bezieht, der erst neugebaut werden soll, ist sie lediglich Voraussetzung für weitere straßenverwaltungsbehördliche Maßnahmen - in diesem Ausmaß ist sie eine EinreihungsV, die keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bewirkt; soweit durch die Verordnung Gemeingebrauch begründet oder festgestellt wird, Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers, weil ihm eine Antragstellung nach §40 Abs2 Sbg. LandesstraßenG 1972 nach Erlassung der Verordnung nicht mehr offen steht; Verordnung nicht trennbar - Antrag auf Aufhebung der gesamten Verordnung zulässig; Erlassung der Verordnung ohne den in §41 zwingend geforderten Antrag des Eigentümers der Privatstraße auf Feststellung des Verkehrsbedürfnisses - Aufhebung der Verordnung als gesetzwidrig

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Hallein vom 15. Dezember 1983, mit der der Domkapitelweg ab der Salzachtal Bundesstraße zu einer öffentlichen Interessentenstraße erklärt wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Sbg. Landesregierung ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Hallein hat durch Anschlag an der Gemeindetafel vom 5. Jänner bis 7. Feber 1984 folgende Verordnung kundgemacht:

"Aufgrund des Beschlusses der Stadtgemeindevertretung vom 15. 12. 1983 wird der Domkapitelweg ab der Salzachtal Bundesstraße, wie er im rechtskräftigen Parzellierungsbescheid der Hauptmannschaft Hallein vom 6. 11. 1959, Zahl 14229/7-1959 ausgewiesen ist, gemäß §37 (1) Sbg. Landesstraßengesetz 1972 in der geltenden Fassung zu einer

öffentlichen Interessentenstraße

erklärt."

2.1. Der Antragsteller begehrt mit der vorliegenden, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Eingabe, diese Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Der Antragsteller meint, durch die Gesetzwidrigkeit dieser Verordnung unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden zu sein, da sie ohne vorausgehende Erlassung eines Bescheides für ihn als Eigentümer des Domkapitelweges unmittelbar wirksam geworden sei. Er habe den öffentlichen Verkehr durch Aufstellung eines für jedermann ersichtlichen Kennzeichens (Fahrverbotstafel mit Ausnahme der Zufahrt für Anrainer) ausgeschlossen. Nach den Bestimmungen des Sbg. Landesstraßengesetzes 1972, LGBl. 119/1972 (künftig: LStG), sei eine amtswegige Erklärung eines Privatweges zu einer Interessentenstraße ohne Einverständnis der Grundeigentümer des Privatweges nicht möglich. §41 LStG sei vielmehr zu entnehmen, daß eine Privatstraße nur dann zu einer Interessentenstraße erklärt werden könne, wenn eine Feststellung darüber vorliege, daß ein entsprechendes Verkehrsbedürfnis vorliege; eine Feststellung dieser Art sei jedoch nur über Antrag des Eigentümers der Privatstraße zulässig. Einen solchen Antrag habe er niemals gestellt. Die bel. Beh. habe wohl über Antrag eines Grundstücksnachbarn am 6. September 1983 einen Feststellungsbescheid erlassen, daß der Domkapitelweg eine dem öffentlichen Verkehr dienende Privatstraße sei, doch habe der Antragsteller gegen diesen Bescheid eine Berufung erhoben, über die bisher nicht entschieden worden sei. Die angefochtene Verordnung greife somit dadurch unmittelbar in seine Rechtssphäre ein, daß er gezwungen werde, den öffentlichen Verkehr auf seinem Privatweg zu dulden.

2.2. Die Stadtgemeinde Hallein hat eine Äußerung erstattet und die bezughabenden Akten vorgelegt. Auch die Sbg. Landesregierung hat eine Äußerung erstattet. In beiden Äußerungen wird den Ausführungen des Antragstellers entgegengetreten und die Abweisung seines Antrages begehrt.

2.3. Der Antragsteller hat in der Folge eine Gegenäußerung erstattet.

3. Der VfGH hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

3.1. Der vorliegende Antrag richtet sich gegen eine Verordnung; der Antragsteller legt seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung im einzelnen dar und begehrt - entsprechend dem §57 Abs1 VerfGG -, die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist jedoch weiters, daß die bekämpfte Verordnung für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist.

Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich die anzufechtende Verordnung wendet. Nicht jedem Normadressaten aber kommt diese Befugnis zu; es ist darüberhinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der betreffenden Person unmittelbar durch die Verordnung selbst - tatsächlich - erfolgt ist. Wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 8156/1977) darlegt, ist ein unmittelbar durch die Verordnung erfolgter und (deswegen) die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die generellen Rechtsnormen selbst eindeutig bestimmt ist und die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt.

3.2. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:

3.2.1. Durch die Erklärung einer Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße erhält die den Verkehrsweg bildende Grundfläche die rechtliche Eigenschaft einer Interessentenstraße mit der unmittelbaren Folge, daß auf diese eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen Anwendung findet. Insbesondere zieht die bekämpfte Verordnung nach sich, daß die Straßenrechtsbehörde gemäß §37 Abs3 LStG mit Bescheid eine Weggenossenschaft zu gründen hat und diese sich nach §38 leg. cit. eine Satzung zu geben hat. Aufgrund der angefochtenen Verordnung ist des weiteren nach §3 Abs1 LStG der Gemeingebrauch an der Straße gestattet; und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese schon vorher nach §40 Abs1 LStG dem öffentlichen Verkehr gedient hat. Nach Inhalt der Verwaltungsakten steht nun fest, daß im Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Verordnung der Domkapitelweg in der Natur als Privatweg nur in einer Breite von 2,5 bis 3 m bestand, wohingegen die angefochtene Verordnung eine Breite der öffentlichen Interessentenstraße von 5 m verfügt, was sich - worin die Parteien übereinstimmen - aus dem in der Verordnung näher bezeichneten Parzellierungsbescheid vom 6. November 1959 ergibt.

Soweit sich die gegenständliche Verordnung auf jenen Wegteil bezieht, der erst neu gebaut werden soll, ist sie lediglich Voraussetzung für weitere straßenverwaltungsbehördliche Maßnahmen, wie die Schaffung der Weggenossenschaft (§37 Abs3 LStG), die Erlassung eines straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheides (§5 ff. LStG) und eines allfälligen Enteignungsbescheides (§12 ff. LStG). In diesem Ausmaß hat die Verordnung den Charakter einer Einreihungsverordnung, die keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bewirkt (VfSlg. 8156/1977, zuletzt VfSlg. 10989/1986).

Durch die angefochtene Verordnung wird iS des §3 Abs1 LStG Gemeingebrauch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften begründet, soweit eine Widmung für den öffentlichen Verkehr nicht vorlag (vgl. VfSlg. 7884/1976, 8156/1977), ansonsten festgestellt. Die bekämpfte Verordnung greift in jedem Falle aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers ein, weil ihm eine Antragstellung nach §40 Abs2 LStG nach Erlassung der angefochtenen Verordnung nicht mehr offensteht. Daher konnte dahingestellt bleiben, ob der Domkapitelweg vor seiner Erklärung zur Interessentenstraße als Privatweg dem allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet war.

3.2.2. Da eine Teilung der Verordnung jedoch schon aus sprachlichen Gründen nicht möglich ist, ist der vorliegende Antrag insgesamt zulässig.

4. Der VfGH hat sohin in der Sache selbst erwogen:

§1 Abs1 LStG unterscheidet bei den unter das Gesetz fallenden Straßen zwischen Landesstraßen, Eisenbahnzufahrts- und sonstigen Konkurrenzstraßen, Gemeindestraßen, öffentlichen Interessentenstraßen und dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen. Gemäß §37 Abs1 LStG vermitteln Interessentenstraßen den öffentlichen Verkehr von Siedlungen mit den öffentlichen Straßen und erlangen und verlieren diese Eigenschaft als öffentliche Interessentenstraße durch Verordnung der Straßenrechtsbehörde. Eine Privatstraße dient gemäß §40 Abs1 leg. cit. dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie diesen nicht durch äußere Kennzeichen ausschließt, was nicht erfolgen darf, wenn die Straße vom Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde oder wenn die Privatstraße in zumindest 20jähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde. Nach §40 Abs2 LStG hat über die Zulässigkeit und den Umfang des Ausschlusses des Verkehrs über Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde zu entscheiden. Darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Privatstraße zu einer öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden kann, findet sich näheres (nur) in §41 LStG. Nach Abs1 dieser Bestimmung kann der Eigentümer einer Privatstraße - und nur dieser - von der Straßenrechtsbehörde die Feststellung begehren, daß bezüglich dieser Straße ein Verkehrsbedürfnis vorliegt, das dem an einer Gemeindestraße oder an einer Interessentenstraße bestehenden entspricht. Liegt eine solche Feststellung vor, so ist die Privatstraße als Gemeindestraße zu übernehmen bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des §37 Abs1 LStG - wie §41 Abs2 leg. cit. ausdrücklich anordnet - als öffentliche Interessentenstraße zu erklären. Hieraus ergibt sich nicht nur, daß die Straßenrechtsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §41 LStG eine Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße zu erklären hat, sondern auch, daß nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen - dh., wenn dies vom Eigentümer der Privatstraße verlangt wird - ein im privaten Eigentum stehender Verkehrsweg zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden darf.

Da der Antragsteller als (Mit-)Eigentümer des Domkapitelweges ein Begehren auf Erklärung dieser Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße nie gestellt hat, erweist sich der vorliegende Antrag als begründet.

Unerörtert kann hiebei bleiben, ob eine Enteignung zur Herstellung oder zur Erhaltung dieses Verkehrsweges als öffentliche Interessentenstraße möglich ist.

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Interessentenweg

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:V4.1984

Dokumentnummer

JFT_10138796_84V00004_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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