TE Vfgh Erkenntnis 1986/12/4 B858/85

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Veröffentlicht am 04.12.1986
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Index

L3 Finanzrecht
L3600 Kriegsopferabgabe, Opferfürsorgeabgabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Vlbg KriegsopferabgabeG 1952 §1, §2
Vlbg KriegsopferabgabeG 1952 §3 Abs2

Leitsatz

Vbg. KriegsopferabgabeG; Vorschreibung einer Kriegsopferabgabe füreine Operettenaufführung an den Veranstalter gemäß §§1, 2 und 3 Abs2;Verpflichtung des Veranstalters zur Abfuhr der einzuhebenden Beträgeunabhängig davon, ob sie von den Besuchern eingehoben wurden odernicht; Beschwerdelegitimation des Veranstalters; keineGleichheitsbedenken dagegen, daß Theater-, Opern- undOperettenaufführungen im Gegensatz zu kulturell wertvollenFilmvorführungen nicht von der Kriegsopferabgabepflicht ausgenommensind; keine Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die Bf. (eine Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Sbg.) veranstaltete am 5. Mai 1985 in Bregenz eine Aufführung der Operette "Der Zigeunerbaron" von Johann Strauß. Diese Veranstaltung wurde von der Vbg. Landesregierung gemäß §3 Abs2 des (Vlbg.) Kriegsopferabgabegesetzes 1952, LGBl. 11, idF der Nov. LGBl. 15/1974, (im folgenden kurz: KOAbgG) als "kulturell wertvoll" anerkannt.

Die Vbg. (Vlbg.) Landesregierung setzte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. Oktober 1985 gemäß §82 Abs2 des (Vlbg.) Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. 23/1984, iVm. den §§1, 2 und 3 Abs2 KOAbgG für diese Veranstaltung die Kriegsopferabgabe mit 11938 S fest.

b) Die §§1, 2 und 3 KOAbgG lauten auszugsweise:

"§1.

Gegenstand und Zweck der Abgabe.

(1) Bei den im Lande Vbg. stattfindenden gesellschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Veranstaltungen ist an das Land eine Abgabe (Kriegsopferabgabe) zu entrichten, soferne nicht gemäß Absatz

(4) die Befreiung von der Abgabe gewährt ist.

(2) Das Reinerträgnis der Abgabe ist in Ergänzung der dem Bund obliegenden Kriegsopferversorgung zur Unterstützung bedürftiger, im Lande wohnhafter Kriegsopfer und ihrer Angehörigen zu verwenden.

(3) Als Veranstaltungen iS des Absatzes (1) gelten insbesondere:

a) Vorträge aller Art;

b) Theater-, Opern- und Operettenaufführungen, Ballettvorführungen, Vorführungen der Tanzkunst;

c) Konzertveranstaltungen aller Art, wie Orchesterkonzerte, Oratorien, Lieder- und Arienkonzerte;

d) Variete- und Kabarett-Vorführungen und diesen gleichzustellende Veranstaltungen;

e) Vorführungen von Laufbildern aller Art;

f) ...

(4) Der Abgabe unterliegen nicht:

a) die öffentlichen Museen und Bildergalerien;

b) die Veranstaltungen von Vereinen für ihre eigenen ausübenden Mitglieder;

c) Rundfunkübertragungen in öffentlichen Lokalen;

d) Veranstaltungen religiösen, wissenschaftlichen oder bildenden Inhaltes, wenn sie nicht Erwerbszwecken dienen;

e) Veranstaltungen, die lediglich dem Unterricht oder der Förderung des Unterrichtes an öffentlichen und privaten Schulen dienen und hauptsächlich für die Schüler dieser Anstalten und deren Angehörige dargeboten werden;

f) Veranstaltungen kultureller Art, die von Vereinigungen, die am Veranstaltungsorte ihren Sitz haben, im wesentlichen mit eigenen Kräften durchgeführt werden und nicht mit Tanzveranstaltungen verbunden sind.

g) Vorführungen von Laufbildern, die von der Landesregierung von Amts wegen oder auf Antrag des Veranstalters vor ihrer Durchführung als kulturell wertvoll anerkannt wurden."

"§2.

Abgabepflichtige und einhebepflichtige Personen.

(1) Zur Entrichtung der Abgabe ist verpflichtet, wer die von der Abgabe betroffenen Veranstaltungen gegen Entrichtung eines Eintrittsgeldes besucht. ...

(2) Der Veranstalter ist verpflichtet, die Abgabe vom Abgabepflichtigen in Form eines Zuschlages zum Eintrittsgeld einzuheben und nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abzuführen. Er haftet für die richtige Abfuhr aller Beträge, zu deren Einhebung er verpflichtet ist ...

(3) Als Veranstalter gilt, wer sich als Veranstalter öffentlich ankündigt oder der Behörde gegenüber ausgibt, im Zweifel derjenige, auf dessen Rechnung die Einnahmen der Veranstaltung gehen."

"§3.

Höhe der Abgabe.

(1) Die Abgabe beträgt, soweit nicht eine Ermäßigung nach Abs2 oder 3 stattfindet, 10 vH des Eintrittsgeldes.

(2) Bei Veranstaltungen, die von der Landesregierung auf Antrag des Veranstalters vor ihrer Durchführung als kulturell wertvoll anerkannt wurden, beträgt die Abgabe 5 vH des Eintrittsgeldes. Die Bestimmung des §1 Abs4 litg wird dadurch nicht berührt.

(3) ..."

2. Gegen den Bescheid der Vlbg. Landesregierung vom 2. Oktober 1985 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Diese Behauptung wird damit begründet, daß das den angefochtenen Bescheid tragende Gesetz dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche; die Ausnahmeregelung des §1 Abs4 litg für die Aufführung kulturell wertvoller Filme müßte gleicherweise auch für Theater-, Opern- und Operettenaufführungen, die als kulturell wertvoll anerkannt wurden, gelten.

3. a) Die Vlbg. Landesregierung als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie zunächst behauptet, die bf. Gesellschaft sei als Veranstalter gar nicht die abgabepflichtige, sondern bloß jene Person, die dazu verpflichtet sei, die Abgabe einzuheben und der Behörde abzuführen; da die Bf. nicht zur Entrichtung der Abgabe verpflichtet sei, sei sie nicht beschwerdelegitimiert.

Die bel. Beh. führt weiter aus, daß ihrer Ansicht nach die kritisierte Regelung sachlich gerechtfertigt sei und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

b) Darauf replizierte die bf. Gesellschaft.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit

a) Die bf. Gesellschaft ist Adressat des angefochtenen Bescheides. Sie ist dem §2 Abs2 KOAbgG zufolge zur Abfuhr der einzuhebenden Beträge verpflichtet, unabhängig davon, ob sie sie von den Besuchern eingehoben hat oder nicht. Der angefochtene Bescheid greift sohin in ihre Rechtssphäre ein; sie ist beschwerdelegitimiert.

b) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Zur Sache selbst

a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9474/1982) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

b) Anhaltspunkte dafür, daß die bel. Beh. Willkür geübt hätte, haben sich nicht ergeben. Auch die bf. Gesellschaft erhebt derartige Vorwürfe nicht.

Die bf. Gesellschaft könnte also im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn das Gesetz mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar wäre.

c) Aus dem Zusammenhalt des §1 Abs3 litb und e, §1 Abs4 litg und §3 Abs2 KOAbgG ergibt sich, daß Vorführungen von kulturell wertvollen Laufbildern von der Abgabepflicht befreit sind, während Theater-, Opern- und Operettenaufführungen, auch wenn sie von der Landesregierung als kulturell wertvoll anerkannt wurden, der Abgabepflicht unterliegen.

Diese Unterscheidung ist - entgegen der Ansicht der bf.

Gesellschaft - sachlich zu rechtfertigen:

Die Bestimmung über die Abgabebefreiung der Vorführung von Filmen (§1 Abs4 litg) wurde durch die Nov. zum KOAbgG, LGBl. 15/1974, dem Gesetz neu angefügt. Die diese Nov. betreffende RV (41. Beilage im Jahre 1973 zu den Sitzungsberichten des XXI. Vbg. Landtages) motiviert die Neuregelung wie folgt:

"Der Entwurf sieht für Sportveranstaltungen die gänzliche Abgabenbefreiung vor. Dadurch soll ein weiterer Beitrag zur Sportförderung geleistet werden. Den Forderungen der Lichtspielunternehmer wird durch die Abgabenbefreiung für Filme, die als kulturell wertvoll anerkannt wurden, und durch die Angleichung des Abgabesatzes bei sonstigen Filmvorführungen an jenen bei Veranstaltungen anderer Art weitgehend Rechnung getragen. Dadurch soll insbesondere auf den erheblichen Besucherrückgang Bedacht genommen werden."

Die bf. Gesellschaft macht geltend, daß, wenn für Filmvorführungen eine Ausnahme eingeführt sei, eine gleiche auch für Theater-, Opern- und Operettenaufführungen gelten müßte.

Sicherlich wäre vom verfassungsrechtlichen Standpunkt nichts dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber der Forderung der bf. Gesellschaft nachkäme. Es kann ihm aber nicht der Vorwurf gemacht werden, den ihm von Verfassungswesen eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum überschritten zu haben, wenn er die erwähnte abgabenrechtliche Begünstigung nicht auch Theater-, Opern- und Operettenaufführungen zuteil werden ließ. Derartige Veranstaltungen unterscheiden sich so deutlich von Filmvorführungen, daß ihre andere abgabenrechtliche Behandlung sachlich rechtfertigbar ist. Auch ist bekanntlich die Zahl der Kinobesucher seit Einführung des Fernsehens beachtlich zurückgegangen, sodaß es nicht abwegig war, gerade der Förderung des kulturell wertvollen Filmes besonderes Augenmerk zuzuwenden und hiezu das Mittel einer Befreiung von der Kriegsopferabgabe anzuwenden.

d) Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß die bf. Gesellschaft nicht im Gleichheitsrecht verletzt wurde.

e) Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die bf. Gesellschaft in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Kriegsopferabgaben, Veranstaltungswesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B858.1985

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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