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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art10 Abs1 Z6Beachte
Kundmachung am 27. Feber 1987, LGBl. für das Bgld. 15/1987Leitsatz
Bgld. FeldschutzG, LGBl. 65/1933 idF LGBl. 23/1965; Regelungen über Pflanzabstände von der Grundgrenze gehören - wenn sie in einer Weise gestaltet sind, die als Regelung des Verhältnisses der Nachbarn unter sich angesehen werden müssen - zum Zivilrechtswesen; daran ändert das (zusätzliche) Vorliegen einer Strafsanktion nichts (Hinweis auf VfSlg. 10392/1985); Normierung der Einhaltung solcher Mindestabstände fällt in die Zuständigkeit der Länder, wenn die Norm das öffentliche Interesse ohne Bezugnahme auf das Verhältnis der Nachbarn zur Geltung bringt; §57 Abs4 ist dem Zivilrechtswesen zuzurechnen - Unzuständigkeit des Landesgesetzgebers, diese Regelung zu treffen; Aufhebung der BestimmungSpruch
§57 Abs4 des Gesetzes vom 23. Juni 1933, betreffend den Schutz des Feldgutes und den landwirtschaftlichen Betrieb, LGBl. für das Bgld. Nr. 65, idF des Gesetzes vom 12. Mai 1965, LGBl. für das Bgld. Nr. 23, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Bgld. ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der VwGH beantragt gemäß Art140 Abs1 B-VG und §62 Abs1 VerfGG 1953 die Aufhebung des §57 Abs4 des Gesetzes vom 23. Juni 1933, betreffend den Schutz des Feldgutes und den landwirtschaftlichen Betrieb, LGBl. für das Bgld. Nr. 65, idF des Gesetzes vom 12. Mai 1965, LGBl. für das Bgld. Nr. 23, als verfassungswidrig.
2. Der VwGH legt den Sachverhalt des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens folgendermaßen dar:
"Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 28. September 1984 wurde 'die Beschwerde' des Mitbeteiligten, derzufolge auf dem Grundstück des Bf. Nr. 299/2 der Kat. Gem. Girm eine Kulturänderung vorgenommen worden sei, ohne den erforderlichen Mindestabstand der Randreihe zur gemeinsamen Grundgrenze herzustellen, unter Berufung auf §57 Abs2 bis 4 des Burgenländischen Feldschutzgesetzes, LGBl. 65/1933, idF der Novelle LGBl. 23/1965, 'als verspätet eingebracht zurückgewiesen'. Gleichzeitig wurde dem Mitbeteiligten die Bezahlung einer Kommissionsgebühr in der Höhe von S 260,- vorgeschrieben.
Die Zurückweisung des Antrages des Mitbeteiligten wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Beendigung der Zuwiderhandlung iS des §57 Abs2 und 3 leg. cit. nach dem Ergebnis eines Lokalaugenscheines und Einvernahme von Zeugen am 16. März 1982 erfolgt sei, weshalb der am 31. März 1983 bei der Behörde erster Instanz eingelangte Antrag des Mitbeteiligten nicht innerhalb der im §57 Abs4 leg. cit. festgesetzten Frist eingebracht worden sei.
Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 11. Juni 1985 wurde dieser Bescheid aufgrund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung des Mitbeteiligten gemäß §66 Abs4 AVG 1950 aufgehoben.
Die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, aufgrund des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß im Frühjahr 1982 auf dem in Rede stehenden Grundstück zwei Weingartenreihen auf eine Länge von zirka 240 m zur Nachbargrenze des Grundstückes Nr. 297 neu angepflanzt worden seien. Vor Anpflanzung sei die zweite alte Reihe und im Herbst 1982 die Randreihe zum Mitbeteiligten auf die angeführte Länge gerodet worden. Hieraus folge, daß durch die Rodung dieser Randreihe nach der Weinernte im Herbst 1982 die Umwandlung einer bestehenden Weingartenkultur vorgenommen worden sei und die einjährige Frist nach §57 Abs4 des Feldschutzgesetzes erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Da der Antrag des Mitbeteiligten bereits am 31. März 1983 bei der Behörde eingelangt sei, sei seit Beendigung der Zuwiderhandlung sohin nicht mehr als ein Jahr vergangen. Die Behörde erster Instanz werde daher über diesen Antrag eine Sachentscheidung zu treffen und über die Vorschreibung der Kommissionsgebühr neu zu entscheiden haben. Es folgen noch Ausführungen über die Antragslegitimation des Mitbeteiligten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zur hg. Z 86/18/0033 (bisher 85/07/0195) protokollierte Beschwerde an den VwGH".
3. Zur Begründung seines Antrages führt der VwGH aus (die von ihm bekämpfte Bestimmung ist darin wiedergegeben):
"Die Abs2 bis 4 des §57 des Gesetzes vom 23. Juni 1933, LGBl. für das Bgld. Nr. 65, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. 23/1965, lauten:
'(2) Weinstöcke dürfen nicht näher als 100 cm zur Nachbargrenze eines Grundstückes gesetzt werden. Erfolgt jedoch die Anpflanzung einer Weingartenkultur derart, daß der durchschnittliche Reihenabstand mehr als 200 cm beträgt, so ist zwischen der Randreihe und der Nachbargrenze mindestens ein Abstand in der Größe der halben durchschnittlichen Reihenentfernung zu belassen. Der gleiche Grenzabstand ist auch bei der Umwandlung schon bestehender Weingartenkulturen einzuhalten.
(3) Als Umwandlung ist jede Änderung des Reihenabstandes oder der bestehenden Erziehungsart einer Weingartenkultur anzusehen.
(4) Unabhängig von einer Bestrafung hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eigentümers des Nachbargrundstückes demjenigen, der den Bestimmungen der Abs2 und 3 zuwidergehandelt hat oder seinen Rechtsnachfolger, die Entfernung der innerhalb des vorgeschriebenen Grenzabstandes vorgenommenen Anpflanzungen aufzutragen, sofern seit Beendigung der Zuwiderhandlung nicht mehr als 1 Jahr vergangen ist und der Antragsteller der Außerachtlassung des vorgeschriebenen Grenzabstandes nicht zugestimmt hat.'
Gemäß §98 leg. cit. wird von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 3000,- oder mit Arrest bis zu 8 Tagen bestraft, wer ... 3) in geringerer als der zulässigen Entfernung von der Nachbargrenze eines Grundstückes Weinstöcke oder Bäume anpflanzt oder bei Umwandlung einer Weingartenkultur den vorgeschriebenen Abstand zur Nachbargrenze nicht einhält.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 7. März 1985, VfSlg. 10392/1985, Z G83/83-7, das Gesetz vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für das Land Tir. Nr. 41/1969, zur Gänze als verfassungswidrig aufgehoben und darin unter Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg. 6344/1970 und 9580/1982, S. 416, sowie das Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 6862/1972 zum Ausdruck gebracht, daß einerseits die Gestaltung der Einhaltung von Mindestabständen von Pflanzen in einer Weise, die als Regelung des Verhältnisses der Nachbarn unter sich angesehen werden muß, zum Zivilrechtswesen gehört, daß aber andererseits die Normierung der Einhaltung solcher Mindestabstände dann in die Zuständigkeit der Länder fällt, wenn die Norm - unabhängig vom Verhältnis der Nachbarn - das öffentliche Interesse ohne Bezugnahme auf dieses Verhältnis zur Geltung bringt.
In dem erwähnten Erkenntnis VfSlg. 6344/1970, mit welchem §5 des Gesetzes über Mindestpflanzabstände für Kulturpflanzen von fremden Grundstücken, LGBl. für NÖ Nr. 30/1969, als kompetenzwidrig aufgehoben worden ist, führte der VfGH aus, nach diesem Gesetz sei ein behördlicher Eingriff von Amts wegen nicht möglich, sondern es sei für die Auslegung des behördlichen Eingriffes allein ein Antrag, also eine Willensentscheidung des betroffenen Anrainers maßgeblich, wobei jedoch der Verwirklichung dieses Willens im Interesse des Nachbarn Schranken gesetzt seien: Einerseits durch eine zeitliche Begrenzung des Antragsrechtes, andererseits dadurch, daß ein Antrag ausgeschlossen ist, wenn ein an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundenes Übereinkommen über Pflanzabstände vorliegt, die die gesetzlichen Mindestpflanzabstände unterschreiten. Es sei also in mehrfacher Hinsicht dispositives Recht gegeben: Die Bindung an die gesetzlichen Mindestpflanzabstände werde einerseits durch Verstreichenlassen der Antragsfrist, andererseits durch ein Übereinkommen ausgeschaltet, dessen Zustandekommen und Inhalt völlig in das Belieben der Parteien gestellt sei. Der Inhalt dieser Regelung bestehe also in der Abgrenzung des Interesses einzelner Personen; öffentliche Interessen seien nicht Gegenstand der Norm. Durch eine solche Regelung würden iS des §1 ABGB Privatrechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt; es handle sich nicht um eine Einschränkung der Eigentumsausübung zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles iS des §364 ABGB, also nicht um eine Eigentumsbeschränkung, die durch Verwaltungsvorschriften statuiert werden könne und die aus dem Begriff des Zivilrechtswesens ausgeschieden erscheine (Hinweis auf VfSlg. 2658/1954, 4605/1963 und 5534/1967).
Auch nach der - entsprechend der einleitenden Sachverhaltsdarstellung im vorliegenden Beschwerdefall präjudiziellen - Regelung des §57 Abs4 des Gesetzes vom 23. Juni 1933 betreffend den Schutz des Feldgutes und den landwirtschaftlichen Betrieb, LGBl. für das Bgld. Nr. 65, idF des Gesetzes vom 12. Mai 1965, LGBl. für das Bgld. Nr. 23, ist die Erlassung eines Auftrages zur Entfernung der innerhalb des vorgeschriebenen Grenzabstandes vorgenommenen und sohin gesetzwidrigen Anpflanzungen vom Vorliegen eines diesbezüglichen Antrages des Eigentümers des Nachbargrundstückes abhängig, welcher innerhalb eines Jahres seit Beendigung der Zuwiderhandlung gestellt werden muß. Außerdem ist in dieser Gesetzesstelle vorgesehen, daß ein derartiger Entfernungsauftrag im Falle der Zustimmung des Antragstellers nicht ergehen darf. Die vom VfGH für die Zuordnung der erwähnten nö. Bestimmung zum Zivilrechtswesen als maßgebend angesehenen geschilderten Kriterien liegen daher auch bei der im Beschwerdefall präjudiziellen burgenländischen Norm vor. Dies ungeachtet des Umstandes, daß die in Rede stehende burgenländische Regelung ein an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundenes Übereinkommen über Pflanzabstände nicht ausdrücklich vorsieht, weil sich aus der gesetzlichen Anordnung, wonach der Auftrag zur Entfernung nur ergehen darf, wenn der Antragsteller der Außerachtlassung des vorgeschriebenen Grenzabstandes nicht zugestimmt hat, ergibt, daß das Verhalten der Behörde von - auf privaten Interessen beruhenden - Dispositionen des Eigentümers des von der gesetzwidrigen Anpflanzung betroffenen Nachbargrundstückes bestimmt wird (vgl. in diesem Sinn das schon erwähnte dg. Erkenntnis VfSlg. 10392/1985).
Das Vorhandensein einer Strafbestimmung kann im übrigen entsprechend den Ausführungen dieses letztgenannten Erkenntnisses für die kompetenzrechtliche Zuordnung allein nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, zumal bei der unabhängig von einem diesbezüglichen Antrag gegebenen Möglichkeit der Durchführung eines Strafverfahrens wegen Mißachtung der Vorschriften über den Grenzabstand zu bedenken ist, daß ein solches Strafverfahren in der Regel nur aufgrund einer Anzeige des betroffenen Eigentümers des Nachbargrundstückes eingeleitet werden wird, da Außenstehenden die Grenzverhältnisse nicht bekannt sein dürften.
Der VwGH hält daher die im Spruch zitierte landesgesetzliche Regelung mangels Kompetenz des Landesgesetzgebers zu ihrer Erlassung (Art10 Abs1 Z2 B-VG) für verfassungswidrig, weshalb der Antrag gestellt wird, diese wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben".
4. Die Burgenländische Landesregierung hat im Hinblick auf die vom VwGH zitierte Judikatur des VfGH auf die Abgabe einer Äußerung verzichtet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Annahme des VwGH spräche, er habe im Anlaßbeschwerdeverfahren die von ihm bekämpfte Bestimmung anzuwenden. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. Die Bedenken des VwGH bestehen zu Recht.
Wie der VwGH zutreffend ausführt, gleicht die von ihm bekämpfte Regelung jener des Tir. Gesetzes vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. 41, das vom VfGH mit Erk. VfSlg. 10392/1985, aufgehoben wurde. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Regelungen ist, daß nach dem Tir. Gesetz schon die Verpflichtung, eine bestimmte Grundfläche entlang der Grundgrenze von Bewuchs freizuhalten, durch eine Parteienvereinbarung ausgeschlossen werden konnte, während nach der nun zu prüfenden Regelung die Pflicht der Behörde, die Beseitigung des unzulässigen Bewuchses aufzutragen, von einem Antrag des betreffenden Nachbarn abhängig gemacht und an die Voraussetzung geknüpft wird, daß nicht mehr als ein Jahr vergangen ist und der Antragsteller der Außerachtlassung des vorgeschriebenen Grenzabstandes nicht zugestimmt hat. In diesem Punkt gleicht die Regelung völlig §5 des Gesetzes vom 4. November 1968 über die Mindestpflanzabstände von Kulturpflanzen von fremden Grundstücken, LGBl. für das Land NÖ 30/1969, der bereits mit Erk. VfSlg. 6344/1970 aufgehoben wurde und dessen Begründung dem vorhin erwähnten Erk. VfSlg. 10392/1985, zu Grunde liegt.
Zusammengefaßt ausgedrückt gehören nach der Rechtsprechung des VfGH Regelungen über Pflanzabstände von der Grundgrenze zum Zivilrechtswesen, wenn sie in einer Weise gestaltet sind, die als Regelung des Verhältnisses der Nachbarn unter sich angesehen werden muß; dies ist zB dann der Fall, wenn ein behördlicher Eingriff nur auf Antrag eines betroffenen Anrainers möglich ist bzw. durch ein Übereinkommen der Nachbarn ausgeschlossen werden kann. An dieser kompetenzrechtlichen Beurteilung ändert das (zusätzliche) Vorliegen einer Strafsanktion nichts (vgl. VfSlg. 10392/1985). Hingegen fällt die Normierung der Einhaltung solcher Mindestabstände in die Zuständigkeit der Länder, wenn die Norm - unabhängig vom Verhältnis der Nachbarn - das öffentliche Interesse ohne Bezugnahme auf dieses Verhältnis zur Geltung bringt (vgl. VfSlg. 6862/1972).
3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die geprüfte Bestimmung dem Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen zuzurechnen ist.
Da das "Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluß von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen" gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung ist, war der Landesgesetzgeber nicht zuständig, diese Regelung zu treffen; sie ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Anders als im Falle des in VfSlg. 10392/1985 geprüften Gesetzes ist aber nicht die Gesamtheit des Gesetzes (Art140 Abs3 zweiter Satz B-VG) dem Zivilrechtswesen zuzurechnen.
4. Die Aussprüche über die Kundmachung und über die Verneinung des neuerlichen Wirksamwerdens früherer gesetzlicher Bestimmungen stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen, Kompetenz Bund - Länder Landwirtschaft, Landwirtschaftsrecht, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:G83.1986Dokumentnummer
JFT_10138791_86G00083_00