TE Vfgh Beschluss 1986/12/9 B728/86

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Veröffentlicht am 09.12.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
VfGG §88

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; erstinstanzliche Stattgebung eines Ansuchens um eine Ausnahmebewilligung gemäß §45 Abs1, 2 und 3 StVO 1960 von einem Fahrverbot unter Vorschreibung von "Bedingungen und Auflagen" sowie einer Verwaltungsabgabe; Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß §66 Abs4 AVG 1950 zur Gänze (weil das Fahrverbot nicht rechtsverbindlich sei), ohne einen anderslautenden Ausspruch zu treffen - ersatzlose Beseitigung des gesamten erstinstanzlichen Bescheides; Ergebnis des Berufungsbescheides für den Bf. zumindest gleich günstig, wie wenn dem Ausnahmeantrag ohne Bedingungen und Auflagen sowie ohne Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe Rechnung getragen worden wäre; Bf. kann nicht beschwert sein; Zurückweisung mangels Legitimation; "Verordnungen" bei Feststellung der Beschwerdelegitimation nicht anzuwenden - Mangel der Präjudizialität; kein Kostenzuspruch an die bel. Beh., da nach §88 VerfGG ersatzfähige Kosten (etwa Reisekosten) nicht entstanden sind

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. a) aa) Der Magistrat Graz erließ am 20. August 1984 unter Z A 10/1-702/23-1984 folgende Erledigung:

"Verordnung

Gemäß §43 der StVO 1960, in der derzeit gültigen Fassung, wird für die Waagner-Biro-Straße im Bereiche des Werkes der Fa. Waagner-Biro 'Fahrverbot' mit dem Zusatz 'Ausgenommen Zufahrt zum Werk und Durchfahrt für Fahrzeuge über 16 to höchstzulässigem Gesamtgewicht und Kraftwagenzüge' verordnet.

Diese Verordnung tritt ab 3. September 1984 in Kraft.

Die Kosten für die Beschaffung, Aufstellung und Erhaltung sämtlicher Verkehrszeichen und Hinweisschilder sind von der Fa. Waagner-Biro zu tragen.

Ergeht an:

1. Die Bundespolizeidirektion Graz, Verkehrsamt, 2fach.

2. Die Kammer der gew. Wirtschaft, Verkehrspol. Abt., Körblergasse 111 - 113, Graz III.

3. Die Fa. Waagner-Biro-AG, Waagner-Biro-Straße 98, 8020 Graz IV.

Verordnet am 20. August 1984

Für den Bürgermeister:

Bürgermeisterstellvertreter

Turek e.h."

bb) Am 21. Jänner 1986 erfolgte unter Z A 10/1-2256/32-1985 eine Erledigung des Magistrates Graz folgenden Inhaltes:

"Verordnung

Gemäß §43 der StVO 1960, in der derzeit gültigen Fassung, wird für die Waagner-Biro-Straße von der Dreierschützengasse bis zur südlichen Grenze (Zaun) der Liegenschaft Waagner-Biro-Straße Nr. 121 gemäß §52

(1) der StVO 'Fahrverbot in beiden Richtungen' mit dem Zusatz 'Ausgenommen Zufahrt zum Werk und Durchfahrt für Fahrzeuge über 16 to höchstzulässigem Gesamtgewicht und Kraftwagenzüge' verordnet.

Ergeht an:

1. Die Bundespolizeidirektion Graz Abteilung III, 2-fach.

2. Die Kammer der gew. Wirtschaft, Verkehrspol. Abt., Körblergasse 111 - 113, Graz III.

Verordnet am: 21. Jänner 1986

Für den Bürgermeister:

SR. Dipl.-Ing. Dr. Schwarz e.h."

cc) Schließlich erging am 14. Juli 1986 unter Z A 10/1-427/34-1986 folgende Erledigung des Magistrates Graz:

"Verordnung

Gemäß §43 der StVO 1960, in der derzeit gültigen Fassung, wird für die Waagner-Biro-Straße von der Dreierschützengasse bis zur südlichen Grenze (Zaun) der Liegenschaft Waagner-Biro-Straße Nr. 121 gemäß §52

(1) der StVO 'Fahrverbot in beiden Richtungen' mit dem Zusatz 'Ausgenommen Zufahrt zum Werk und Durchfahrt für Fahrzeuge über 16 to höchstzulässigem Gesamtgewicht und Kraftwagenzüge' verordnet.

Die Aufstellung der Verkehrszeichen wurde bereits am 3. September 1984 um 08.00 Uhr vorgenommen. Die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung tritt mit der Unterfertigung durch den Stadtsenatsreferenten ein.

Ergeht an:

1. Die Bundespolizeidirektion Graz, Abteilung III, 2-fach.

2. Die Kammer der gew. Wirtschaft, Verkehrspol. Abt., Körblergasse 111 - 113, Graz III.

Verordnet am: 14. Juli 1986

Für den Bürgermeister:

Stadtrat

Dr. Weinmeister e.h."

b) aa) Am 28. November 1985 beantragte die bf. (bf.) Gesellschaft - deren Betriebsgelände von beiden Seiten über die Waagner-Biro-Straße erreichbar ist - beim Magistrat Graz, ihr für bestimmte, in ihrem Eigentum stehende KFZ eine Ausnahmebewilligung vom Fahrverbot in der Waagner-Biro-Straße zu erteilen.

Mit Bescheid des Magistrates Graz vom 27. Jänner 1986 wurde diesem Ansuchen gemäß §45 Abs1, 2 und 3 StVO 1960 "bei Einhaltung nachstehender Bedingungen und Auflagen" stattgegeben:

"1. Diese Bewilligung gilt gegen jederzeitigen Widerruf und ohne Angabe von Gründen, längstens jedoch bis 30. 12. 1986 und für Firmenfahrzeuge der J. Hornig KG.

2. Die Inanspruchnahme dieser Bewilligung hat mit besonderer Vorsicht und unter Bedachtnahme auf die Sicherheit des Fußgängerverkehrs zu erfolgen.

3. Diese Bewilligung enthebt nicht von der Einhaltung aller übrigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und ist die Stadt Graz gegenüber Dritten völlig schad- und klaglos zu halten.

4. Diese Bewilligung ist vom Lenker des jeweiligen Fahrzeuges mitzuführen bzw. beim Bewilligungsinhaber aufzubewahren und auf Verlangen den Sicherheitswachebeamten jederzeit vorzuweisen.

5. Eine Abschrift (Fotokopie) gilt nicht als Nachweis der Berechtigung."

Der Antragstellerin (der bf. Gesellschaft) wurde eine Verwaltungsabgabe von 1000 S vorgeschrieben.

bb) Gegen die Punkte 1, 4 und 5 der "Bedingungen und Auflagen" und gegen die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe erhob die bf. Gesellschaft Berufung.

Die Steiermärkische Landesregierung entschied darüber mit Bescheid vom 16. April 1986 wie folgt:

"Bescheid

Spruch

Aus Anlaß der Berufung der Firma J. Hornig KG, vertreten durch Herrn RA Dr. Gottfried Eisenberger, Graz, wird der Bescheid des Magistrates Graz, Straßen- und Brückenbauamt, vom 27. Jänner 1986, GZ: A 10/1-2246/1-1985, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 behoben.

Begründung

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Bescheid wurde der Firma J. Hornig KG unter Vorschreibung diverser Auflagen die Bewilligung erteilt, daß die Waagner Biro Straße trotz des im Bereich des Werkes der Waagner Biro AG bestehenden beidseitigen Fahrverbotes von Firmenfahrzeugen der genannten Firma befahren werden darf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung des Berufungswerbers, wobei sich ein Eingehen in die Berufungsausführungen erübrigt, da der Bescheid aus anderen Gründen zu beheben war.

Im Zuge eines gegen Herrn KommRat J H durchgeführten Strafverfahrens wegen der Beschuldigung der Mißachtung des für einen Bereich der Waagner Biro Straße geltenden Fahrverbotes wurde durch die Berufungsbehörde festgestellt, daß die Verordnung des Magistrates Graz vom 20. August 1984, mit der für die Waagner Biro Straße im Bereich des Werkes der Firma Waagner Biro AG ein Fahrverbot mit dem Zusatz 'AUSGENOMMEN ZUFAHRT ZUM WERK UND DURCHFAHRT FÜR FAHRZEUGE ÜBER 16 T HÖCHSTZULÄSSIGEM GESAMTGEWICHT UND KRAFTWAGENZÜGE' keine rechtliche Verbindlichkeit hat.

Dazu wurde ausgeführt, daß weder aus der Verordnung noch aus dem Verordnungsakt hervorgeht, welcher Abschnitt des Straßenverlaufes der Waagner Biro Straße genau vom Fahrverbot betroffen sein soll, noch die Bezeichnung "im Bereich des Werkes der Firma Waagner Biro" diesen Abschnitt konkret genug umschreibt, zumal sich ein Teil des Werksgeländes außerhalb des beabsichtigten Fahrverbotes befindet. Desweiteren ist die Verordnung mit einem Kundmachungsmangel deshalb behaftet, da aus der Verordnung nicht genau ersichtlich ist, an welchem exakten Aufstellungsort die betreffenden Straßenverkehrszeichen anzubringen sind.

Die obangeführte Verordnung wurde durch die Verordnung des Magistrates Graz vom 21. Jänner 1986, GZ: A 10/1-2256/32-1985, ersetzt. Auch diese Ersatzverordnung kann keine rechtliche Verbindlichkeit entfalten. Dies deshalb, weil sich weder in der Verordnung noch im Verordnungsakt ein Hinweis über den Zeitpunkt der Anbringung der Verkehrszeichen bzw. ein Hinweis über den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung befindet.

Da somit nach Ansicht der Berufungsbehörde für den obangeführten Teil der Waagner Biro Straße kein rechtlich relevantes Fahrverbot existiert, ist einem allfälligen Ansuchen um Ausnahmebewilligung von diesem Fahrverbot die Grundlage entzogen, weshalb der Bewilligungsbescheid zu beheben war.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Bescheid ist eine Berufung nicht zulässig."

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (nämlich jene des Magistrates Graz vom 21. Jänner 1986 - s. oben I.1.a.bb) behauptet. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt und der Sache nach angeregt, von amtswegen (nach Art139 Abs1 B-VG) ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der erwähnten Verordnung einzuleiten.

3. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung (s. oben I.1.b.bb) wurde - sei es richtig oder unrichtig - der erstinstanzliche Bescheid, mit dem über den Antrag der bf. Gesellschaft entschieden wurde, zur Gänze (ohne einen anderslautenden Ausspruch zu treffen) aufgehoben. Damit sind auch die von der bf. Gesellschaft in der Berufung als belastend hingestellten "Bedingungen und Auflagen" sowie die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe aus der Rechtsordnung ersatzlos eliminiert worden.

Es kann dahingestellt bleiben, wie der Spruch des angefochtenen Bescheides normativ zu deuten ist; ob etwa - wie dem Wortlaut des Spruches zu entnehmen wäre - der Antrag der bf. Gesellschaft vom 28. November 1985 (s. oben I.1.b.aa) derzeit wieder offen ist, oder ob etwa - wie allenfalls aus dem Sinn des Bescheides zu erschließen wäre - der erwähnte Antrag mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid zurückgewiesen wurde. Was immer der Inhalt des Bescheidspruches sein mag, wurde die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid nämlich nicht in ihrer Rechtssphäre berührt:

Aus der Begründung des bekämpften Berufungsbescheides ergibt sich, daß die bf. Gesellschaft durch die angefochtene Erledigung nicht beschwert sein kann, drückt die Bescheidbegründung doch aus, daß jedenfalls zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides für die Waagner-Biro-Straße kein Fahrverbot bestanden hat; dies ist für die bf. Gesellschaft zumindest gleich günstig, wie wenn ihrem Ausnahme-Antrag vollinhaltlich - ohne Bedingungen und Auflagen und ohne Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe - Rechnung getragen worden wäre.

Wie sich die Rechtslage aufgrund der erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 16. April 1986 ergangenen neuen "Verordnung" vom 14. Juli 1986 (s. oben I.1.a.cc) darstellt, ist hier nicht relevant.

Um die sohin mangelnde Beschwerdelegitimation festzustellen, hatte der VfGH keine der unter I.1.a angeführten "Verordnungen" anzuwenden. Mangels Präjudizialität konnte sich der Gerichtshof nicht mit ihrer Gesetzmäßigkeit beschäftigen.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen mangels Legitimation zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 10015/1984, 10042/1984, 10220/1984).

2. Die von der (obsiegenden) bel. Beh. begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da ihr Kosten, die nach §88 VerfGG ersatzfähig wären (etwa Reisekosten) nicht entstanden sind.

Schlagworte

VfGH / Kosten, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Legitimation Verwaltungsverfahren Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B728.1986

Dokumentnummer

JFT_10138791_86B00728_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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