TE Vfgh Erkenntnis 1986/12/12 B548/85

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Veröffentlicht am 12.12.1986
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8240 Abfall, Müll

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
MRK Art4 Abs2
StGG Art5
Müllabfuhrordnung Ottenschlag vom 22.03.1977
Oö AbfallG

Leitsatz

OÖ AbfallG; MüllabfuhrO der Gd. Ottenschlag vom 22. März 1977; Abweisung des Antrages, daß die Gemeinde den Müll des Bf. von seinem Grundstück abzuholen hat und Abweisung des Antrages auf Rückerstattung der bisher gezahlten Müllabfuhrgebühren; zur Auslegung des AbfallG; keine Bedenken gegen §7 Abs4 der MüllabfuhrO Ottenschlag (mit der die Grundstückseigentümer verpflichtet werden, die Müllbehälter vor der Abfuhr an einen Abholort zu bringen); Antrag des Bf., daß der Müll von seinem Grundstück abzuholen sei - durch den angefochtenen Bescheid wurde über die strittige Frage entschieden; kein Entzug des gesetzlichen Richters; Anspruch auf Rückerstattung bereits bezahlter Müllabfuhrgebühren öffentlich-rechtlicher Natur - vom Schutzumfang des Eigentumsrechtes nicht umfaßt; Verbringung eines Müllbehälters zu einer Abfuhrstelle - keine Zwangs- und Pflichtarbeit iS des Art4 MRK; keine Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. In Ausführung der von §4 Abs2 ausgesprochenen allgemeinen Verpflichtung, für eine ordnungsgemäße Sammlung, Abfuhr und Beseitigung der im Gemeindegebiet anfallenden Abfälle zu sorgen, hat die Gemeinde nach §8 des OÖ Abfallgesetzes, LGBl. 1/1975, zur regelmäßigen Abfuhr des in ihrem Pflichtbereich anfallenden Hausmülls und Sperrmülls eine öffentliche Einrichtung (öffentliche Müllabfuhr) zu errichten, zu erhalten und zu betreiben.

Im vorliegenden Beschwerdefall geht es um die Frage, von welcher Stelle die Gemeinde den Hausmüll abzuführen hat und welche Pflichten die Grundeigentümer bei der Bereitstellung des Mülls treffen.

Der in Linz wohnhafte Bf. besitzt in Ottenschlag iM mehrere hundert Meter von jener Gemeindestraße entfernt, auf welcher bereitgestellter Müll abgeholt wird, ein Wochenendhaus. Unter Hinweis auf den Mangel einer Zufahrtsmöglichkeit zur Winterszeit und seine Unfähigkeit, den Müll selbst an die Gemeindestraße zu bringen, hatte er schon 1977 erfolglos um die Ausnahme vom Pflichtbereich der Müllabfuhr angesucht. Seine Beschwerde gegen den abweisenden Vorstellungsbescheid wurde vom VfGH mit Erk. VfSlg. 9330/1982, vom VwGH mit Erk. Z 82/01/0110, 0111 vom 23. Juni 1982 abgewiesen; auf diese Erkenntnisse sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

1. Am 27. März 1984 beantragte der Bf. bei der Gemeinde Ottenschlag i. M. unter Berufung auf die §§8 Abs3 und 12 Abs3 AbfallG (a) die Festsetzung des Ortes der Aufstellung von Müllbehältern auf seinem Grundstück, (b) die Feststellung der Verpflichtung der Gemeinde, den auf diesem Grundstück anfallenden Müll von diesem Grundstück abzuholen, sowie (c) die Rückerstattung der seit 29. März 1977 gezahlten Müllabfuhrgebühren.

Die im Antrag berufenen Bestimmungen lauten in ihrem Zusammenhang:

"§8 (3) Der Pflichtbereich der Gemeinde umfaßt grundsätzlich das gesamte Gemeindegebiet. Der Gemeinderat kann jedoch im Rahmen der Müllabfuhrordnung (§16) Grundstücke, von denen aufgrund ihrer Lage und der Art ihrer Verkehrserschließung der Müll durch Einrichtungen der öffentlichen Müllabfuhr (Abs1) nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten abgeführt werden kann, vom Pflichtbereich der Gemeinde ausnehmen. Ändern sich die Voraussetzungen, so hat die Gemeinde den Pflichtbereich den geänderten Verhältnissen anzupassen.

§9 (1) Die Eigentümer der im Pflichtbereich der Gemeinde (§8 Abs3) gelegenen Grundstücke sind berechtigt und verpflichtet, den auf ihren Grundstücken anfallenden Hausmüll und Sperrmüll durch die öffentliche Müllabfuhr (§8 Abs1) abführen zu lassen.

§12 (3) Die Grundstückseigentümer sind verpflichtet, die Müllbehälter (Abs1) an einer hiefür geeigneten, für die Benützer der Behälter und die öffentliche Müllabfuhr leicht zugänglichen Stelle so aufzustellen, daß durch die ordnungsgemäße Benützung und den Transport der Behälter keine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung für Menschen erfolgen kann. Im Bedarfsfalle ist der Ort der Aufstellung vom Bürgermeister (Magistrat) mit Bescheid zu bestimmen. Die Grundstückseigentümer haben weiters dafür zu sorgen, daß der Aufstellungsort für die Müllbehälter zugänglich ist und sauber gehalten wird.

§13 (1) Die Eigentümer und sonstigen Benützer der im Pflichtbereich der Gemeinde (§8 Abs3) gelegenen Grundstücke sind berechtigt und verpflichtet, den auf diesen Grundstücken anfallenden Hausmüll in den hiefür bestimmten Müllbehältern (§12 Abs1) zu sammeln.

§16 Der Gemeinderat hat unter Bedachtnahme auf die im §3 angeführten Grundsätze, den Stand der technischen Entwicklung und die wirtschaftliche Lage der Gemeinde eine Müllabfuhrordnung zu erlassen, die insbesondere zu bestimmen hat:

1. die vom Pflichtbereich der Gemeinde ausgenommenen Grundstücke (§8 Abs3);

2. ob die Müllbehälter für den Hausmüll von den Grundstückseigentümern zu beschaffen sind oder diesen von der öffentlichen Müllabfuhr leihweise zur Verfügung gestellt oder übereignet werden (§12 Abs2);

3. die Art, Größe und Ausführung der zu verwendenden Müllbehälter für den Hausmüll (§12 Abs4 und 5);

4. die Grundsätze für die Festsetzung der Zahl der für eine Liegenschaft zu verwendenden Müllbehälter nach Maßgabe der Zahl der Hausbewohner oder Haushalte (Wohnungseinheiten), der Art und Größe der Betriebe und der Art, Menge und Beschaffenheit des anfallenden Hausmülls (§12 Abs6);

5. die Zahl der Entleerungen (Abholungen) der Müllbehälter für den Hausmüll im Monat oder in der Woche (§15 Abs1);

6. die Zahl der Abfuhrtermine für den Sperrmüll im Jahr (§15 Abs2)."

Aufgrund des §16 hat die Gemeinde Ottenschlag am 22. März 1977 eine Müllabfuhrordnung erlassen, deren §7 die Art der zu verwendenden Mülltonnen festlegt und ua. folgende Bestimmungen enthält:

"(4) Die Grundstückeigentümer sind verpflichtet, die Müllbehälter an einer hiefür geeigneten, für die Benützer der Müllbehälter leicht zugänglichen Stelle so aufzustellen, daß durch die ordnungsgemäße Benützung und den Transport der Müllbehälter keine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung für Menschen erfolgen kann. Im Bedarfsfall ist der Ort der Aufstellung vom Bürgermeister mit Bescheid zu bestimmen. Die Grundstückseigentümer sind weiters verpflichtet, die Müllbehälter vor der Abfuhr an den Rand derjenigen Straße zu bringen, welche vom Müllabfuhrwagen befahren wird und sind die Müllbehälter nach erfolgter Entleerung ehestens wieder an ihren Aufstellungsort zurückzubringen. Die Grundstückseigentümer haben weiters dafür zu sorgen, daß der Aufstellungsort für die Müllbehälter zugänglich ist und sauber gehalten wird.

(5) Bei einem außergewöhnlichen Anfall von Hausmüll, zB nach Feiertagen, dürfen zusätzlich zu den vorhandenen Müllbehältern Müllsäcke zur Müllabfuhr verwendet werden. ..."

2. Nachdem der Antrag des Bf. bis 2. Oktober 1984 nicht erledigt worden war, machte er die Entscheidungspflicht der Gemeinde geltend. Der damit zuständig gewordene Gemeinderat von Ottenschlag i. M. legte mit Bescheid vom 23. Oktober 1984 als Aufstellungsort des Müllbehälters die nordöstliche Ecke des Grundstücks des Bf. fest, wies aber die weiteren Anträge ab. Der gegen die Abweisung gerichteten Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung mit dem beim VfGH angefochtenen Bescheid im wesentlichen aus nachstehenden Gründen nicht Folge:

"Gemäß §9 Abs1 Oö. Abfallgesetz ist L S berechtigt, aber auch verpflichtet, den auf seinem Grundstück anfallenden Hausmüll und Sperrmüll durch die öffentliche Müllabfuhr der Gemeinde Ottenschlag i. M. abführen zu lassen. Zur Durchführung dieser öffentlichen Müllabfuhr hat der Gemeinderat gemäß §16 Oö. Abfallgesetz unter Bedachtnahme auf die im §3 leg. cit. angeführten Grundsätze, den Stand der technischen Entwicklung und die wirtschaftliche Lage der Gemeinde eine Müllabfuhrordnung zu erlassen. Nach diesen Grundsätzen hat der Gemeinderat der Gemeinde Ottenschlag i. M. im Jahre 1977 eine Müllabfuhrordnung beschlossen, die dem Oö. Abfallgesetz entspricht.

Im §7 Abs4 der Müllabfuhrordnung der Gemeinde Ottenschlag i. M. wird bestimmt, daß die Grundstückseigentümer verpflichtet sind, die Müllbehälter vor der Abfuhr an den Rand derjenigen Straße zu bringen, welche vom Müllabfuhrwagen befahren wird.

Diese Bestimmung trifft für den Vorstellungswerber zu, weil die Zufahrt zu seinem Haus vom Müllabfuhrwagen nicht befahren werden kann. Aus diesem Grund hat der Gemeinderat der Gemeinde Ottenschlag den Antrag des L S, den Hausmüll direkt von seinem Grundstück abzuholen, abgewiesen und ihn verpflichtet, seinen Hausmüll an den Rand der Ottenschlager Gemeindestraße beim Haus Ottenschlag Nr. 14 zu bringen.

Hingegen kann aus den Bestimmungen der §§4 Abs2, 12 Abs3 und 8 Abs3 Oö. Abfallgesetz nicht abgeleitet werden, daß die Gemeinde Ottenschlag i. M. verpflichtet ist, den Hausmüll von jedem, dem Pflichtbereich angehörenden Grundstück direkt abzuholen.

Die Gemeinde Ottenschlag i. M. erfüllt die ihr im §4 Abs2 Oö. Abfallgesetz auferlegte Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Sammlung, Abfuhr und Beseitigung des Mülls, wenn sie die von den Grundstücksbesitzern, deren Liegenschaft etwas abseits von der vom Müllwagen befahrenen Straße liegt, zu einer Sammelstelle an dieser Straße gebrachte Müllbehälter abholt. Im §8 Abs3 Oö. Abfallgesetz wird als Pflichtbereich der Gemeinde grundsätzlich das gesamte Gemeindegebiet angeführt. Dem Gemeinderat wird jedoch die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen der Müllabfuhrordnung Grundstücke, von denen aufgrund ihrer Lage und der Art ihrer Verkehrserschließung der Müll durch Einrichtungen der öffentlichen Müllabfuhr nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten abgeführt werden kann, vom Pflichtbereich der Gemeinde auszunehmen. Im gegenständlichen Fall hat der Gemeinderat von dieser Möglichkeit jedoch nicht Gebrauch gemacht, weil es - unabhängig von hiebei anfallenden Kosten - unmöglich ist, mit dem Müllabfuhr-LKW den Weg bis zum Grundstück des Vorstellungswerbers zu befahren. Die Liegenschaft ist zur nächstgelegenen vom Müllabfuhrwagen befahrbaren Straße so nahe, daß es dem Grundstückseigentümer zugemutet werden kann, seinen gesammelten Müll zu dem festgelegten Sammelplatz zu bringen. Aus diesem Grund und auch unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und der Hygiene der Müllbeseitigung wurde in die Müllabfuhrordnung der Gemeinde Ottenschlag die bereits zitierte Bestimmung des §7 Abs4 aufgenommen. Die darin dem Grundstückseigentümer auferlegte Verpflichtung kann daher keinesfalls als Zwangs- oder Pflichtarbeit iS des Art4 Abs2 MRK bezeichnet werden.

Weiters kann aus §12 Abs3 Oö. Abfallgesetz nicht die Verpflichtung der Gemeinde zur Abholung des Mülls von jedem Grundstück abgeleitet werden. Durch diese zitierte Bestimmung soll lediglich eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung für Menschen bei der Benützung und beim Transport der Müllbehälter ausgeschlossen werden.

Es ist zusammenfassend hervorzuheben, daß zur rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes nicht nur die Bestimmungen des Oö. Abfallgesetzes, sondern auch die von der Gemeinde Ottenschlag gemäß §16 Oö. Abfallgesetz erlassene Müllabfuhrordnung anzuwenden sind.

Es kann daher die vom Vorstellungswerber zitierte Ansicht des Verfassers Dr. Neuhofer im 'Kommunales Umweltschutzrecht', wonach die Grundstückseigentümer ein Recht darauf haben, daß der Müll von ihren Grundstücken durch die öffentliche Müllabfuhr abgeführt und beseitigt wird, nicht uneingeschränkt vertreten werden. Die bezüglich dieser Literaturstelle vom Gemeinderat der Gemeinde Ottenschlag i. M. beschlossenen und zutreffenden Ausführungen werden vom Vorstellungswerber auch nicht bestritten.

Die Vorstellungsbehörde kommt in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Gemeinderates der Gemeinde Ottenschlag i. M. zu der Auffassung, daß Dr. Neuhofer nur das grundsätzliche Recht der Grundstückseigentümer auf Abholung des Mülls feststellt und keinesfalls genauere Regelungen, die von der jeweiligen Gemeinde in ihrer Müllabfuhrordnung aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse zu treffen sind, ausschließt. Eine derartige spezielle Regelung ist eben im gegenständlichen Fall im §7 Abs4 der geltenden Müllabfuhrordnung der Gemeinde Ottenschlag i. M., wonach Grundstückseigentümer verpflichtet sind, die Müllbehälter zur Sammelstelle an den Rand der Straße zu bringen, welche vom Müllabfuhrwagen befahren wird, getroffen worden.

Aus der Tatsache, daß im Punkt 1. des bekämpften Bescheides rechtskräftig der Ort der Aufstellung des Müllbehälters bestimmt worden ist, kann also nicht der Schluß gezogen werden, daß der Hausmüll folglich von der Liegenschaft selbst abgeholt werden müsse.

Schließlich ist noch klarzustellen, daß der bekämpfte Bescheid nicht vom Bürgermeister erlassen worden ist, sondern die Ausfertigung des Gemeinderatsbeschlusses vom 23. 10. 1984 darstellt. Der Umstand, daß der Bürgermeister bei dieser Gemeinderatssitzung laut Verhandlungsschrift den Vorsitz geführt hat und schließlich den ausgefertigten Bescheid unterschrieben hat, begründet keine Verletzung des Rechtes auf Wahrung des gesetzlichen Richters, weil der Bürgermeister in I. Instanz keinen Bescheid erlassen hat und es ihm daher weder nach §7 Abs1, Z5 AVG. 1950, noch gemäß §64 Oö. GemO. untersagt war, an der Beschlußfassung des Gemeinderates mitzuwirken.

(Der Vorstellungswerber) bekämpft in seiner Vorstellung auch Punkt 3. des gegenständlichen Bescheides, wonach sein Antrag auf Rückerstattung bereits bezahlter Müllabfuhrgebühren abgewiesen worden ist.

Dieses Begehren ist untrennbar mit der Rechtmäßigkeit des 2. Punktes des Bescheides vom 24. Oktober 1984 verbunden. Da vom Vorstellungswerber weitere Gründe nicht vorgebracht werden, ist dieser Antrag unbegründet."

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit von Zwangs- und Pflichtarbeit, Unversehrtheit des Eigentums und ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt und die Gesetzwidrigkeit der Müllabfuhrordnung der Gemeinde Ottenschlag behauptet.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Den Kernpunkt der Begründung der ablehnenden Bescheide im Verwaltungsverfahren bildet §7 Abs4 der Müllabfuhrordnung. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die in der Beschwerde gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmung erhobenen Bedenken geteilt werden können. Der Gerichtshof findet sich dazu aber nicht bestimmt:

Auszugehen ist von der dem AbfallG insgesamt zugrundeliegenden Absicht des Gesetzgebers, nach Möglichkeit sämtliche Grundstücke in die öffentliche Müllabfuhr einzubeziehen und die Abfälle so zu sammeln und abzuführen, daß öffentliche Interessen und private Rechte möglichst wenig beeinträchtigt werden (§3). Demgemäß ist jedermann verpflichtet, die von ihm erzeugten oder verursachten Abfälle nach Maßgabe dieser Grundsätze und der sonstigen Vorschriften des Gesetzes zu sammeln, abzuführen, zu beseitigen, oder sammeln, abführen und beseitigen zu lassen (§4 Abs1), die Gemeinde aber verhalten, für eine ordnungsgemäße Sammlung, Abfuhr und Beseitigung der im Gemeindegebiet anfallenden Abfälle zu sorgen (§4 Abs2).

Im Lichte dieser Grundsätze ist auch §12 Abs3 des Gesetzes auszulegen. Werden hier die Grundstückseigentümer verpflichtet, die Müllbehälter so aufzustellen, daß sie einerseits für die Benützer und andererseits für die öffentliche Müllabfuhr leicht zugänglich sind, so muß bei der Wahl des Standortes offenbar ein Ausgleich zwischen den Interessen der Benützer an einer für den täglichen Gebrauch geeigneten Sammelstelle und den Interessen der öffentlichen Müllabfuhr an einem wirtschaftlich zu bedienenden Abholort gefunden werden. Im geschlossenen Ortsgebiet wird es auf den meisten in Betracht kommenden Grundstücken eine geeignete Stelle an der Straße geben, die sowohl für die Müllabfuhr als auch für die Benützer leicht erreichbar ist. In Streusiedlungen wird aber häufig kein Ort zu finden sein, der sowohl für die Benützer als auch für eine wirtschaftlich arbeitende Müllabfuhr gleichermaßen leicht zugänglich ist. Die These der Beschwerde, der Müll müsse unter allen Umständen von jedem nicht ausgenommenen Grundstück selbst abgeholt werden, kann der Gerichtshof aus dem Gesetz nicht ableiten. Auch im Erk. VfSlg. 9330/1982 ist er nicht von dieser Auffassung ausgegangen; er hätte sonst angesichts der behaupteten zeitweisen Unzugänglichkeit des Grundstücks für die Müllabfuhr die Festlegung des Pflichtbereiches überprüfen müssen. Im übrigen würde der (im Gesetz nicht verankerte) Grundsatz, daß die Abholung immer vom einbezogenen Grundstück selbst erfolgen muß, die leichte Zugänglichkeit der Müllbehälter für die Benützer noch keineswegs gewährleisten. Von der richtigen Beobachtung ausgehend, daß meist nur eine Stelle ihres eigenen Grundstücks für die Benützer leicht zugänglich ist, darf nämlich nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß jede Stelle ihres Grundstückes den Benützern leicht zugänglich ist. Auch die der Müllabfuhr einigermaßen gut zugänglichen Teile des Grundstücks können nämlich so weit von den Benützern entfernt sein, daß ihnen das Sammeln des Mülls an diesem Ort nicht mehr zuzumuten ist. Es wäre unrealistisch anzunehmen, daß Behälter auch aus größerer Entfernung regelmäßig benützt werden, nur weil sie auf dem eigenen oder sonst verfügbaren Grundstück stehen; es wäre willkürlich, die zufällige Größe und Figuration eines Grundstücks darüber entscheiden zu lassen, was den Benützern der Müllbehälter zugemutet werden kann. Anderseits wäre nicht einzusehen, wie die Aufstellung eines Müllbehälters auf einem fremden Grundstück verlangt werden könnte, da Zwangsmaßnahmen gegen Dritte nirgends vorgesehen sind und die Bestimmung eines dauernden Aufstellungsortes dann vom Wohlwollen eines Dritten abhinge.

Soll nicht ein erheblicher Teil von Grundstücken entgegen der Absicht des Gesetzes aus dem Pflichtbereich der Einrichtung ausgeschieden werden, muß der gebotene Kompromiß zwischen der Wirtschaftlichkeit der Abfuhr und der Zumutbarkeit der Sammlung des Mülls in Müllbehältern am Lande häufig so gefunden werden, daß zwischen dem ständigen Aufstellungsort zur Benützung und dem Ort der Bereitstellung zur Abholung unterschieden und dem Grundeigentümer zugemutet wird, den Behälter zu den Abholzeiten (statt zB - wie häufig - auf den Gehsteig) an den nächstgelegenen Abholort zu bringen. Nur dadurch kann der offen gebliebene Bereich zwischen den Fällen leichter Zugänglichkeit (§12 Abs3) und jenen unverhältnismäßig hoher Kosten (§8 Abs3) iS des Gesetzes abwägend erfaßt werden.

Der Wortlaut des §12 Abs3 AbfallG hindert eine Orientierung an den Grundsätzen der §§3 und 4 nicht. Er stellt eben nur auf den - wünschenswerten - Normalfall ab, daß sich eine Stelle findet, die sowohl für die Benützer wie für die Müllabfuhr leicht zugänglich ist. Die für die Festlegung dieses Ortes genannten Kriterien zeigen aber für den nicht geregelten - wenngleich auch nicht seltenen - Fall, daß sich ein solcher Ort nicht findet, gleichsam als das geringste Übel den Weg auf, Aufstellungs- und Abholungsort zu trennen und der (oft auch sehr lästigen) Pflicht der Benützer, ihren Müll in den aufgestellten Müllbehältern zu sammeln, die (ebenso zumutbare) Pflicht des Grundeigentümers zur Seite zu stellen, die benutzten Behälter zu gegebener Zeit an einen zur Abfuhr geeigneten Ort zu bringen.

Eine solche Pflicht unterstellt §7 Abs4 der in Rede stehenden Müllabfuhrordnung. Der VfGH hat daher gegen diese Bestimmung auch unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken.

2. Aber auch die vom Bf. behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte liegt nicht vor.

a) Der Bf. behauptet die Verletzung des gemäß Art83 Abs2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den angefochtenen Bescheid. Er habe nicht den Antrag gestellt, festzustellen, daß er verpflichtet sei, den Müll an eine außerhalb seines Grundstückes gelegene Abfuhrstelle zu bringen. Vielmehr habe er die Feststellung begehrt, daß der Müll von seinem Grundstück abzuholen sei.

Die bel. Beh. hat über die Vorstellung des Bf. gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 24. Oktober 1984 entschieden, mit dem festgelegt worden war, daß die Gemeinde den Müll des Bf. nicht von seinem Grundstück, sondern von einem Abstellplatz an der Ottenschlager Gemeindestraße (beim Haus Nr. 14) abzuholen hat und daß sein Antrag auf Rückerstattung der bisher gezahlten Müllabfuhrgebühren abgewiesen wird.

Damit ist aber erwiesen, daß die bel. Beh. über die zwischen dem Bf. und der Gemeinde strittigen Punkte entschieden hat. Während die bel. Beh. die - wie aus II.1. ersichtlich ist - zutreffende Auffassung vertreten hat, der Müll sei von der Gemeinde an einer bestimmten Stelle außerhalb des Grundstückes des Bf. abzuholen, war der Bf. der Meinung, daß der Müll nach dem Gesetz von seinem Grundstück abzuholen sei. Die bel. Beh. hat daher in dem angefochtenen Bescheid über die zwischen Bf. und Gemeinde strittige Frage entschieden, indem sie den Bescheid des Gemeinderates bestätigte.

Eine Verletzung des Rechtes des Bf. auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil eine Entscheidung getroffen worden wäre, die der Bf. nicht beantragte, liegt daher offensichtlich nicht vor.

b) Soweit der Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht, weil ihm nach seiner Ansicht zu Unrecht gezahlte Gebühren für die Müllabfuhr nicht erstattet wurden, ist darauf zu verweisen, daß die Ablehnung eines Antrages auf Rückerstattung bereits gezahlter Abgabenbeträge nicht eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums darstellt, weil der Rückersatzanspruch öffentlichrechtlicher Natur ist (VfSlg. 5333/1966 ua.). Eine Verletzung dieses Rechtes hat daher nicht stattgefunden.

c) Der Bf. macht ferner die Verletzung des durch Art4 Abs2 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit von Zwangs- und Pflichtarbeit geltend. Der Zwang zur Verbringung des Müllbehälters an die von der Gemeinde bestimmte Müllabfuhrstelle bedeute für ihn Zwangs- und Pflichtarbeit.

Gemäß Art4 Abs2 MRK darf niemand zu Zwangs- und Pflichtarbeit gezwungen werden. Nach Art4 Abs3 MRK gilt aber "jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den normalen Bürgerpflichten gehört", nicht als Zwangs- und Pflichtarbeit. Der VfGH ist der Meinung, daß die Verbringung eines Müllbehälters zu einer Abfuhrstelle, wenn letztere nicht allzu weit vom Grundstück entfernt ist, auch wenn der Weg verhältnismäßig beschwerlich ist, keine Zwangs- oder Pflichtarbeit iS des Art4 MRK ist, sondern zu den normalen Bürgerpflichten zählt (s. EKM 1. April 1974, EuGRZ. 1975, 47 ff.).

Auch diese Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes liegt daher nicht vor.

d) Der Bf. macht schließlich auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG geltend. Eine Verletzung dieses Rechtes liegt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 10104/1984) nur vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitssatz widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Der aus den Akten ersichtliche Ablauf des Verwaltungsgeschehens bei der Gemeindebehörde sowie bei der bel. Beh., insbesondere die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigen, daß sich die bel. Beh. keineswegs von unsachlichen Erwägungen leiten ließ und daß sie ihre Entscheidung durchaus nicht leichtfertig fällte. Der bel. Beh. kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie hiebei nicht berücksichtigt haben sollte, daß in anderen Fällen anders vorgegangen wurde.

Ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den Gegebenheiten entspricht und die von der bel. Beh. gewählte Gesetzesauslegung richtig ist, hat der VfGH im Beschwerdeverfahren nach Art144 Abs1 B-VG nicht zu prüfen.

Der Bf. wurde durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde von der Beschwerde nicht behauptet und das Verfahren vor dem VfGH hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieser Beschwerdesache gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurde der Bf. aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

4. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage abzuweisen.

Schlagworte

Abfallbeseitigung, Rückzahlung Finanzverfahren, Grundrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B548.1985

Dokumentnummer

JFT_10138788_85B00548_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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