TE Vfgh Beschluss 1987/2/28 B1195/86, B1196/86

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Veröffentlicht am 28.02.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
VfGG §33
VfGG §35
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Einbringung einer Beschwerde beim VfGH

Spruch

I.        Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den

vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II.      Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Begründung

Begründung:

I. Mit ihren am 9. Dezember 1986 beim VfGH überreichten Beschwerden bekämpfen die Bf. ihnen am 25. November 1986 zugestellte Bescheide der Finanzlandesdirektion für Steiermark, mit denen ihnen Grunderwerbsteuer gemäß §1 Abs1 Z1 GrEStG für den Erwerb von Anwartschaftsrechten auf Übereignung von ideellen Liegenschaftsanteilen vorgeschrieben wurde. Die Beschwerden wurden somit innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist eingebracht. Mit gleichem Schriftsatz beantragen die Bf. die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerden vor dem Stichtag für die Wirkung als Anlaßfall im Verfahren G167/86 (und Folgezahlen), 5. Dezember 1986, 10.30 Uhr.

II. 1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, daß insgesamt 63 von einer Grunderwerbsteuervorschreibung betroffene Käufer von Wohnungen in einer Wohnanlage nach einvernehmlich abgestimmter Vorgangsweise im gesamten Rechtsmittelverfahren auch durchgehend Beschwerde beim VfGH erhoben hätten. Dabei hätten sie sich des Gemeindeamtes und der Gemeindeangestellten als Koordinations- und Hilfsapparat bedient. Die beim Gemeindeamt gesammelten Unterlagen seien von dort an den Rechtsanwalt übersendet worden, wobei es offenbar auf seiten der Gemeindekanzlei zu einem (nicht aufgeklärten) Versehen gekommen sei, da anstelle von insgesamt 63 Unterlagen für Beschwerden nur insgesamt 59 Unterlagen in der Rechtsanwaltskanzlei eingelangt seien. Ein Versehen in der Rechtsanwaltskanzlei sei auszuschließen, da beim Einlagen von Unterlagen sofort Bestätigungsschreiben mit der Zahl der erhaltenen Unterlagen verfaßt worden seien, was auf äußerste Umsicht schließen lasse. Das Fehlen von Unterlagen für diese Beschwerden sei bei einer Kontrollzählung aufgrund eines Bestätigungsschreibens der Kanzlei erst am 5. Dezember 1986 hervorgekommen. Die Ursache für das Versehen liege möglicherweise darin, daß in diesem sowie einem weiteren Fall je zwei Ehepaare mit dem gleichen Familiennamen Beschwerden eingebracht hätten; vermutlich seien die Unterlagen des jeweils einen Ehepaares von einem Gemeindeangestellten - in der Meinung es handle sich um doppelte Exemplare - nicht weitergeleitet worden.

Die Bf. bringen weiters vor, daß sie trotz Wahrung der sechswöchigen Frist zur Einbringung der Beschwerde an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert worden seien und ohne beschlußmäßige Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vorhersehbar) einen Rechtsnachteil erlitten. Mit der Formulierung, die Partei wäre "an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert" worden, habe der Gesetzgeber eine allumfassende, allgemein gehaltene Formulierung gewählt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen jede Fristversäumung ermögliche, sofern damit ein Rechtsnachteil verbunden und die versäumte Prozeßhandlung nachgeholt werden könne. Nach der jüngeren Rechtsprechung des VfGH zum "Anlaßfall" seien dem Anlaßfall (im engeren Sinn) all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung im Normenprüfungsverfahren (bzw. des Beginns der nichtöffentlichen Beratung) in einer für das anhängige Verfahren präjudiziellen Gesetzesstelle bereits beim VfGH anhängig waren. Der im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlichte Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G167/86 (und Folgezahlen) sei daher für die Bf. eine zusätzliche, neben der sechswöchigen Beschwerdefrist zu beachtende Frist gewesen.

2. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.

3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §33 VerfGG ist daher nur dann möglich, wenn eine Frist für die Vornahme einer Prozeßhandlung versäumt wurde. Der Stichtag für die Wirkung als Anlaßfall im Normenprüfungsverfahren stellt jedoch keine derartige Frist dar. Die Einbringung einer Beschwerde beim VfGH innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist, jedoch nach dem Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dem Beginn der nichtöffentlichen Beratung) über eine in der Rechtssache präjudizielle Gesetzesstelle kann nicht als eine Fristversäumung qualifiziert werden.

Da eine Frist nicht versäumt wurde, war der Wiedereinsetzungsantrag daher - gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zurückzuweisen.

III. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Der VfGH kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und es sich nicht um einen Fall handelt, der von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossen ist (Art144 Abs2 B-VG). ...

Die Beschwerde behauptet die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und eine Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des VfGH zur Anlaßfallwirkung (Erk. v. 9. 10. 1985, B168/85; 10. 12. 1986, G167/86 ua) läßt ihr Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie unter dem Blickwinkel der vom VfGH zu prüfenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossen.

Der VfGH kann daher von einer Behandlung der Beschwerde absehen (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

Auf §87 Abs3 VerfGG wird hingewiesen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B1195.1986

Dokumentnummer

JFT_10129772_86B01195_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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