TE Vfgh Beschluss 1987/2/28 B19/85

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Veröffentlicht am 28.02.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
MRK Art3
VfGG §88

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; kein ausreichender Nachweis für behauptete Mißhandlungen und Drohungen iSd Art3 MRK

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Bf. ist schuldig, dem Bund (Bundesminister für Inneres), zu Handen der Finanzprokuratur die mit S 20.000,-bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung:

1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, der Bf. sei am 3. Dezember 1984 an seinem Arbeitsplatz unter dem Verdacht verbotenen Waffenbesitzes und der Beteiligung an einem Raubmord festgenommen und in das Sicherheitsbüro in Wien 9, Berggasse, gebracht worden. Dort sei er von drei Polizeibeamten verhört worden, wobei man ihm vorgehalten habe, daß er einer dritten Person gegenüber die Teilnahme am Raubmord zugegeben habe. Da er mit den ihm zur Last gelegten Delikten jedoch nichts zu tun gehabt habe, hätte er die Beschuldigungen entschieden bestritten.

Das habe zur Folge gehabt, daß er "von zwei oder drei Beamten abwechselnd und wiederholt geohrfeigt und gedrängt wurde, ein Geständnis abzulegen". Als er weiter seine Unschuld beteuerte, sei er "von einem der Beamten von der Bank, auf der (er) saß, gezerrt und von diesem mit Schlägen eingedeckt, zu Boden geschlagen, und am Boden liegend, vor allem mit Fußtritten weiter mißhandelt" worden. Schließlich sei er "am Hinterkopf bei den Haaren gepackt und mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen (worden). Diese Tortur dauerte etwa 10 Minuten lange".

In der Folge sei er in der Verhörzelle etwa 20 Minuten alleine gelassen worden, wobei ihm der Beamte, der ihn zuvor mißhandelt habe, bevor er die Zelle verließ, erklärte, man würde seinen Kopf in einen Wasserkübel tauchen, wenn er sich weiter weigern sollte, ein Geständnis abzulegen. Ferner habe der Beamte gedroht, gegen ihn eine Strafanzeige wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wegen Körperverletzung eines Polizisten zu erstatten; er würde zu diesem Zweck einem seiner Kollegen einen Faustschlag versetzen und behaupten, der Bf. hätte dies getan.

Nachdem der Bf. einige Zeit in der Zelle allein verbracht habe, sei der Beamte, der ihm zu Beginn des Verhörs Ohrfeigen gegeben habe, zu ihm gekommen und habe ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß er das Ausmaß der Mißhandlungen mißbillige und seine Kollegen beruhigen werde.

In der Folge sei ihm ein maschingeschriebenes Protokoll zur Unterfertigung vorgelegt worden, das seine Angaben im wesentlichen richtig wiedergab. Anschließend sei er von den drei Beamten zur Hausdurchsuchung in seine Wohnung geführt worden, wo weder Waffen noch sonst belastendes Material gefunden wurden.

Beim Verlassen der Verhörzelle hätte ihm noch einer der Beamten eindringlich erklärt, er solle sich ja nicht beschweren, da dies für ihn üble Folgen haben würde (es würden ihn Leute zusammenschlagen, die er noch nicht gesehen habe). Da er in der Nacht nach dem Verhör starke Schmerzen verspürte, habe er sich tags darauf in der Krankenanstalt Rudolfstiftung einer ambulanten Behandlung unterzogen, wo folgende Verletzungen festgestellt worden seien:

"1.)

Haardefekt (ausgerissene Haarbüschel) im Hinterkopfbereich, ca. 4 x 6 cm;

2.)

Blutergüsse im Bereich der linken Nierengegend;

3.)

Nierenprellung links;

4.)

Prellung der rechten Hand;

5.)

Blutergüsse entlang der Brustwirbelsäule;

6.)

Bauchprellung;

7.)

Bruch der elften Rippe links."

Als Therapie sei ihm ein Rippengürtel für 14 Tage verordnet worden. Auf Grund der Verletzungen sei er eine Woche berufsunfähig gewesen.

Der Bf. stellt sohin den Antrag, der VfGH möge erkennen, daß er "dadurch, daß ihn Organe der Bundespolizeidirektion Wien (Mordkommission beim Sicherheitsbüro) am 3.12.1984 ... aus Anlaß einer Vernehmung ohrfeigten, ihn an den Haaren rissen, ihm Haare ausgerissen haben, ihn mit dem Kopf gegen die Wand stießen, ihn mehrfach mit den Knien und Füßen getreten haben und ihm dabei einen Rippenbruch, Blutergüsse in der linken Nierengegend, eine Nierenprellung links, eine Prellung der rechten Hand, Blutergüsse entlang der Brustwirbelsäule und eine Bauchprellung zufügten und ihm damit drohten, sie würden seinen Kopf in einen Wassereimer tauchen, wenn er nicht geständig sei," in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden (Art3 MRK) verletzt wurde.

2. Die Bundespolizeidirektion Wien hat als bel. Beh. die unter der ZII-7017/SB/84 geführten Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

3. Der VfGH hat Beweis erhoben durch zeugenschaftliche Einvernahme des F N, Kriminalbeamter (im Rechtshilfeweg), des L E, Bezirksinspektor, des K K, Bezirksinspektor, der R W (alle durch den Referenten des Verfassungsgerichtshofes), des Zeugen H

S senior (vor dem erkennenden Gericht) sowie des Bf. H S (im Rechtshilfeweg), durch Einsichtnahme in die Akten ZII-7017/SB/84 der Polizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro, Z Präs 12-S/85 des Polizeikommissariats Innere Stadt, Z22a Vr 7015/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, Z12 cE Hv 303/85 des Kreisgerichtes Korneuburg sowie durch Einsichtnahme in die im Wege des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 17, vorgelegte Krankengeschichte der Krankenanstalt Rudolfstiftung der Stadt Wien und durch hiezu ergänzend eingeholte Auskünfte.

4. Auf Grund dieser Beweiserhebungen steht folgender Sachverhalt fest:

4.1. Im Zuge sicherheitspolizeilicher Ermittlungen zur Aufklärung eines Mordfalles ging der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich eine vertrauliche Mitteilung zu, wonach der Bf. in den Kreis der verdächtigen Personen einzubeziehen war. Im Hinblick auf seinen Wohnsitz in Wien wurde der Bf. am 3. Dezember 1984 von seinem Arbeitsplatz um

14.30 Uhr durch Beamte der Bundespolizeidirektion Wien zur Einvernahme in das Sicherheitsbüro gebracht. Schon in den Vormittagsstunden hatten Polizeibeamte versucht, den Bf. in der Wohnung der R W, mit der er befreundet war, zu erreichen; der Bf. war jedoch bereits vorher zur Arbeit gegangen. Mit Zustimmung der R W nahmen die Beamten in deren Wohnung eine Nachschau vor, die jedoch ergebnislos verlief; gefunden wurde lediglich eine Platzpatronenpistole, die dem Bf. später wieder ausgehändigt wurde. R W, deren Name in der vertraulichen Mitteilung ebenfalls aufgeschienen war, wurde zur Einvernahme in das Sicherheitsbüro mitgenommen und bis in die späten Nachmittagsstunden verhört.

Der Bf. wurde, nachdem er in das Sicherheitsbüro gebracht worden war, zunächst in Amtsräumen der Kriminalbeamtengruppe "K." vernommen. Da dort eine ungestörte Durchführung der Amtshandlung jedoch nicht möglich war, wurde er in ein Verhörzimmer gebracht, das sich in der Nähe der Zelle befand, in der R W einvernommen wurde. Auch die Einvernahme des Bf. dauerte bis in die späten Nachmittagsstunden. Bei der Einvernahme des Bf., die von den Beamten L E, K K und F N durchgeführt wurde, bestritt der Bf. die Angaben, die von der sogenannten "V-Person" über ihn gemacht worden waren, schrie, dies sei ein Witz, und erklärte, er werde sich mit Hilfe seines Vaters, der sich in gehobener Position befinde, an geeigneter Stelle über die Polizei und deren Mafiamethoden beschweren. Die einvernehmenden Beamten machten dem Bf. immer neuerliche Vorhalte, dies teils nachdem sie R W zu denselben Themen befragt hatten. Im Zuge der intensiven Vernehmung äußerte sich der Bf. in erregtem Zustand, daß er "eine Klampfen im Schädel habe".

Nachdem die Vernehmungen der R W und des Bf. gegen 18.00 Uhr abgeschlossen waren, stimmte der Bf. einer Nachschau auch in seiner Wohnung zu, worauf Sicherheitsorgane mit ihm und R W zu seiner Wohnung fuhren, wo die Amtshandlung - ohne ein den Bf. belastendes Ergebnis - durchgeführt wurde. Dieser Teil der Amtshandlung fand ohne Auseinandersetzungen statt, nach ihrem Abschluß verabschiedeten sich die Beamten vom Bf. mit Handschlag.

Der Bf. und R W begaben sich in der Folge in deren Wohnung, wo der Bf. auch die Nacht - jedenfalls teilweise verbrachte. In den Morgenstunden des 4. Dezember 1984 suchte der Bf. die Ambulanz der II. Chirurgischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung der Stadt Wien auf, wo er untersucht wurde, was zur Feststellung folgender Verletzungen führte:

"Frac costae XI sin

...

Haare ausgerissen aus dem Hinterkopf

... (1) ... Defekt reg. occipitalis (ca. 4 x 6 cm)

(2) Hämatome li. Nierengegend, Cont. renalis sin

(3) Contusio manus dext.

(4) Hämatome entlang der Brustwirbelsäule

(5) Cont. abdominalis

..."

Der Röntgenbefund ergab keinen Hinweis für eine traumatische Skelettveränderung des Schädels; die Fraktur der

11. Rippe links zeigte keine Dislokation. Laut einer ergänzend eingeholten Auskunft des Krankenhauses findet sich kein Hinweis darauf, daß der Bf. bereits am 3. Dezember 1984 behandelt wurde. Ein Rippengürtel wurde laut Ambulanzkartei dem Bf. für 14 Tage im Rahmen der Behandlung am 4. Dezember 1984 angelegt.

Auf Grund von Angaben des Bf. bei der ambulatorischen Untersuchung, er habe die Verletzungen durch Schläge erlitten, die ihm von Kriminalpolizisten am 3. Dezember 1984 in der Zeit zwischen 15.00 und 18.00 Uhr zugefügt worden seien, hat die Krankenanstalt Rudolfstiftung eine Verletzungsanzeige an das Bezirkspolizeikommissariat für den 9. Bezirk erstattet.

Auf Grund der vom Bf. erhobenen Vorwürfe fanden in der Folge sicherheitsbehördliche Ermittlungen und nachfolgend staatsanwaltschaftliche Vorerhebungen gegen die Beamten statt, die den Bf. am 3. Dezember 1984 verhört hatten. Bei Gegenüberstellungen bezeichnete der Bf. Bezirksinspektor K K als den Beamten, der ihm zu Beginn der Einvernahme im Verhörzimmer Ohrfeigen versetzt hätte, sich aber in der Folge von Mißhandlungen distanziert habe; Bezirksinspektor F N bezeichnete er als den Beamten, der ihm die in der Ambulanz festgestellten Verletzungen zugefügt habe.

Das gegen K K, L E und F N wegen §§83 Abs1 und 313 StGB zu Z22a Vr 7015/1985 beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingeleitete Strafverfahren wurde nach Durchführung von Einvernahmen gemäß §90 StPO eingestellt.

Eine Einsichtnahme in den Akt des Kreisgerichtes Korneuburg, 12 cE Hv 303/85, ergab keinerlei Zusammenhänge mit den hier in Frage stehenden Vorgängen; von den durch den Bf. beschuldigten Vernehmungsorganen ist in dieser Strafsache nur K K involviert.

4.2. Diese Feststellungen konnten auf Grund der insoferne übereinstimmenden Aussagen aller Beteiligten sowie auf Grund der Ergebnisse der medizinischen (ambulatorischen) Untersuchung des Bf. vom 4. Dezember 1984 getroffen werden. Was die Vorwürfe des Bf. betrifft, er sei bei der Vernehmung am 3. Dezember 1984 mißhandelt worden, sieht sich der VfGH nach Prüfung und Würdigung aller Ergebnisse des abgeführten Beweisverfahrens jedoch außer Stande, den entsprechenden Angaben des Bf. uneingeschränkt beizutreten und die in der Beschwerdeschrift angegebenen Tätlichkeiten und Bedrohungen des Bf. als zweifelsfrei erwiesen anzusehen. Wenn auch die leugnenden Aussagen der vernehmenden Beamten nicht völlig widerspruchsfrei und die behaupteten Verletzungen des Bf. durch die unbedenkliche Verletzungsanzeige der Ambulanz der Krankenanstalt Rudolfstiftung erwiesen sind, sah sich der VfGH auf Grund der in wesentlichen Punkten unterschiedlichen Darstellung, die der Bf. bei seinen mehrfachen Einvernahmen über die ihm zugefügten Mißhandlungen gab, nicht in der Lage, den in der Beschwerde erhobenen Vorwurf eines gegen Art3 MRK verstoßenden Verhaltens der Beamten anläßlich der Vernehmung vom 3. Dezember 1984 mit letzter Sicherheit als erwiesen anzunehmen; des näheren wird auf folgendes verwiesen:

In der mit H S am 4. Feber 1985 vor der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, Z Präs 12-S/85, aufgenommenen Niederschrift heißt es (auszugsweise):

"... Ich mußte vorerst fünf Minuten warten und wurde dann in das Vernehmungszimmer gebracht. Dort hielt man mir vor, daß ich mit Waffen handle und möglicherweise mit dem Raubmord in Purkersdorf zu tun hätte. Als ich dies bestritt, erhielt ich von einem der drei Beamten, die mich verhörten, mehrere Ohrfeigen, durch die ich jedoch nicht verletzt wurde. ... Man gab mir dann eine Minute Zeit, um ein Geständnis abzulegen, als ich jedoch erklärte, daß ich mit all dem nichts zu tun habe, geschah folgendes:

Der zweite Beamte, ... erfaßte mich und schleuderte mich gegen die Wand. Ich möchte betonen, daß ich einmal eine schwere Kopfverletzung erlitten habe, und daher an der Stelle, wo ich verletzt wurde, gegen Schläge usw. empfindlich bin. Ich fiel auch mit dem Kopf gegen die Wand, rutschte die Wand herunter. Als ich in Hockstellung war, kam derselbe Beamte zu mir und stieß mit seinem Kopf gegen meinen Kopf, so daß ich immer wieder mit dem Hinterkopf an die Wand anprallte. Während ich mich bemühte aufzustellen, erhielt ich von demselben Mann, vermutlich durch sein Knie, einen kräftigen Stoß in die linke Rippengegend. Durch diesen Stoß dürfte ich den später festgestellten Rippenbruch erlitten haben. Nun ging ich völlig zu Boden. In weiterer Folge wurde nun in der Gegend der Wirbelsäule, in der linken Nierengegend, entweder eingeschlagen oder eingetreten und ich erlitt die im Krankenhaus festgestellten Verletzungen. Ich möchte noch betonen, daß man mich mehrere Male an den Haaren erfaßte und mir Haare büschelweise ausriß."

Laut Vernehmungsprotokoll vom 23. Juli 1985 stellte der Bf. in der Rechtssache 22a Vr 7015/85 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien den inkriminierten Sachverhalt (auszugsweise) wie folgt dar:

         "... Dort mußte ich auf einer Bank warten, während zwei

der mich abholenden Beamten in ein Zimmer gegangen sind, welches

mit Gruppenleiter K beschriftet war. Von den mich abholenden drei

Beamten blieb nur der Beamte E während der gesamten Dauer der

später erfolgen Vernehmung bei mir. ... Von K erhielt ich nur

drei Ohrfeigen, die keinerlei Spuren hinterlassen haben. Der Beamte E wurde überhaupt nicht tätlich, sondern fiel mir nur durch seine verbalen Ausdrücke auf.

... Mit diesem dritten Beamten (N) habe ich Hochdeutsch gesprochen und ich nehme an, daß dies der Anlaß für seinen Wutausbruch gewesen ist. Er traf mich zuerst am Oberkörper mit der Hand, ich bin zusammengeknickt, in der Folge traf er mich mit seinem Knie an meinem linken Oberschenkel und drückte mich mit Wucht gegen die Wand. Als ich vor der Wand zusammengesunken war, nahm er mich an den Haaren und schlug mich mit dem Kopf mehrmals gegen die Wand und dies machte er mehrmals, ca. eine halbe Stunde lang. In der Folge wurde ich auch am rechten Handgelenk verletzt und wurde mir eine Rippe gebrochen. ... Über die Örtlichkeit angesprochen gebe ich an, daß sich der ganze Vorfall in einem Verhörraum im Keller oder in einer unteren Etage abgespielt hat."

Über Auftrag des VfGH wurde der Bf. im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien vernommen, wobei er am 27. August 1985 angab (auszugsweise):

"...

Die Vernehmung wurde dann von den Zeugen K, E und N durchgeführt. Mir wurde gleich zu Beginn gesagt, ich solle nicht krampfhaft versuchen, hochdeutsch zu reden, denn solche Leute möge man nicht. Weiters wurde mir gesagt, daß Frau R W bereits seit 1/2 12 Uhr ebenfalls verhört werde.

Ich habe dann von Insp. K Watschen bekommen, der konkrete Anlaß dafür war mein Hochdeutsch. Anschließend hat der Zeuge E zu schreien begonnen und gesagt, es käme hier keiner heraus so lange sie es nicht wollten, hier verliere jeder seine staatsbürgerlichen Rechte und man würde mich zumindest 48 Stunden festhalten können und mit der primären Arreststrafe mich weiter festhalten können, ohne daß jemand verständigt würde.

Daraufhin hat mich der Zeuge N an den Haaren hochgerissen, d.h. er hat mir die Haare ausgerissen. Er hat mich dann am Pullover hochgerissen, mir mit seinem Knie einen Stoß in meinen Oberschenkel versetzt und ich bin daraufhin umgefallen. Dann hat er meinen Kopf genommen und solange gegen die Wand geschlagen, bis ich die Bemerkung von der 'Klampfen im Hirn' gemacht habe, damit er endlich aufhört. Er hat dann auch aufgehört mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen, hat jedoch begonnen, mit den Fäusten auf mich einzuschlagen. Die Inspektoren K und E haben zugesehen.

... Ich wurde letztlich alleingelassen und man sagte mir, ich hätte genau 20 Minuten Zeit. Dann müßte ich entweder gestehen oder man würde meinen Kopf so lange in einen Wasserkübel eintauchen, bis ich gestehe.

Dann kam der Inspektor K alleine zu mir zurück und meinte, er könne die Behandlungsmethode nicht vertreten und würde mit seinem Kollegen N reden.

... Nachdem ich aus der Zelle in der Berggasse entlassen wurde, waren die Beamten plötzlich wesentlich freundlicher zu mir. Insoferne stimmt die Behauptung des Zeugen N, sie hätten sich von mir und ich mich von ihnen freundlich verabschiedet."

Hinzu kommt, daß auch die Aussagen der Zeugin R W, auf die sich der Bf. beruft, ein hiezu widersprüchliches Bild ergeben:

Vor der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, gab R W am 26. Feber 1985 an (auszugsweise):

"...

Nach unserer Anhaltung im SB wurde ich gleichzeitig mit S entlassen. Konkret befragt, ob ich bei S Verletzungen zu dieser Zeit oder unmittelbar danach wahrgenommen habe, gebe ich an:

Ich konnte feststellen, daß am Hinterkopf an einer Stelle ein etwa 10-groschenstückgroß eine kahle Stelle vorhanden war. Konkrete Äußerungen dazu hat er nicht gemacht, er hat mir jedoch einiges erzählt und kann ich jedoch keine konkreten Äußerungen dazu machen, wie diese kahle Stelle entstanden ist.

Am selben Tag in der Frühe als er zur Arbeit wegging, war diese kahle Stelle noch nicht vorhanden.

Mir war nicht bekannt, daß an diesem Tage in der Frühe seine Haare irgendwo beschädigt waren.

Am Rücken hatte er in der Nähe der Lendenwirbel einen roten Fleck. Er sagte auch, daß er dort Schmerzen habe. Er klagte auch sonst über Schmerzen und ist aus diesem Grunde in das Krankenhaus gefahren.

Er sagte mir auch, daß er im Sicherheitsbüro geschlagen wurde und die Verletzungen von dort stammen."

Bei ihrer Einvernahme am 25. März 1986 durch den Referenten des VfGH machte R W in nicht unwesentlichen Punkten hievon abweichende Aussagen; sie gab nämlich an (auszugsweise):

"...

Ich saß bis ca. 1.00 Uhr, 1.30 Uhr, nachmittags in der Zelle. Dann hörte ich den Bf. Die Zelle, in der er sich befand, war in der Nähe von meiner Zelle. Man hat fast alles von dort gehört. ... Plötzlich hörte ich sehr laute Stimmen und Geplärr; dann ein jämmerliches 'Au, au'. Ich dachte, daß etwas mit dem Bf. geschehe, etwa daß er geohrfeigt werde. Ich fragte auch die Beamten, die zu mir kamen. Sie gaben allerdings keine Antwort. Um ca. 7.30 Uhr abends wurde meine Aussage nochmals protokolliert. Als ich um 8.00 Uhr aus dem Zimmer kam, saß der Bf. auf der Bank. Wir fuhren gemeinsam mit den Beamten in den 12. Bezirk, weil Herr S erlaubt hatte, daß in seiner Wohnung eine freiwillige Nachschau durchgeführt werde. Als die Beamten weggefahren waren, fuhren der Bf. und ich mit einem Taxi in meine Wohnung. Mir fiel auf, daß der Bf. 'steif' war. Auf meine Frage erzählte er mir, daß er von der Polizei geschlagen wurde. Weiters, daß ihm angedroht wurde, den Kopf in einen Wasserkübel zu tauchen, wenn er nicht die Wahrheit sage. Ich habe das damals im Moment nicht für wahr genommen. Die Schmerzen wurden jedoch mit der Zeit immer stärker. Besonders als er sich niederlegte. Daraufhin suchte ich nach Verletzungen und stellte folgendes fest: eine schillinggroße kahle Stelle am Hinterkopf, Fußabdrücke und einen Bluterguß am Rücken. Weiters hatte er Schmerzen in der Brustgegend. Da sie nicht nachließen, fuhr er ins Rudolfsspital, von wo er mit einem Rippengürtel zurückkam.

... Es wird etwa 10.00 Uhr abends gewesen sein, als der Bf. ins Spital ging. Meine Mutter, die bei mir zu Hause war, weiß auch davon. Genau kann ich die Uhrzeit nicht mehr sagen.

Auf Frage ..., ob die Zeugin sicher sei, daß der Bf. noch am Abend ins Spital ging: Das weiß ich ganz sicher. Er kam danach zu mir zurück und hatte einen Rippengürtel, weil eine Rippe gebrochen war.

...

Auf Frage ...: Ich habe an der Stimme erkannt, daß das 'Au, au' vom Bf. gerufen wurde. 'Au' hat er genau zweimal gerufen. Das habe ich schon bei meiner Vernehmung vor der Polizei ausgesagt.

Auf Frage ...: ... Es ist möglich, daß der Bf. am nächsten Tag nocheinmal ins Spital ging. Das kann ich nicht mehr sagen."

Selbst wenn man in Betracht zieht, daß zwischen der Vernehmung des Bf. vom 3. Dezember 1984 und den einzelnen Einvernahmen über die Geschehnisse vom 3. Dezember 1984 längere Zeiträume liegen, sind die Darstellungen sowohl des Bf. als auch der Zeugin R W so unterschiedlich, daß es nicht möglich ist, auf sie hin mit der dem Gewicht der Vorwürfe gegen die amtshandelnden Beamten entsprechenden Sicherheit Feststellungen zu treffen. Während in der Beschwerde die Dauer der Mißhandlungen mit 10 Minuten angegeben wird, spricht der Bf. bei einer späteren Einvernahme von Mißhandlungen in der Dauer einer halben Stunde. In der Beschwerde wird behauptet, der Bf. sei abwechselnd und wiederholt von zwei oder drei Beamten geohrfeigt worden; bei seinen Einvernahmen betont er, nur von einem der Beamten Ohrfeigen erhalten zu haben. Bei der Einvernahme vom 27. August 1985 behauptet der Bf., er sei von N zuerst an den Haaren und am Pullover hochgerissen und mit dem Knie gestoßen worden, sodaß er umgefallen sei. Dann habe N den Kopf des Bf. genommen und gegen die Wand geschlagen. Bei der Einvernahme vom 4. Feber 1985 behauptet er demgegenüber, gegen die Wand geschleudert worden zu sein, wonach er herunterrutschte, worauf der Beamte wiederholt mit seinem Kopf gegen den Kopf des Bf. gestoßen habe, sodaß der Bf. immer wieder mit dem Hinterkopf an die Wand prallte. In der Beschwerde wieder behauptet der Bf., daß er am Hinterkopf bei den Haaren gepackt und mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen worden sei. Allein diese drei Darstellungen schildern völlig konträre Situationen. Wurde er - wie in der Beschwerde behauptet - am Hinterkopf bei den Haaren gepackt, so kann er nur mit der Stirn gegen die Wand geschlagen worden sein; verhält es sich aber so, wie bei der Einvernahme vom 4. Feber 1985 behauptet, daß der Beamte wiederholt mit seinem Kopf gegen den des Bf. gestoßen habe, so kann S - wie er bei dieser Einvernahme auch selbst angibt - nur mit dem Hinterkopf wiederholt an die Wand angeprallt sein. Um ein weiteres Beispiel der unterschiedlichen Darstellungen aufzuzeigen, sei darauf verwiesen, daß in der Beschwerde noch behauptet wird, S sei von der Bank gezerrt, mit Schlägen eingedeckt und am Boden liegend mit Fußtritten weiter mißhandelt worden, wohingegen er bei der Einvernahme vom 4. Feber 1985 davon spricht, er sei von einem der Beamten plötzlich erfaßt und gegen die Wand geschleudert worden; am 23. Juli 1985 schildert der Bf., davon wieder abweichend, N habe ihn, weil er hochdeutsch gesprochen habe, zuerst am Oberkörper mit der Hand und sodann mit dem Knie am Oberschenkel getroffen und mit Wucht gegen die Wand gedrückt. Die Darstellungen, einmal, er sei von der Bank gezerrt, ein anderes Mal, er sei gegen die Wand geschleudert, ein drittes Mal, er sei an den Haaren hochgerissen worden, ebenso wie die sonstigen Mißhandlungsdarstellungen sind so unterschiedlich, daß aus ihnen bestimmte Geschehnisse unmöglich abgeleitet und damit auch Feststellungen über das Vorliegen bestimmter Mißhandlungen nicht getroffen werden können, wenn auch - was festzuhalten ist - das Beweisverfahren keineswegs den Nachweis erbracht hat, daß Mißhandlungen durch Sicherheitsorgane nicht stattgefunden haben. Auf der anderen Seite wird von den vernehmenden Beamten jegliche Mißhandlung ausdrücklich in Abrede gestellt und wurde von der Staatsanwaltschaft die erstattete Anzeige mangels Täterschaft bzw. strafbaren Tatbestandes - eben wegen der Widersprüche in den Aussagen des Bf. - gemäß §90 StPO zurückgelegt. Auch die, die Darstellung des Bf. weitgehend stützende Aussage der R W bietet kein geschlossenes Bild und legt nahe - was am schwersten ins Gewicht fällt -, daß der Bf., der behauptet, sich während der ganzen Nacht bei der Zeugin befunden zu haben, bis er in den Morgenstunden des nächsten Tages das Spital aufsuchte, am 3. Dezember 1984 gegen 22.00 Uhr die Wohnung der Zeugin verlassen hat, um - wovon die Zeugin ausgeht - im Hinblick auf seine Schmerzen das Spital aufzusuchen. Demgegenüber haben die Rückfragen in der Krankenanstalt Rudolfstiftung ergeben, daß der Bf. erst am 4. Dezember 1984 (ab 8.00 Uhr) die Ambulanz der II. Chirurgischen Abteilung aufsuchte. Trifft diese Aussage der Zeugin zu, so hat sich der Bf. - was auch nach Inhalt des Beweisverfahrens sonst nicht ausgeschlossen werden kann - während der Nacht längere Zeit außerhalb der Wohnung der Zeugin aufgehalten, wobei lediglich feststeht, daß er in dieser Zeit ärztliche Hilfe in der Ambulanz der Krankenanstalt Rudolfstiftung nicht in Anspruch genommen hat. Dies läßt aber letztlich doch die Möglichkeit offen, daß sich der Bf. die in Frage stehenden Verletzungen auf andere Weise als behauptet zugezogen hat.

Auch die Aussage des bei der Verhandlung einvernommenen Vaters des Bf., H S senior, vermag keine Klarheit zu schaffen, weil er nur als indirekter Zeuge wiedergeben konnte, was ihm sein Sohn (der Beschwerdeführer) bei einem Telefonat mitgeteilt hatte (nach Inhalt der Aussage beschränkt sich das Wissen dieses Zeugen überhaupt nur auf die allgemein gehaltene telefonische Mitteilung seines Sohnes, er sei von der Polizei vernommen und dabei mißhandelt worden).

Abschließend ist somit festzuhalten, daß angesichts dieser Beweislage - so auch im Hinblick auf das bereits geschilderte Schicksal der Strafanzeige gegen die verdächtigten Beamten - (auch) im vorliegenden Beschwerdeverfahren eine hinreichende Klärung der maßgeblichen Vorfälle nicht möglich ist und ein Nachweis der behaupteten Mißhandlungen und Drohungen nicht erbracht wurde.

5. Auf dem Boden dieser Verfahrensergebnisse war die Beschwerde zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG (eine Gegenschrift wurde nicht erstattet, die zweite - vor dem VfGH abgeführte - Beweistagsatzung war nur erforderlich, weil zu vernehmende Zeugen zunächst von der Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden wurden, was von der belangten Behörde rechtzeitig zu veranlassen gewesen wäre, sodaß Kosten nur für eine Beweistagsatzung und für die Verhandlung zu berücksichtigen waren).

Schlagworte

VfGH / Kosten, Amtsverschwiegenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B19.1985

Dokumentnummer

JFT_10129772_85B00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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