TE Vfgh Beschluss 1987/2/28 G247/86

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Veröffentlicht am 28.02.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung einiger Worte in §18 Abs1 Z4 EStG 1972 sowie einiger Worte in §6 Abs3 GewStG 1953; Zumutbarkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges auch dann, wenn der letztinstanzliche Bescheid aller Wahrscheinlichkeit erst zu einem Zeitpunkt erwirkt werden könnte, der es dem Bf. nicht mehr ermöglicht, Anlaßfall eines anhängigen Gesetzesprüfungsverfahren zu werden; Mangel der Antragslegitimation

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Gegen die nach einer Betriebsprüfung im Herbst 1984 ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1980 und 1981 und Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1981 hat der Antragsteller Berufung erhoben. Diese Verfahren, in denen Verfahrensgegenstand u. a. die Zulässigkeit eines Verlustvortrags ist, waren zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht entschieden. Um in den Genuß der Wirkungen einer allfälligen Aufhebung des §18 Abs1 Z4 EStG zu gelangen - ein diese Bestimmung betreffendes Gesetzesprüfungsverfahren ist beim VfGH zu G170/86 ua. anhängig -, beantragte der Antragsteller, "in Übereinstimmung mit dem bereits anhängigen Gesetzesprüfungsverfahren"

"die Worte 'bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs1 oder nach §5 auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln', in §18 Abs1 Z. 4 EStG 1972, BGBl. 1972/440"

aufzuheben. Weiters wurde "aus Gründen der Prozeßökonomie" beantragt,

"die Worte 'bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn durch Bestandsvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln,' in §6 (3) Gewerbesteuergesetz 1953, BGBl. Nr. 2/1954, in der durch BGBl. Nr. 442/1972 novellierten Fassung"

aufzuheben.

II. Die Anträge sind nicht zulässig.

1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der VfGH hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9685/1983).

2. Im vorliegenden Fall erlangen die angefochtenen Bestimmungen - wie der Antragsteller selbst ausführt - erst durch einen Bescheid der Finanzbehörden ihre direkte Wirksamkeit. Gegen einen letztinstanzlichen Bescheid der Finanzbehörden kann der Antragsteller Beschwerde an den VfGH erheben und bei dieser Gelegenheit auch die gegen die Gesetzmäßigkeit der angeführten Bestimmungen bestehenden Bedenken vorbringen.

Nun meint der Antragsteller, daß ihm das Beschreiten dieses Weges unzumutbar sei, weil er einen letztinstanzlichen Bescheid aller Wahrscheinlichkeit nach erst zu einem Zeitpunkt erwirken könnte, der es ihm nicht mehr ermöglicht, auch Anlaßfall des anhängigen Gesetzesprüfungsverfahrens zu werden. Dies sei ein besonderer, außergewöhnlicher Umstand, auf den bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des dem Antragsteller an sich zur Verfügung stehenden Weges Bedacht zu nehmen sei.

Diese Argumentation vermag jedoch - wie sich schon aus dem Beschluß des VfGH G146/86, V72/86 vom 29. September 1986 ergibt - entgegen der im Antrag vertretenen Auffassung eine Antragslegitimation nicht nachzuweisen. Träfe die vom Antragsteller vertretene Auffassung zu, so wären nämlich während des Laufes eines verfassungsgerichtlichen Normprüfungsverfahrens alle Parteien eines anhängigen Rechtsstreites, in dem die in Prüfung stehende Rechtsnorm angewendet wird, ja darüberhinaus wohl auch alle von der in Prüfung stehenden Norm auch nur potentiell Betroffenen antragslegitimiert, eine Konsequenz, die weder mit dem verfassungsrechtlichen Konzept der Voraussetzungen zur Stellung eines Individualantrages, noch mit dem in Art140 Abs7 B-VG grundgelegten System der Anlaßfallwirkung in Einklang stünde.

Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. etwa VfSlg. 8890/1980) ist somit die Legitimation zur Stellung eines Antrages im Sinne des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG nicht gegeben, weshalb die Anträge auf Aufhebung des §18 Abs1 Z4 EStG und des §6 Abs3 GewStG wegen fehlender Antragslegitimation zurückzuweisen waren, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G247.1986

Dokumentnummer

JFT_10129772_86G00247_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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