TE Vfgh Erkenntnis 1987/2/28 B124/86

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Veröffentlicht am 28.02.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1983 §1 Abs1 Z1
Tir GVG 1983 §4 Abs1
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gem. §4 Abs1 iVm. §6 litc Tir. GVG 1983; in verfassungskonformer Auslegung des §1 Abs1 Z1 darf nur der Verkehr mit gegenwärtig dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmeten Grundstücken, also solchen, auf denen Land- und Forstwirtschaft betrieben wird, Beschränkungen unterworfen werden; Kaufgrundstück ist ein pachtweise genutzter (Weide-)-Grundstück iSd §1 Abs1 Z1 - gesetzmäßige Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch die Grundverkehrsbehörde; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Bedenken gegen §4 Abs1; der Versagungstatbestand der mangelnden Selbstbewirtschaftung tritt auch dann ein, wenn das Grundstück schon vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet worden ist; keine Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

         1. Mit Kaufvertrag vom 16. Oktober/5. November 1984

erwarb die S Aktiengesellschaft, die EZ ... KG Telfes, bestehend

aus der Gp. ... im Ausmaß von 22.875 m2, von F B, Hotelier in

Fulpmes, um einen Kaufpreis von S 1,000.000,--.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Telfes i.St. vom 3. Jänner 1985 wurde diesem Rechtserwerb gemäß §4 Abs1 iVm §6 Abs1 litc Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. Nr. 69 (künftig: GVG), die Zustimmung versagt.

2.2. Die dagegen erhobene Berufung der Käuferin wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 6. Dezember 1985, Z LGv-1168/5, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Zufolge §1 Abs1 GVG 1983 unterliegen den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, wobei für die Beurteilung, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück ist, nicht die Bezeichnung im Grundsteuer- oder Grenzkataster, sondern seine Beschaffenheit und bisherige Verwendung maßgebend ist. Nach der ständigen Spruchpraxis des VfGH sind land- und forstwirtschaftliche Grundstücke solche, die gegenwärtig ganz oder teilweise einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind ...

Im Lichte dieser Rechtslage ... muß ... zum einen davon ausgegangen werden, daß der überwiegende Teil des in Rede stehenden Grundstückes nach den Festlegungen des gemeindlichen Flächenwidmungsplanes als Freiland im Sinne des §15 TROG 1984 ausgewiesen ist und dieser Bereich nach den Zielen der örtlichen Raumordnung ... als land- bzw. forstwirtschaftlich nutzbare Fläche erhalten bleiben soll. Zum anderen, daß es sich bei dieser Grundparzelle nach den Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahren um ein mittelsteiles Weidegrundstück handelt, das in den letzten Jahren von verschiedenen Bauern pachtweise als solches auch genutzt worden ist. Es mag zwar sein, daß die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der gegenständlichen Liegenschaft durch die von der Berufungswerberin ins Treffen geführten Umstände (Baumstümpfe, Steine und Felsbrocken) erschwert und eingeschränkt ist, allein dadurch kann im Hinblick auf die bisherige Verwendung die Eignung der Grundfläche in ihrer Gesamtheit land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen, nicht verloren gegangen sein. Dies wird nicht zuletzt auch durch die Intention der Berufungswerberin untermauert, (zumindest) einen Teil der in Rede stehenden Flächen anderen Landwirten als Weideersatzgrund zur Verfügung zu stellen bzw. durch 'noch anzuschaffende Tiere' selbst abweiden zu lassen, ... Die erkennende Behörde vertritt daher ... die Auffassung, daß es sich bei der in Rede stehenden Liegenschaft um ein land- bzw. forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z.1 GVG handelt ...

Bleibt also zu beurteilen, ob durch den gegenständlichen Erwerb die im §4 leg.cit. normierten land- und forstwirtschaftlichen Schutzinteressen beeinträchtigt werden. ...

In Auslegung zu diesen Interessen führt §6 Abs1 litc GVG aus, daß einem Grunderwerb unter anderem dann nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. ...

Nach dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens muß ... davon ausgegangen werden, daß die Käufergesellschaft weder über einen landwirtschaftlichen Betrieb ... verfügt noch sie eine wie immer geartete Intention aufweist, einen derartigen Betrieb aufzubauen, ...

Die Landesgrundverkehrsbehörde hat auch in ständiger Spruchpraxis dargetan, daß der Eigentumserwerb an landwirtschaftlichen Grundflächen durch Liftgesellschaften für die Sicherung der Aufstiegs- und Abfahrtstrassen keinen zureichenden Grund im Sinne des §6 (1) c GVG darstellt, um land- bzw. forstwirtschaftliche Grundstücke ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zu entziehen. ...

... Zusammenfassend vertritt die Berufungsinstanz daher die Ansicht, daß durch die hier beabsichtigte Eigentumsübertragung die öffentlichen Interessen an der Schaffung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes und an der Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes gemäß §4 Abs1 GVG beeinträchtigt werden und im besonderen ein Widerspruch zur Bestimmung des §6 Abs1 leg.cit. vorliegt, da eine Selbstbewirtschaftung ... nicht gegeben ist."

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Käuferin, mit der sie eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §1 Abs1 GVG anregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. In der Beschwerde wird zunächst die Verfassungswidrigkeit des §1 Abs1 Z1 GVG behauptet: Nach dieser Gesetzesstelle sei für die Beurteilung, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches ist, seine Beschaffenheit oder seine bisherige Verwendung maßgebend; nach der Rechtsprechung des VfGH dürften grundverkehrsbehördliche Regelungen nicht ausschließlich an die tatsächliche land- oder forstwirtschaftliche Nutzbarkeit (Beschaffenheit) von Grundstücken anknüpfen.

Hiezu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7898/1976, 8415/1978, 8718/1979, 9005/1981) zu verweisen, wonach bei verfassungskonformer Auslegung des §1 Abs1 Z1 GVG davon auszugehen ist, daß der Landesgesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Grundverkehrs (soweit es sich um den Rechtserwerb durch Inländer handelt) nur den Verkehr mit solchen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen darf, die gegenwärtig dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind; das sind solche, auf denen Land- oder Forstwirtschaft betrieben wird (VfSlg. 8257/1978).

Soweit die Beschwerde aus der Formulierung des zweiten Halbsatzes des §1 Abs1 Z1 GVG - maßgebend sei die Beschaffenheit oder die bisherige Verwendung eines Grundstückes auf einen verfassungswidrigen Inhalt der Regelung schließt, ignoriert sie die wiedergegebene Judikatur, durch die klargestellt ist, wie §1 Abs1 Z1 GVG verfassungskonform zu verstehen ist.

4.2.1. Die Bf. behauptet weiters, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein. Eine Beziehung des Kaufgrundstückes zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb liege nicht vor. Wie die bel. Beh. auf Grund eines Lokalaugenscheines festgestellt habe, habe der Verkäufer (er sei Hotelier) die Eigennutzung des ehemaligen Landwirtschaftsbetriebes vor ca. 35 Jahren aufgegeben. Eine Beziehung zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb sei auch nicht daraus ableitbar, daß die Kaufliegenschaft in den letzten Jahren von verschiedenen Bauern pachtweise genutzt wurde, da der Kaufvertrag das Grundstück keinem bäuerlichen oder kleinlandwirtschaftlichen Betrieb entziehen würde.

4.2.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl. zB VfSlg. 9696/1983). Dieser Vorwurf kann der bel. Beh. jedoch nicht gemacht werden. Der angefochtene Bescheid stützt sich - zu Recht - darauf, daß es sich beim Kaufobjekt nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens um ein Weidegrundstück handle, das in den letzten Jahren von verschiedenen Bauern pachtweise als solches genutzt wurde; auch wenn die landwirtschaftliche Nutzbarkeit durch Baumstümpfe, Steine und Felsbrocken erschwert sei, zeige die bisherige Verwendung, daß die Grundfläche in ihrer Gesamtheit die Eignung, land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen, nicht verloren habe. Der VfGH versteht diese Ausführungen nur als unterstützendes Element für die tragende Aussage, daß die Kaufliegenschaft landwirtschaftlich genutzt werde, sodaß verfassungskonform - ebenso wie von der bel. Beh. auch vom VfGH bejaht wird, daß es sich bei der Kaufliegenschaft um ein Grundstück nach §1 Abs1 Z1 GVG handelt.

Der Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid verletze die Bf. in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, trifft somit nicht zu.

4.3.1. In der Beschwerde wird schließlich der Vorwurf erhoben, die bel. Beh. habe das Gesetz in willkürlicher Weise angewendet. Die Zielsetzungen des GVG könnten durch den Rechtserwerb an einem Grundstück, das der Verkäufer selbst nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt habe und das in keiner Beziehung zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb stehe, gar nicht berührt werden.

4.3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9474/1982) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 9726/1983).

Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf §4 Abs1 iVm §6 Abs1 litc GVG. Nach §4 Abs1 GVG darf die nach §3 Abs1 erforderliche Zustimmung bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind im VfGH aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht entstanden (vgl. insbesondere VfSlg. 8245/1978). Im besonderen ist gemäß §6 Abs1 litc GVG einem Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 nicht zuzustimmen, wenn zu besorgen ist, daß "Grundstücke ... der ihrer Bodenbeschaffenheit entsprechenden land- oder forstwirtschaftlichen Bestimmung oder einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb ohne zureichenden Grund entzogen bzw. jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird". Der VfGH hat bereits klargestellt, daß der Versagungstatbestand der mangelnden Selbstbewirtschaftung auch dann eintritt, wenn das Grundstück schon vom bisherigen Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet worden ist (vgl. zB VfSlg. 7685/1975, 8245/1978).

Der bel. Beh. kann auf dem Boden der getroffenen Feststellungen ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage nicht vorgeworfen werden. Ebensowenig sind dem VfGH Umstände erkennbar, aus denen geschlossen werden könnte, daß die bel. Beh. die Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte; derartiges wird in der Beschwerde auch gar nicht behauptet.

Es kann daher auch von einer Gleichheitsverletzung keine Rede sein.

4.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Auslegung verfassungskonforme, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B124.1986

Dokumentnummer

JFT_10129772_86B00124_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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