TE Vfgh Beschluss 1987/3/2 B1007/86

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Veröffentlicht am 02.03.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
StGG Art18

Leitsatz

weder mündliche oder schriftliche Verkündung des Prüfungsergebnisses noch die Ausfertigung des Prüfungszeugnisses sind als Erlassung eines Bescheides, sondern als Bekanntgabe eines Gutachtens anzusehen, an das in der Regel bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind; eine allenfalls der Mitteilung des Prüfungsergebnisses beigesetzte negative Rechtsmittelbelehrung macht diesen Akt noch nicht zu einem Bescheid; Mitteilung des Prüfungsergebnisses wegen Mangel der Normativität auch keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; Zurückweisung der Beschwerde

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt R W vor, er habe sich am 6. Oktober 1986 um die Aufnahme als ordentlicher Hörer in die Meisterschule für Medailleurkunst und Kleinplastik an der Akademie der bildenden Künste in Wien beworben und sich an diesem Tage der in §24 Kunsthochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 187/1983 , vorgesehenen (2. März 1987) Aufnahmsprüfung unterzogen. Am nächsten Tag habe ihm OAss. Mag. H W mündlich mitgeteilt, daß er diese Prüfung nicht bestanden habe. Mit Schreiben vom 4. November 1986 habe der Bf. die Erlassung eines schriftlichen Bescheides über die nicht bestandene Aufnahmsprüfung beantragt. Mit einem mit 5. November 1986 datierten und vom Rektoratsdirektor der Akademie der bildenden Künste unterzeichneten Schreiben sei ihm das negative Ergebnis der Aufnahmsprüfung mitgeteilt worden. Da es für ihn zweifelhaft gewesen sei, ob diese Mitteilung als Bescheid zu werten sei, habe sein Vertreter mit Schreiben vom 11. November 1986 die Erlassung eines "form- und inhaltsrichtigen" schriftlichen Bescheides beantragt, worauf der Rektor der Akademie der bildenden Künste an ihn ein mit 13. November 1986 datiertes Schreiben gerichtet habe, in welchem das negative Prüfungsergebnis nochmals mitgeteilt worden sei, ohne daß diese Mitteilung in Bescheidform gekleidet gewesen sei. Dem Inhalt dieses Schriftstückes könnte entnommen werden, daß die Akademie der bildenden Künste die Rechtsansicht vertrete, die Erlassung eines Bescheides sei entbehrlich, weil gegen diesen gemäß §52 Abs4 KHStG ein ordentliches Rechtsmittel ohnehin unzulässig sei. Trotz des anscheinend fehlenden Bescheiderlassungswillens der Behörde halte er die Rechtsansicht für vertretbar, die Mitteilungen vom 5. und 13. November 1986 als schriftliche Bescheide zu werten, auch wenn sie als solche nicht bezeichnet seien, keine Begründung enthielten und keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden sei. Jedenfalls stelle die mündliche Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses am 7. Oktober 1986 eine "faktische Amtshandlung" dar, die ihn zur Einbringung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG berechtige. Durch die Entscheidung der Akademie der bildenden Künste in Wien (Prüfungssenat) sei er im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl (Art18 StGG) verletzt worden.

Der Bf. beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Feststellung, daß er durch die Entscheidung der Akademie der bildenden Künste (Prüfungssenat), mit welcher seine Zulassung als ordentlicher Hörer infolge nicht bestandener Aufnahmsprüfung abgelehnt worden sei, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl verletzt worden sei, und regt die Aufhebung einiger näher bezeichneter Bestimmungen des KHStG wegen Verstoßes gegen dieses Grundrecht an.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Bf. durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Unter den gleichen Voraussetzungen erkennt der VfGH auch über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person ("faktische Amtshandlung"). Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden, sofern ein solcher in Betracht kommt.

2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist ein Verwaltungsakt dann ein Bescheid, wenn er gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn er also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat (VfSlg. 8744/1980).

Die Beschwerde richtet sich gegen das negative Ergebnis einer (Aufnahms-)Prüfung. Weder die mündliche oder schriftliche Verkündung des Prüfungsergebnisses noch die Ausfertigung des Prüfungszeugnisses sind als Erlassung eines Bescheides, sondern als die Bekanntgabe eines Gutachtens anzusehen, an das in der Regel bestimmte - ex lege eintretende - Rechtsfolgen geknüpft sind (so bereits VwSlg. NF 7350 A und die dort angeführte Vorjudikatur des VwGH). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die dem Rektor der Akademie der bildenden Künste in Wien zuzurechnende Mitteilung vom 13. November 1986 darauf hinwies, daß in sinngemäßer Anwendung des §52 Abs4 KHStG "eine Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfungsleistung unzulässig ist". Eine - darin allenfalls zu erblickende - Rechtsmittelbelehrung, die dem Akt (Mitteilung des Prüfungsergebnisses) beigesetzt wird, dem jeder normative Inhalt abgeht, macht diesen Akt noch nicht zu einem Bescheid (VfSlg. 4007/1961).

3. Aber auch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nicht vor. Fehlt einem Akt die Normativität, so kann er nicht als eine nach Art144 B-VG anfechtbare faktische Amtshandlung angesehen werden (VfSlg. 4082/1961).

4. Die Beschwerde ist daher wegen Fehlens der Prozeßvoraussetzungen zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis ist auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen.

5. Dem Bf. ist schließlich hinsichtlich seines Antrages, der VfGH möge feststellen, daß er durch die "Entscheidung der Akademie der bildenden Künste (Prüfungssenat)", mit welcher seine Zulassung als ordentlicher Hörer infolge nicht bestandener Aufnahmsprüfung abgelehnt worden sei, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl (Art18 StGG 1867) verletzt worden sei, entgegenzuhalten, daß er sich zwar um Aufnahme als ordentlicher Hörer beworben hat, jedoch keinen Antrag an die Akademie gestellt hat, über die (Nicht-)Aufnahme - infolge Nichtbestehens der Aufnahmsprüfung - bescheidförmig abzusprechen. Einer tauglichen Behauptung der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Berufswahl steht bereits der Umstand entgegen, daß der Bf. keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, über den mit Bescheid abzusprechen wäre.

Um Aufnahme als ordentlicher Hörer kann sich bewerben, wer die in §23 KHStG näher festgelegten Bedingungen erfüllt. Voraussetzung für die Bewerbung um Aufnahme als ordentlicher Hörer ist ua. die erfolgreiche Ablegung der in §24 KHStG vorgesehenen Aufnahmsprüfung (Abs2 Z1 leg.cit.). Bei Erfüllung der Aufnahmsvoraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in eine Studienrichtung an der Hochschule. Gegen einen das Ansuchen um Aufnahme abweisenden Bescheid des Rektors steht dem Aufnahmswerber, da es sich um eine Angelegenheit des autonomen Wirkungsbereiches handelt (§53 KHStG), die Berufung an die oberste akademische Behörde, das ist das Professorenkollegium an der Akademie der bildenden Künste (und das Gesamtkollegium an Kunsthochschulen), zu.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Bescheid, Bescheidbegriff, Hochschulen, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B1007.1986

Dokumentnummer

JFT_10129698_86B01007_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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