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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Ausschluß des Verlustvortrages für jene Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nicht aufgrund "ordnungsgemäßer Buchführung" ermitteln bzw. ihren Gewinn gem. §4 Abs3 EStG 1972 ermitteln; Voraussetzung für den Verlustvortrag ist nicht eine formell ordnungsgemäße Buchhaltung, sondern daß der Verlust - allenfalls nach Korrektur der Buchhaltung oder aufgrund einer Betriebsprüfung - seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis überprüfbar ist; Gewinnermittlungsart nach §4 Abs1 bzw. §5 einerseits (Betriebsvermögensvergleich) und nach §4 Abs3 andererseits (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) grundlegend verschieden; nur der Betriebsvermögensvergleich gewährleistet eine periodengerechte Gewinnermittlung; der Gewinnermittler nach §4 Abs3 hat die Wahl, zum Betriebsvermögensvergleich überzugehen; Einschränkung des Verlustvortrags in §18 Abs1 Z4 auf jene Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach §4 Abs1 bzw. §5 ermitteln, ist sachgerechtSpruch
In §18 Abs1 Z4 EStG 1972, BGBl. Nr. 440/1972, werden die Worte "bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs1 oder nach §5 auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln," nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Beim VfGH sind zu B27/86 und B28/86 zwei Verfahren gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Finanzlandesdirektion für Kärnten anhängig, mit denen den Beschwerdeführern für das Jahr 1981 und für die Jahre 1981 bis 1983 Einkommensteuer vorgeschrieben wurde, wobei dem Antrag auf Vortrag eines in früheren Jahren erlittenen Verlustes mit dem Argument nicht stattgegeben wurde, daß für die Verlustjahre die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht gegeben gewesen sei.
b) Weiters ist beim VfGH zu B419/86 ein Verfahren gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich anhängig, mit dem dem Bf., der als Ziviltechniker Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt und seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach §4 Abs3 EStG ermittelt, Einkommensteuer für die Jahre 1978 und 1979 vorgeschrieben wurde, wobei der beantragte Verlustausgleich hinsichtlich des im Jahre 1978 anläßlich der Büroeröffnung erlittenen Verlustes nicht gewährt wurde.
2.a) Aus Anlaß der genannten Beschwerdesachen leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der im Spruch genannten Worte in §18 Abs1 Z4 EStG 1972, BGBl. 440, ein.
b) Die in Prüfung gezogenen Worte stehen in folgendem Zusammenhang:
Die Ziffer 4 des Abs1 des mit "Sonderausgaben" überschriebenen §18 EStG lautet im Zusammenhang (die in Prüfung gezogenen Worte sind hervorgehoben):
"Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen sind, sind nur die folgenden:
. . .
4. bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs1 oder nach §5 auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, die in den sieben vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstandenen Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind. Die Höhe des Verlustes ist nach den Vorschriften der §§4 bis 14 zu ermitteln,
. . ."
In der für die Beurteilung der Anlaßfälle maßgeblichen Fassung des §18 Abs1 Z4 EStG (vor der Nov. BGBl. 531/1984) hieß es statt "sieben vorangegangenen Wirtschaftsjahren" noch "fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahren". Hinsichtlich der in Prüfung gezogenen Wortfolge hat sich jedoch der - noch in der Stammfassung geltende - Wortlaut durch die genannte Nov. nicht geändert.
c) Seine Bedenken begründete der VfGH im Einleitungsbeschluß folgendermaßen:
"Der VfGH hat das Bedenken, daß durch die in Prüfung gezogenen Worte Differenzierungen getroffen werden, die mit dem Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung nicht in Einklang gebracht werden können:
Denn durch diese Bestimmung scheint für jene Steuerpflichtigen ein Verlustvortrag ausgeschlossen zu sein, die entweder als sog. 'Einnahmen-Ausgaben-Rechner' den Gewinn gem. §4 Abs3 EStG ermitteln oder die zwar bilanzierend den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, aber nicht über eine ordnungsgemäße Buchführung verfügen, worunter gemeint zu sein scheint, daß die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Verlustjahr eingehalten wurden.
Wenn nun das Institut des Verlustvortrags, wie der VfGH im Anschluß an Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts I3, 156, vorläufig annimmt, mit der Überlegung zu rechtfertigen ist, daß das Kalenderjahr kein organischer, sondern ein willkürlicher Zeitraum der Steuererhebung ist und die Leistungsfähigkeit bei Betrachtung eines längeren Zeitraumes objektiver beurteilt werden kann (vgl. auch Briedl-Schlager, SWK 1985, AI, 107ff mwH), so ist die sachliche Berechtigung der Differenzierung, die die in Prüfung gezogenen Worte bewirken, nicht einsichtig. Denn das Ziel, die Mängel einer auf das Kalenderjahr bezogenen Abschnittsbetrachtung eines Unternehmens zu mildern, dem der Verlustvortrag offenbar dient, scheint bei jenen Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß §4 Abs3 EStG ermitteln, keinesfalls von geringerer Bedeutung zu sein, als bei jenen, die nach der derzeitigen Rechtslage in den Genuß der Möglichkeit kommen, den Verlustvortrag geltend machen zu können. Dies scheint insofern zu einer Verzerrung bei der Ermittlung der Einkommensteuer zu führen, als es dadurch bei Einnahmen-Ausgaben-Rechnern - betrachtet man die Ertragssituation des Unternehmens über längere Zeit hindurch - de facto zu einer Besteuerung bloß fiktiver Gewinne kommen dürfte.
Auch scheint es nicht gerechtfertigt zu sein, jene Steuerpflichtigen vom Verlustvortrag auszuschließen, die über keine ordnungsmäßige Buchführung verfügen, wobei dies als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Verlustvortrags u.a. auch für jene Steuerpflichtigen angeordnet zu sein scheint, die nach den Vorschriften des Handelsrechts zu einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Buchführung gar nicht verpflichtet sind, sowie für jene, deren Buchführung zwar - wenn auch nicht bloß geringfügige - Mängel aufweist, bei denen aber allenfalls nach Korrektur der Buchhaltung - die für den Verlustvortrag wesentlichen Daten feststellbar und nachprüfbar sind. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird freilich zu prüfen sein, ob dieser Bestimmung vor dem Hintergrund der Bundesverfassung überhaupt eine derartige Bedeutung zukommt, wie sie der VfGH in Übereinstimmung mit der Judikatur des VwGH vorläufig als gegeben ansieht."
3. Die Bundesregierung ist in ihrer Äußerung diesen Bedenken entgegengetreten. Sie wies zunächst darauf hin, daß ihrer Ansicht nach die Novellierung des §18 Abs1 Z4 EStG 1972 durch BGBl. 531/1984 als Neuerlassung der Bestimmung insgesamt anzusehen sei, sodaß eine allfällige Aufhebung der in Prüfung gezogenen Worte keine Auswirkung auf die durch BGBl. 531/1984 als solche neuerlassene Bestimmung haben könnte.
Zur Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Worte in §18 Abs1 Z4 EStG führte die Bundesregierung folgendes aus:
1. Grundsätzliches zum Institut des Verlustvortrags:
"Gemäß §2 Abs1 EStG 1972 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Gemäß §2 Abs2 EStG 1972 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs3 bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§18 EStG 1972). Diese Bestimmungen machen die Einkommensteuer zu einer Jahressteuer, dh. sie erfaßt periodisch das innerhalb eines Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) bezogene Einkommen. Damit hat sich der Gesetzgeber für das Prinzip der Abschnittsbesteuerung entschieden. Mit der Veranlagung der Einkommensteuer nach dem Einkommen eines Kalenderjahres (§39 EStG 1972) ist diese Periode einkommensteuerlich abgeschlossen. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, Verluste, die sich bei Ermittlung des Jahreseinkommens nicht zur Gänze auswirken, in den folgenden Veranlagungsjahren zum Abzug zuzulassen (Verlustvortrag bzw. Verlustabzug). Nur wenn sich der Gesetzgeber zum Verlustvortrag (Verlustabzug) entschließt, ist eine solche Regelung der Prüfung am Gleichheitsgrundsatz zugänglich (vgl. VfSlg. 5513/1967).
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofes stellt §10d des deutschen Einkommensteuergesetzes idF vor dem Einkommensteuerreformgesetz 1974 eine Ausnahme von der Abschnittsbesteuerung dar und hat den Charakter einer Steuerbegünstigung (vgl. BFH 7. 3. 1974, BStBl 1974 II 567; 28. 6. 1968, BStBl 1968 III 774; 25. 1. 1951, BStBl 1951 II 68; weiters LITTMANN, Das Einkommensteuergesetz, 11. Auflage, §10d RdNr 3). §18 Abs1 Z4 EStG 1972 stimmt im wesentlichen mit §10d deutsches EStG idF vor dem Einkommensteuerreformgesetz 1974 überein. Auch nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei der Gewährung des Verlustvortrages um eine Steuerbegünstigung. Für eine Steuerbegünstigung ist es nun gerade typisch, daß sie an bestimmte Voraussetzungen anknüpft (vgl. ua VfSlg 7558/1975, 7893/1976 und das Erkenntnis vom 24. November 1983, B466/79-10). Die Absicht des Gesetzgebers war dabei die, einen Verlustvortrag nur dann zu gewähren, wenn eine genaue, periodengerechte Gewinnermittlung gegeben ist. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise seine Präferenz für die nicht durchgängig obligatorische ordnungsmäßige Buchführung zum Ausdruck bringen. Der Bonus des Verlustvortrags soll somit für alle Steuerpflichtigen ein Anreiz zu ordnungsmäßiger Buchführung sein.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist nun die Frage zu erörtern, ob es sachlich gerechtfertigt ist, den Verlustvortrag (Verlustabzug) auf Steuerpflichtige zu beschränken, die den Gewinn nach §4 Abs1 oder nach §5 EStG 1972 aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln.
2. Zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich und durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung:
Nach §4 Abs1 erster Satz EStG 1972 ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Kennzeichen dieser Gewinnermittlung ist der Vergleich betrieblicher Vermögensbestände, wie sie sich zu Beginn und am Ende eines Wirtschaftsjahres ergeben. Das bedeutet, daß die im Laufe eines Wirtschaftsjahres eingetretenen Änderungen in Wert und Menge der Bestände gewinnmäßig erfaßt werden.
Bei der Gewinnermittlung gemäß §4 Abs3 EStG 1972 wird als Gewinn der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angesetzt. Dabei werden grundsätzlich nur die tatsächlich in Geld bestehenden oder in Geldwert zu veranschlagenden Betriebseinnahmen den in Geld oder in Geldwert bestehenden Betriebsausgaben gegenübergestellt. Änderungen im Werte des Betriebsvermögens, die nicht in einer Geldbewegung ihren Niederschlag finden, bleiben grundsätzlich unberührt (vgl. etwa VwSlg. 4487/1973 F). Die Natur dieser vereinfachten Gewinnermittlung schließt Gewinnermittlungsmethoden, die ordnungsmäßige Buchführung und regelmäßigen Bestandsvergleich voraussetzen, aus.
3. Zur sachlichen Rechtfertigung der untschiedlichen Behandlung der Steuerpflichtigen in bezug auf den Verlustvortrag:
Je nach der Art der Gewinnermittlung können die Gewinne, die auf die einzelnen Veranlagungszeiträume entfallen, beträchtlich voneinander abweichen. Eine periodengerechte Gewinnermittlung, das ist eine Gewinnermittlung, nach der Aufwände und Erträge dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen sind, zu dem sie wirtschaftlich gehören, ist nur mit dem Instrumentarium des Betriebsvermögensvergleiches möglich. Die periodengerechte Gewinnermittlung hat im Abgabenrecht zentrale Bedeutung. Diese genauere Art der Gewinnermittlung vermeidet die aus dem Zu- und Abflußprinzip resultierenden Verzerrungen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Beim 'Einnahmen-Ausgaben-Rechner' ist nämlich keine derartige Kontinuität der periodenmäßigen Gewinnermittlung gegeben. Nicht nur, daß die Wertschwankungen im Betriebsvermögen bei ihm völlig unberücksichtigt bleiben und er sich eine Aufzeichnung der Vermögensbestände, eine Vermögensübersicht, die Erfolgsrechnung und eine jährliche Bestandsaufnahme erspart, hat er durch bewußte Steuerung des Zeitpunktes von Zahlungen die Möglichkeit einer starken Gewinnbeeinflußung. Diese Unterschiede in der Gewinnermittlung scheinen die Differenzierung in der Regelung des Verlustvortrags (Verlustabzugs) zu rechtfertigen (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtshofes vom 8. 3. 1978, 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293). Denn es erscheint sachlich gerechtfertigt, die Begünstigung des Verlustvortrags (Verlustabzugs) an eine genaue, auf dem Prinzip der Periodenabgrenzung beruhende Gewinnermittlung zu knüpfen.
Ausdruck einer solchen Gewinnermittlung ist das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH muß zur Vortragsfähigkeit die Buchführung des Verlustjahres nach Form und Inhalt jenen Mindestanforderungen genügen, die sie als taugliche Grundlage für die Gewinnermittlung erscheinen lassen. Die Buchführung muß einen zuverlässigen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen bieten (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 4. Mai 1982, Z. 81/14/128). Ein Verlust der wegen Fehlens ordnungsmäßiger Bücher ziffernmäßig nicht zuverlässig ermittelt werden kann, soll von der Begünstigung des Verlustvortrags bzw. Verlustabzugs ausgeschlossen sein.
Die unterschiedliche Behandlung der Steuerpflichtigen in bezug auf den Verlustvortrag scheint aber insbesondere vor dem rechtlichen Hintergrund zulässig, daß es dem Abgabepflichtigen, auf den die Voraussetzungen des §4 Abs3 EStG 1972 an sich zutreffen, freisteht, die Nachteile der Einnahmen-AusgabenRechnung durch eine Buchführung mit Bestandsvergleich zu vermeiden (vgl. VfSlg. 8165/1977 und 8942/1980).
4. Zur Frage einer verfassungskonformen Auslegung in bezug auf eine bestimmte Fallgruppe:
Was schließlich jene Abgabepflichtigen anlangt, 'deren Buchführung zwar - wenn auch nicht bloß geringfügige - Mängel aufweist, bei denen aber - allenfalls nach Korrektur der Buchhaltung - die für den Verlustvortrag wesentlichen Daten feststellbar und nachprüfbar sind', ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Worte 'auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung' in §18 Abs1 Z4 EStG 1972 einer verfassungskonformen Auslegung jedenfalls zugänglich sind. Der Judikatur des VwGH (vgl. das Erkenntnis vom 6. Dezember 1977, Z. 1177/77) folgend, können nämlich diese Worte materiell in dem Sinne ausgelegt werden, daß ein Verlustvortrag immer dann zulässig ist, wenn der Verlust seiner Höhe nach fehlerlos errechnet werden kann und dieser Umstand auch ohne weiteres überprüfbar ist."
Abschließend beantragt die Bundesregierung, "der VfGH wolle - im Hinblick auf den tatsächlich noch gegebenen zeitlichen Anwendungsbereich der in Prüfung gezogenen Bestimmung -" diese nicht als verfassungswidrig aufheben.
II. 1. Der VfGH ging in den Einleitungsbeschlüssen von der Annahme aus, daß die Beschwerden zulässig sind und er bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Bescheide die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden hat. In den Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Wortfolge aufkommen ließe. Die Prozeßvoraussetzungen sind daher gegeben; die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig.
2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich nicht als gerechtfertigt:
a) Der VfGH ist in den Einleitungsbeschlüssen - im Anschluß an Doralt-Ruppe, Grundriß des Österreichischen Steuerrechts I3, 156 - von der Annahme ausgegangen, daß das Institut des Verlustvortrags in der Überlegung wurzelt, daß das Kalenderjahr kein organischer, sondern ein willkürlicher Zeitraum der Steuererhebung ist, während die Bundesregierung - im Anschluß an die Judikatur des BFH - das Institut des Verlustvortrags als eine Ausnahme von dem (als das Einkommensteuerrecht dominierend erachteten) Prinzip der Abschnittsbesteuerung mit dem Charakter einer Steuerbegünstigung ansieht. Dementsprechend meint die Bundesregierung, daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet sei, überhaupt Regelungen über den Verlustvortrag zu erlassen.
Die Frage kann jedoch in diesem Verfahren unerörtert bleiben. Denn der Gerichtshof pflichtet der Bundesregierung jedenfalls insofern bei, als dann, wenn der Gesetzgeber - wie im österreichischen Einkommensteuerrecht - das Institut des Verlustvortrags einrichtet, eine solche Regelung dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen muß.
b) Die in Prüfung stehende Wortfolge hat die normative Bedeutung, daß das Institut des Verlustvortrags nur jenen Einkommensteuerpflichtigen zur Verfügung steht, die ihren Gewinn durch Vermögensvergleich ermitteln, wobei die auf §5 EStG verweisende Formulierung "auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung"
-
wie die Bundesregierung entgegen einer verbreiteten Praxis der Finanzverwaltung richtig erkennt - nicht bedeutet, daß eine formell ordnungsmäßige Buchhaltung Voraussetzung für den Verlustvortrag ist, sondern daß ein Verlustvortrag für bilanzierende Einkommensteuerpflichtige immer dann zulässig ist, wenn der Verlust
-
allenfalls auch nach Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung - seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist.
Geht man von diesem Verständnis aus, so ist auch den im Einleitungsbeschluß gegenüber der Ausschaltung von bilanzierenden Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken der Boden entzogen.
c) Die Bedenken gegenüber dem Ausschluß jener Einkommensteuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß §4 Abs3 EStG als sog. Einnahmen-Ausgaben-Rechner ermitteln, erweisen sich nicht als zutreffend:
Der Gerichtshof ist mit der Bundesregierung der Auffassung, daß die Gewinnermittlungsart nach den beiden Systemen (nach §4 Abs1 bzw. §5 EStG einerseits und nach §4 Abs3 EStG andererseits) grundlegend verschieden ist. Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung unterscheidet sich vom Betriebsvermögensvergleich dadurch wesentlich, daß beim Betriebsvermögensvergleich die Änderung im Bestand des Betriebsvermögens über die Höhe des Erfolges entscheidet, während bei der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung - von Ausnahmen, wie unter anderem der AfA abgesehen - nur die "reine Geldbewegung" (das Zufließen und Verausgaben von Geld oder geldwerten Vorteilen) erfolgwirksam ist (Schubert/Pokorny/ Schuch/Quantschnigg, TZ 67 zu §4). So wirken sich Schuldnachlässe, Prämienerstattungen, Skonti, die Bezahlung von Betriebssteuern, die Bezahlung von eingekauften Waren u.a. grundlegend anders und ergebnisverändernd aus, wodurch es zu erheblichen Unterschieden in der Steuerbemessungsgrundlage eines Jahres kommt, je nachdem ob der Steuerpflichtige nach dem einen oder anderen System seinen Gewinn erklärt und danach besteuert wird. So kann z.B. weiters ein Steuerpflichtiger die Zahlung künftiger (noch nicht fälliger) Ausgaben zeitlich vorziehen und dadurch das Betriebsergebnis eines Jahres ebenso verändern, wie umgekehrt durch spätere, auch verspätete, Zahlungen eine finanzielle Belastung auf ein späteres Kalenderjahr verlagert werden kann. Weiters besteht durch vorzeitigen Warenankauf zu Jahresende die Möglichkeit, etwa bei Bekanntwerden kommender Preiserhöhungen, Ausgaben für die gekaufte Ware voll zu Buch schlagen zu lassen, weil keine Inventur vorzunehmen ist (vgl. auch §19 Abs2 EStG). Demgegenüber muß der Gewinnermittler nach §4 Abs3 EStG auf echte oder (möglicherweise) "unechte" Rückstellungen (vgl. z.B. §123 EStG) ebenso verzichten, wie auf die Geltendmachung von Rechnungsabgrenzungsposten und - von Ausnahmen abgesehen Teilwertabschreibungen (vgl. hiezu VwGH 28. 10. 1981, 13/0604/78). Auch nachträglich vorgeschriebene Betriebssteuern können nicht mehr zur Korrektur der Betriebsergebnisse früherer Jahre herangezogen werden, sondern belasten das Jahr, in dem die Zahlung erfolgt. Diese wenigen Beispiele zeigen bereits die völlige Unterschiedlichekeit der steuerlichen Bemessungsgrundlagen, je nachdem ob der Steuerpflichtige das eine oder andere System in Anspruch nimmt. Daraus ergibt sich, daß nur der Betriebsvermögensvergleich (§4 Abs1 und §5 EStG) - wie die Bundesregierung zutreffend dartut - eine periodengerechte Gewinnermittlung gewährleistet.
Dazu kommt folgendes: Vertritt der Gewinnermittler nach §4 Abs3 EStG die Auffassung, daß eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich g e s a m t h a f t für ihn günstiger ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch zur verfassungsrechtlichen Auswirkung des Wahlrechtes im Steuerrecht VfSlg. 8942/1980), hat er die Wahl, zu diesem System der Gewinnermittlung überzugehen. Davon ist auch das deutsche Bundesverfassungsgericht in zwei Beschlüssen betreffend die vergleichbare Bestimmung des §10d dEStG idF vor 1975 ausgegangen (Beschlüsse vom 10. Juli 1970 - 1 BvR 434/70 - und vom 8. März 1978 - 1 BvR 117/78 -).
Macht ein Steuerpflichtiger von seinem Wahlrecht der Gewinnermittlung nach §4 Abs3 EStG anstelle jener nach §4 Abs1 EStG Gebrauch, so betrachtet er diese Gewinnermittlungsart als die für ihn offenbar günstigere. Er muß aber dann auch Nachteile in Kauf nehmen, die mit diesem System verbunden sind. Zu diesen Nachteilen gehört u.a. die Unmöglichkeit der Geltendmachung von Verlustvorträgen.
Der VfGH ist daher der Auffassung, daß die Zusammenschau der Vor- und Nachteile der beiden Gewinnermittlungsarten ergibt, daß die Einschränkung der Anwendungsmöglichkeit des Verlustvortrages auf jene Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs1 bzw. §5 EStG ermitteln, sachgerecht ist.
Es war somit die in Prüfung gezogene Wortfolge nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Schlagworte
Einkommensteuer, Gewinn, Betriebsvermögen, Finanzverfahren, BuchführungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:G170.1986Dokumentnummer
JFT_10129697_86G00170_00