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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Verordnung der BH Dornbirn vom 14.1.1985 betreffend eine Geschwindigkeitsbeschränkung; einem Anlaßfall (Art140 Abs7 B-VG) gleichzuhaltender Fall; Gesetzwidrigkeit der V infolge Aufhebung der materiellen Grundlage der V (§43 Abs1 lit1 StVO 1960) als verfassungswidrig mit Erk. des VfGH; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der VSpruch
Die V der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 14. Jänner 1985, Zl. III 624/85, mit der auf der Bundesstraße Nr. 204 "im Bereiche zwischen km 3,02 in Dornbirn und km 5,35 in Lustenau das Überschreiten einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h verboten" wurde, war gesetzwidrig.
Die Vorarlberger Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 3. März 1986 wurde über den Beteiligten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt, weil er am 9. März 1985 um 10.26 Uhr mit seinem Pkw auf der Bundesstraße Nr. 204 im Gemeindegebiet von Lustenau auf Höhe des ehemaligen Gasthauses "Feldrast", Richtungsfahrbahn Dornbirn, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten habe. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter B337/86 protokollierte Beschwerde, in welcher insbesondere geltend gemacht wird, daß die herangezogene V aus näher dargelegten Gründen gesetzwidrig sei.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der V der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 14. Jänner 1985, Zl. III 624/85, ein (Beschluß B337/86 vom 6. Oktober 1986).
Diese V lautet:
"Zum Zwecke der Sicherheit des sich bewegenden Verkehrs wird gemäß §43 Abs1 litb Ziff. 1 StVO 1960, befristet bis zum 14. 1. 1986, angeordnet:
Auf der Bundesstraße Nr. 204 wird im Bereiche zwischen km 3,02 in Dornbirn und km 5,35 in Lustenau das Überschreiten einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h verboten. Diese Verordnung ist mittels Straßenverkehrszeichen nach §52 Ziff 10a StVO 1960 'Geschwindigkeitsbeschränkung 80 km/h' kundzumachen."
Die V ist mit der Anbringung des Verkehrszeichens am 30. Jänner 1985 rechtswirksam geworden und mit Ablauf des 14. Jänner 1986 außer Kraft getreten.
3.a) Im Einleitungsbeschluß wurde folgendes ausgeführt:
"§43 Abs1 litb der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 idF der Nov. BGBl. Nr. 412/1976 wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 27. Juni 1986, G 80,84,111/86-8, G121-124/86-7, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1987 in Kraft. Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, das zur Aufhebung der angeführten Bestimmung der StVO geführt hat, fand am 26. Juni 1986 statt.
Die vorliegende Beschwerde ist beim VfGH am 10. April 1986 - also noch vor der Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren - eingelangt.
Da dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) alle jene Fälle gleichzuhalten sind, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig geworden sind (vgl. VfGH 9. 10. 1985, B168/85), ist die vorliegende Beschwerde einem Beschwerdefall gleichzuhalten, aus dessen Anlaß das Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §43 Abs1 litb StVO gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen eingeleitet wurde.
Es ist daher im vorliegenden Beschwerdefall - wie in den Anlaßfällen B525/82, B592/83, B792/83, B437/84, B949/84 und B787/85 - davon auszugehen, daß im Hinblick auf die mit dem angeführten Erkenntnis bereits erfolgte Aufhebung des §43 Abs1 litb StVO die gesetzliche Grundlage für die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendete V der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 14. Jänner 1985 gefehlt hat. Gegen die Gesetzmäßigkeit der V besteht daher das Bedenken, daß sie einer gesetzlichen Grundlage entbehrt".
b) Im Verordnungsprüfungsverfahren hat die Vorarlberger Landesregierung mitgeteilt, daß sie "im Hinblick auf die Rechtsprechung des VfGH zu Art140 Abs7 B-VG (`Anlaßfall')" von einer Äußerung absehe.
c) Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn führt in ihrer Äußerung aus, daß die V in §43 Abs1 litb StVO 1960 ihre gesetzliche Deckung gefunden habe.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig.
Die in Prüfung stehende V hat eine der Rechtsgrundlagen des angefochtenen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden - Berufungsbescheides gebildet. Sie ist demnach auch bei Fällung des Erkenntnisses über die vom Beteiligten ergriffene Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG anzuwenden und somit in dieser Beschwerdesache präjudiziell im Sinne des Art139 Abs1 B-VG.
2. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist nicht hervorgekommen, daß das im Einleitungsbeschluß angenommene Bedenken, die in Prüfung gezogene V sei mangels einer gesetzlichen Grundlage gesetzwidrig, widerlegt werden könnte.
Da diese V mit Ablauf des 14. Jänner 1986 außer Kraft getreten ist und daher dem Rechtsbestand nicht mehr angehört, hatte der VfGH gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß die V gesetzwidrig war.
3. Die Verpflichtung der Vorarlberger Landesregierung zur Kundmachung erfließt aus Art139 Abs5 B-VG.
4. Dieses Erkenntnis konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gefällt werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, VerkehrsbeschränkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:V80.1986Dokumentnummer
JFT_10129697_86V00080_00