TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/4 V88/86

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Veröffentlicht am 04.03.1987
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art18 Abs2
Krnt VergnügungssteuerG 1982 §1 Abs2
Krnt VergnügungssteuerG 1982 §5 Abs3 und Abs7
F-VG 1948 §8 Abs1
Klagenfurter VergnügungssteuerV §8 Abs3
FAG 1985 §15 Abs3

Leitsatz

Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung des materiellen Abgabenrechtes hinsichtlich dem freien Beschlußrecht der Gemeinden übertragenen Abgaben ist nur insoweit eingeschränkt, als die bundesgesetzliche Ermächtigung reicht, und zwar auch bei Erteilung der Ermächtigung zur Abgabenausschreibung "vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung"; keine Bedenken gegen §5 Abs3 und 7 Krnt. VergnügungssteuerG 1982 - keine Einschränkung der allgemeinen Ermächtigung der Gemeinden zur Abgabenausschreibung Klagenfurter VergnügungssteuerV; Gesetzwidrigkeit des §8 Abs3 (betreffend die Besteuerung nach der Größe des benutzten Raumes) - keine Bedachtnahme auf das Kriterium "durchschnittliche Besucherzahl" des §5 Abs7 VergnügungssteuerG 1982

Spruch

§8 Abs3 der Klagenfurter Vergnügungssteuerverordnung (Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 13. Dezember 1982, Zl. 11.377/82) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. August 1987 in Kraft.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. §5 des Vergnügungssteuergesetzes 1982, LGBl. f. Kärnten 63, hat (- abgesehen von den hier außer Betracht zu lassenden Absätzen 4 bis 6, die sich auf das Halten bestimmter Spielapparate und -automaten beziehen -) folgenden Wortlaut:

"§5

Ausmaß

(1) In der V über die Ausschreibung der Vergnügungssteuern auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung ist ihr Ausmaß in Hundertsätzen des Eintrittsgeldes bis zum Höchstausmaß von 25 v.H. - bei Filmvorführungen bis zum Höchstausmaß von 10 v.H. -, jeweils mit Ausschluß der Abgabe, festzusetzen. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage hat die Umsatzsteuer außer Betracht zu bleiben.

(2) Werden Eintrittskarten nicht ausgegeben, so gilt das für die Teilnahme an der Veranstaltung entrichtete Entgelt als Eintrittsgeld.

(3) Der Gemeinderat hat die Vergnügungssteuer mit einem Pauschbetrag festzusetzen, wenn

a) für Veranstaltungen ein Eintrittsgeld nicht eingehoben wird oder

b) das als Eintrittsgeld geltende Entgelt (Abs2) durch die Möglichkeit der mehrmaligen Teilnahme an einer Veranstaltung nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand festgestellt werden kann.

.........................................................

(7) Bei den nicht in den Abs4 bis 6 angeführten Veranstaltungen ist bei der Festsetzung der Höhe des Pauschbetrages auf die durchschnittliche Besucherzahl, auf die Größe des Raumes sowie darauf Bedacht zu nehmen, ob es sich um regelmäßige oder um fallweise Veranstaltungen handelt. Der Pauschbetrag kann in den Fällen des Abs2 auch mit einem Vielfachen des jeweiligen Eintrittspreises festgesetzt werden. Der Pauschbetrag darf bei regelmäßigen Veranstaltungen 6000 Schilling monatlich, bei fallweisen Veranstaltungen 4000 Schilling je Veranstaltung, nicht übersteigen.

(8) Der Hundertsatz (Abs1) und der Pauschbetrag nach Abs7 können für verschiedene Arten der Steuergegenstände (§2 Abs1 bis 4) verschieden festgesetzt werden."

Die - u.a. unter Berufung auf das Vergnügungssteuergesetz 1982 erlassene - Klagenfurter Vergnügungssteuerverordnung (Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 13. Dezember 1982, Zl. 11.377/82) bestimmt in ihren §§8 und 9 folgendes:

"§8

Besteuerung nach der Größe des

benutzten Raumes

(1) Die Vergnügungssteuer wird nach der Größe des für die Veranstaltung benutzten Raumes bemessen, wenn die Veranstaltung ohne Entrichtung eines Eintrittspreises zugänglich ist oder wenn die Veranstaltung im wesentlichen der Gewinnerzielung durch die Verabreichung von Speisen und Getränken dient.

(2) Die Bemessungsgrundlage ist die Grundfläche der für die Veranstaltung benützten und den Teilnehmern zugänglichen Räume. Die im Freien gelegenen Flächen sind mit der Hälfte ihres Ausmaßes zu veranschlagen.

(3) Die Steuer beträgt je angefangene 10 Quadratmeter,

a) wenn die Veranstaltung vor Stuhlreihen stattfindet und die Verabreichung von Speisen und Getränken sowie das Rauchen der Besucher während der Veranstaltung ausgeschlossen ist

                                        S  5.--,

         b) wenn die Veranstaltung in einer Bar (Nachtlokal) nach

23.00 Uhr erfolgt                       S 18.--,

         c) für Ausstellungen           S  2.--,

         d) in allen anderen Fällen     S 10.--.

(4) Bei längerer Dauer oder fortlaufender Aufeinanderfolge der Veranstaltung gilt jeder angefangene Zeitraum von 5 Stunden als eine Veranstaltung.

§9

Höchstausmaß und Ermäßigung

(1) Die Steuer nach §§7 und 8 darf bei regelmäßigen Veranstaltungen S 6.000.-- monatlich, bei fallweisen Veranstaltungen S 4.000.-- je Veranstaltung nicht übersteigen.

(2) Die Abgabenbehörde kann die Steuer nach §§7 und 8 für fallweise Veranstaltungen bis auf die Hälfte ermäßigen, wenn durch besondere Umstände, wie z.B. schlechte Witterung, die Veranstaltung beeinträchtigt wurde."

2. Mit dem im Gemeindeinstanzenzug erlassenen Bescheid vom 17. Jänner 1985 schrieb der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt der Beteiligten, die in Klagenfurt eine Diskothek betreibt, Vergnügungssteuer ab Jänner 1983 in der Höhe von 6.000 S monatlich vor. Der Bemessung dieser Abgabe wurde eine Grundfläche des Lokals von (aufgerundet) 110 m2 sowie Betrieb der Diskothek an 6 Tagen der Woche von 20 bis 4 Uhr zugrundegelegt, wobei die Betriebszeit von 20 bis 23 Uhr der litd und die Zeit ab 23 Uhr der litb im §8 Abs3 der Klagenfurter Vergnügungssteuerverordnung unterstellt wurde; da der errechnete Betrag das Höchstausmaß für regelmäßige Veranstaltungen gemäß §9 Abs1 dieser V von 6.000 S

überstieg, wurde die Steuer in diesem Höchstausmaß festgesetzt.

3. Die von der Beteiligten gegen diesen gemeindebehördlichen Bescheid ergriffene Vorstellung wies die Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 11. September 1985 ab. Dieser aufsichtsbehördliche Bescheid ist Gegenstand der unter B795/85 eingetragenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

II. Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles beschloß der VfGH, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §8 Abs3 der Klagenfurter Vergnügungssteuerverordnung einzuleiten. Er legte zu den Prozeßvoraussetzungen und den Bedenken bezüglich der Gesetzmäßigkeit folgendes dar:

"1. Der Gerichtshof geht vorläufig davon aus, daß der meritorischen Erledigung der erhobenen Beschwerde Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er bei seiner Entscheidung den - inhaltlich wohl eine nicht trennbare Einheit bildenden - Abs3 im §8 der bezogenen V anzuwenden hätte.

2. Hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des §8 Abs3 der Klagenfurter Vergnügungssteuerverordnung besteht (und hierin pflichtet der Gerichtshof der bf. Gesellschaft im grundsätzlichen bei) das Bedenken, daß sie den in §5 Abs7 des Vergnügungssteuergesetzes 1982 enthaltenen Kriterien für die Festsetzung des Pauschbetrages nicht vollständig Rechnung trägt. Die V berücksichtigt je nach Veranstaltungsart anscheinend nur die Raumgröße, läßt aber die beiden anderen Bestimmungsgrößen, nämlich die durchschnittliche Besucherzahl sowie - zumindest bei der litd - den Umstand außer Betracht, ob es sich um regelmäßige oder um fallweise Veranstaltungen handelt. Dem Gesetz ist wohl nicht entsprochen, wenn das eben erwähnte Kriterium bloß bei der Festlegung eines Höchstausmaßes der Steuer herangezogen, im variablen Bereich der Pauschbeträge hingegen nicht berücksichtigt wird."

III. Während die Kärntner Landesregierung von einer Beteiligung am Verfahren absah, erstattete der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt eine Äußerung, in welcher er einerseits Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des VergnügungssteuerG 1982 vorbrachte und andererseits die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle annahm. Im wesentlichen führte der Gemeinderat aus:

"Verfassungsrechtlich unbestritten ist, daß der Gemeinderat als Quasigesetzgeber im freien Beschlußrecht auf der verfassungsgesetzlichen Grundlage des §7 Finanzverfassungsgesetz 1948 im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes und des Vergnügungssteuergesetzes 1982 das materielle Steuerrecht regelt.

In Literatur, Lehre und Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt wird der Problemkreis, inwieweit eine ('weitergehende') landesgesetzliche Ermächtigung die Gemeinde verpflichtend zu binden vermag bzw. inwieweit Konkretisierungen landesgesetzlicher Ermächtigungen gehen können. So wird beispielsweise in 'Die Gebührenhoheit der Gemeinde' von Univ.-Prof. Doz. Dr. Erich Wolny (Seite 23) die Ansicht dargelegt, daß die Existenz des Landesgesetzes es den Gemeinden nicht verbiete, eigene Abgabensatzungen (Verordnungen) unmittelbar aufgrund der finanzausgleichsgesetzlichen Ermächtigung zu erlassen und diese der Abgabenerhebung zugrundezulegen.

Der finanzausgleichsgesetzliche Vorbehalt weitergehender Ermächtigungen der Landesgesetzgebung gibt für sich allein keine rechtstaugliche Rechtsgrundlage für eine Kompetenz der Landesgesetzgebung. Selbst der VfGH zeigt im Laufe der Zeit eine uneinheitliche Rechtsprechung zu diesem Problem (siehe u.a. Erk. des VfGH. 3550/1959, betreffend Fragen des freien Beschlußrechtes der Gemeinden). Zumindest hinsichtlich der Festlegung der abgabenpflichtigen Gegenstände und für Befreiungstatbestände hindert folglich das Vergnügungssteuergesetz 1982 den jeweiligen Gemeinderat wohl nicht.

In diesem Lichte erscheint es daher zumindest auch bedenklich, wenn das Vergnügungssteuergesetz 1982 in §1 Abs2 einerseits die Gemeinden ermächtigt, von den 'weitergehenden Ermächtigungen' dieses Gesetzes Gebrauch zu machen, andererseits in §5 Abs3 - ohne diesen Ermächtigungsspielraum für den Gemeinderat zu würdigen - verpflichtend anordnet, daß der Gemeinderat die Vergnügungssteuer mit einem Pauschbetrag festzusetzen hat, wenn u.a.

- gemäß lita - für Veranstaltungen ein Eintrittsgeld nicht eingehoben wird. Hinzu kommt dann noch die Anordnung in §5 Abs7, wonach der Gemeinderat bei der Festsetzung der Höhe der Pauschbeträge auf bestimmte, taxativ normierte Kriterien Bedacht zu nehmen hätte.

Von diesen auch im gegenständlichen Verordnungsprüfungsverfahren wohl nicht unmaßgeblichen Bedenken gegen das Vergnügungssteuergesetz 1982, insbesonders §5 Abs3 und 7 abgesehen, ist des weiteren folgendes festzuhalten:

Trotz der vom Landesgesetzgeber in §5 Abs7 getroffenen Regelung betreffend die Pauschsteuer wurde die Klagenfurter Vergnügungssteuerverordnung bei ihrer nach Beschlußfassung erfolgten Vorlage an die Kärntner Landesregierung (§80 des Klagenfurter Stadtrechtes) von dieser nicht beanstandet, was wohl als Indiz dafür zu werten ist, daß auch seitens der Landesregierung diese V, an den Intentionen des §5 Abs7 gemessen, als gesetzmäßig angesehen wurde und wird.

Dies wohl auch deshalb, weil eine buchstabengetreue Bedachtnahme auf die 'durchschnittliche Besucherzahl' dem Wesen einer Pauschsteuer genau zuwiderlaufende, ins Detail gehende Ermittlungen in jedem Einzelfall bedingen würde, um eben zu dieser 'durchschnittlichen Besucherzahl' von Veranstaltungen aufgrund von Summierungen und Mittelwertberechnungen zu kommen. Bei einem solchen Inhalt würde dieser Gesetzesbegriff jedoch als solcher bedenklich und zu einem praktisch unvollziehbaren Postulat. Um dem zu entgehen, wurde vordergründig wohl auf die Größe der für Veranstaltungen zur Verfügung stehenden Räume abgestellt, zweifellos aber im Bewußtsein, daß diese Größe auch auf die Besucherzahl von Einfluß ist.

Die vom Gemeinderat vorgenommene Pauschalierung ist aber nicht nur auf die Raumgröße schlechthin, sondern auch auf die Dauer und hier wieder differenziert nach Art der Veranstaltung abgestellt. Der Raum, die Zeit und die Art der Veranstaltung zusammen berücksichtigen indirekt auch die Besucherzahl.

Es ist - wie gesagt - praktisch unmöglich, eine durchschnittliche Besucherzahl bei regelmäßigen Veranstaltungen wie z. B. Barbetrieben zu ermitteln, da dies einer ständigen Beobachtung über einen Zeitraum von einem Jahr bedarf, zumal die Frequenzen u.a. auch saisonbedingt verschieden sind.

Offen bliebe auch die Frage, wie bei einmaligen (fallweisen) Veranstaltungen die durchschnittliche Besucherzahl zu ermitteln ist.

Auf die Zahl der Besucher wird auch dadurch Bedacht genommen, daß für Barbetriebe ab 23 Uhr, ab welchem Zeitpunkt mit einer höheren Besucherzahl zu rechnen ist, ein höherer Steuersatz festgelegt ist. Auf die durchschnittlich aufgrund der Veranstaltungsräume zu erwartende Besucherzahl nimmt überdies §9 Abs2 Bedacht, der eine Ermäßigung vorsieht, wenn durch besondere Umstände die Veranstaltung beeinträchtigt wurde, das heißt, die Zahl der Besucher geringer war.

Der Umstand, ob es sich um eine einmalige oder regelmäßige Veranstaltung handelt, wird ebenfalls durch die Dauer differenziert und nach oben durch die beiden Höchstbeträge von S 4.000,-- bzw. S 6.000,-- begrenzt.

Es ist auch nicht einzusehen, warum eine Pauschalierung auf die Größe des benützten Raumes und die durchschnittliche Besucherzahl abzustellen ist, denn wenn die durchschnittliche Besucherzahl bekannt ist, ist der benutzte Raum keinerlei Kriterium mehr dafür, welche Erträge bei einer Veranstaltung zu erwarten sind. Wir glauben daher, daß entweder die Größe der benutzten Räume oder die durchschnittliche Besucherzahl Grundlagen im Sinne des Gesetzes für eine Pauschalierung sein können.

Dieser Auslegung scheint auch die im Beschwerdeverfahren bel. Beh. zuzuneigen, wie sich insbesonders aus ihrer Gegenschrift im Beschwerdeverfahren vom 14.10.1986, S. 8, Pkt. 3 - worauf verwiesen werden darf - diesbezüglich ergibt.

Zur Berücksichtigung regelmäßiger und fallweiser Veranstaltungen bzw. zu den zu §8 Abs3 litd erhobenen Bedenken sei noch bemerkt, daß es dem Verordnungsgeber denkmöglich wohl auch nicht verwehrt sein kann, unter Bedachtnahme auf §5 Abs7 für regelmäßige und fallweise Veranstaltungen beispielsweise auch gleich hohe Bemessungsgrundlagen (Raumfläche) für Pauschbeträge festzusetzen, zumal sich durch die darüberhinaus ohnehin zu berücksichtigende Dauer bzw. Häufigkeit von Veranstaltungen in jedem Fall eine angemessene Differenzierung bis zur ebenfalls unterschiedlichen Höchstgrenze ergibt. Sollte man dies dem Verordnungsgeber nicht zugestehen, bliebe wieder die vom Gesetzgeber mangels gesetzlicher Regelung nicht gelöste Frage offen, welche Bemessungsgrundlage höher sein sollte oder müßte, und dies aus welchem Grund."

IV. Die Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens liegen vor.

Die Bedenken des VfGH erweisen sich im Ergebnis als gerechtfertigt.

1. Zunächst hat der Gerichtshof jedoch festzuhalten, daß er die gegen Bestimmungen des VergnügungssteuerG 1982 vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilt. Wie der VfGH in bezug auf dem freien Beschlußrecht der Gemeinden übertragene Abgaben bereits ausgesprochen hat (s. VfSlg. 8099/1977 mit weiteren Judikaturhinweisen), ist die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung des materiellen Abgabenrechts nur insoweit eingeschränkt, als die bundesgesetzliche Ermächtigung reicht. Diese im wesentlichen aus §8 Abs1 F-VG abgeleitete Ansicht trifft entsprechend auch dann zu, wenn - was hier bei nicht nach Maßgabe des Eintrittsgeldes erhobener Vergnügungssteuer in Betracht kommt (siehe den jeweiligen §15 Abs3 des FinanzausgleichsG 1979, BGBl. 73/1978, sowie des FinanzausgleichsG 1985, BGBl. 544/1984) - die Ermächtigung zur Abgabenausschreibung "vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung" erteilt wird; denn auch dieser Fall ist von der angeführten finanzverfassungsrechtlichen Vorschrift erfaßt. Unter diesem Aspekt hält es der Gerichtshof aber für unbedenklich, wenn der Landesgesetzgeber durch eine materielle Abgabenvorschrift die Festsetzung der Vergnügungssteuer mit einem Pauschbetrag anordnet und für dessen Höhe maßgebende Kriterien festlegt. Entgegen der Ansicht des Gemeinderates wird hiedurch auch die allgemeine Ermächtigung der Gemeinden zur Ausschreibung der in Rede stehenden Abgabe (§1 Abs2 VergnügungssteuerG 1982) nicht eingeschränkt.

2. Eine Beurteilung der inhaltlichen Beziehung der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle zum Gesetz zeigt, daß auf das Kriterium "durchschnittliche Besucherzahl" weder unmittelbar noch mittelbar Bedacht genommen wurde. Daß dieses Kriterium jedenfalls nicht unmittelbar berücksichtigt wurde, bedarf keiner weiteren Erörterung. Wenn der Gemeinderat hingegen - sinngemäß zusammengefaßt - meint, daß die "durchschnittliche Besucherzahl" sich aus den Komponenten Raumgröße, Dauer und Art der Veranstaltung mittelbar ergebe und daher mitberücksichtigt sei, so trifft auch dies nicht zu. Eine solche Annahme widerspricht nämlich der gesicherten Erfahrungstatsache, daß in gleich großen Räumlichkeiten abgehaltene gleichartige Veranstaltungen durchaus unterschiedlich besucht sein können. Dazu kommt noch, daß auch die getroffene Unterscheidung nach der Veranstaltungsart nicht aussagekräftig ist, weil die litd im §8 Abs3 eine Vielzahl nach der Besuchsstruktur völlig unterschiedlicher Veranstaltungen umfaßt. Praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung einer "durchschnittlichen Besucherzahl" erlauben es dem Verordnungsgeber - entgegen der Meinung des Gemeinderates jedoch nicht, von einer Berücksichtigung dieses Kriteriums schlechthin abzusehen.

Die in Prüfung genommene Verordnungsbestimmung erweist sich sohin als gesetzwidrig und ist aufzuheben.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.

Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG.

Schlagworte

Vergnügungssteuer, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Gemeinden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V88.1986

Dokumentnummer

JFT_10129696_86V00088_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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