TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/7 V87/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.1987
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 23.9.1985. Pr Z2822/85 (Plandokument Nr 5640) Punkt II Z1 zweiter Satz

Leitsatz

Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 23.9.1985 (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument 5640) zweiter Satz im Punkt II ZI; Kundmachungsmangel der Verordnungsstelle aus den in VfSlg. 11074/1986 dargelegten Gründen; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnungsstelle bis zum 31.12.1986

Spruch

Der zweite Satz im Punkt II Z1 der V des Gemeinderates der Stadt Wien vom 23. September 1985, Pr.Z. 2822/85 (Plandokument Nr. 5640), (Beschlußfassung bekanntgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 41/1985) war bis zum Ablauf des 31. Dezember 1986 gesetzwidrig.

Die Wiener Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Juni 1986 wies die Bauoberbehörde für Wien das Ansuchen der Beteiligten um Verlängerung der Baubeginnsfrist für das mit Bescheid vom 15. Juni 1982 bewilligte Bauvorhaben (Errichtung einer Wohnhausanlage) auf dem Grundstück Wien ..., gemäß §74 Abs1 BauO für Wien ab. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Verlängerung der Baubeginnsfrist der neu erlassene Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument Nr. 5640 (V des Gemeinderates der Stadt Wien vom 23. September 1985, Pr.Z. 2822/85) entgegenstehe. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter B734/86 eingetragene Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Beteiligte ua. die Gesetzwidrigkeit des von der bel. Beh. herangezogenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes geltend macht.

II. Der VfGH leitete aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes im Punkt II Z1 der bezogenen V (im folgenden auch bloß: PD 5640) ein und legte zu den Verfahrensvoraussetzungen und den Bedenken folgendes dar:

"Wie der Gerichtshof vorläufig annimmt, resultiert der normative Gehalt der in Betracht kommenden Stellen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument Nr. 5640 aus im Plan verwendeten Planzeichen, und zwar den Zeichen SpkBB2 (dh. Parkschutzgebiet, Gebäudehöhe bis maximal 7,5 m) sowie einer mit Punkten versehenen durchgehenden Linie als Zeichen für die Straßenfluchtlinie, gemäß der (nicht kundgemachten, beim Magistrat gesondert gegen Entgelt erhältlichen) 'Zeichenerklärung für den Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan' vom 2. März 1981, bezüglich der die V Plandokument Nr. 5640 unter Punkt II Z1 (im zweiten Satz) folgendes bestimmt:

'1. Die roten Planzeichen gelten als neu festgesetzt.

Für die rechtliche Bedeutung der Planzeichen ist die 'Zeichenerklärung für den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan' vom 2. März 1981 maßgebend, die einen Bestandteil dieses Beschlusses bildet.'

Der VfGH geht weiters vorläufig davon aus, daß er bei der Behandlung der Beschwerde insbesondere zu klären haben wird, ob die in Betracht kommenden Stellen des Plandokuments überhaupt als Verordnungsbestimmungen qualifiziert werden können. Er hegt diesbezüglich aus den gleichen wie den im Erk. VfGH 14.10.1986, V50/86, dargelegten Gründen Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes im wiedergegebenen Punkt II Z1."

III. Der Gemeinderat der Stadt Wien erstattete eine Äußerung und führte im wesentlichen folgendes aus:

"Das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen wird nicht bestritten.

Ob die Zeichenerklärung zum Plandokument Nr. 5640 Interessenten gleichzeitig mit den sonstigen Teilen dieser V ausgefolgt wurde, ist nachträglich nicht mehr feststellbar. Grundsätzlich wurden die Zeichenerklärungen von der mit dem Verkauf der Plandokumente befaßten Magistratsabteilung 20 auf Verlangen der Interessenten kostenlos den Plandokumenten beigelegt. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, weil viele Käufer von Plandokumenten bereits über Zeichenerklärungen verfügten.

Die Abgabe der Zeichenerklärung zu dem Plandokument Nr. 5640 ist damit in einer Art erfolgt, die nach dem Erkenntnis des VfGH vom 14. Oktober 1986, V50/86-14, die Annahme der gehörigen Kundmachung ausschließt. Der erwähnte Kundmachungsmangel ist jedoch derzeit nicht mehr gegeben. Auf Grund des Erkenntnisses vom 14. Oktober 1986 wurden sofort Maßnahmen ergriffen, die sicherstellen, daß Plandokumente nicht mehr ohne gleichzeitige Abgabe der Zeichenerklärung an Interessenten ausgefolgt werden können.

Ab dem 1. Jänner 1987 wird die Zeichenerklärung mit dem Plandokument fest verbunden und ein Rundsiegel teils auf den Plan, teils auf die Zeichenerklärung aufgedrückt. Vom Käufer wird die schriftliche Bestätigung des Empfanges sowohl des Plandokumentes, als auch der zugehörigen Zeichenerklärung gefordert.

Von den beschriebenen Maßnahmen ist auch das Plandokument Nr. 5640 betroffen. Spätestens ab dem 1. Jänner 1987 liegt somit eine vollständig in gesetzmäßiger Weise (§1 Abs3 der Bauordnung für Wien) kundgemachte V vor. Die Heilung des Kundmachungsmangels wirkt zwar nicht zurück, hat aber zur Folge, daß auf Grund des eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens allenfalls auszusprechen wäre, Teile der V des Gemeinderates der Stadt Wien vom 23. September 1985, Pr.Zl. 2822/85 (Plandokument Nr. 5640), seien gesetzwidrig gewesen."

IV. Der VfGH hat erwogen:

1. Die - auch vom Gemeinderat nicht in Zweifel gezogenen - Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens sind gegeben.

2. Die Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich im Ergebnis als gerechtfertigt.

Der VfGH bleibt auf dem im Erk. V50/86 vom 14. Oktober 1986 eingenommenen Standpunkt. Wie der Gemeinderat selbst einräumt, ist die Abgabe der Zeichenerklärung zum PD 5640 an die Interessenten in einer Art erfolgt, die nach dem eben zitierten hg. Erkenntnis die Annahme der gesetzmäßigen Kundmachung ausschließt. Die in Prüfung genommene Verordnungsstelle ist sohin mit der im Einleitungsbeschluß (unter Bezugnahme auf das Erk. V50/86) dargelegten Gesetzwidrigkeit belastet.

Der VfGH stimmt dem Gemeinderat aber auch darin zu, daß die in der Äußerung geschilderten Maßnahmen ab 1. Jänner 1987 eine gesetzmäßige Kundmachung bewirkte. Hiedurch erscheint die Gesetzwidrigkeit, welche dem zweiten Satz im Punkt II Z1 der V anhaftete, ab diesem Zeitpunkt geheilt, wobei der Gerichtshof in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Aktenlage des Verordnungsgebungsverfahrens annimmt, daß die Zeichenerklärung anläßlich der Beschlußfassung des Gemeinderates über das Plandokument mitbeschlossen wurde.

3. Es war aus den dargelegten Gründen auszusprechen, daß die in Prüfung genommene Verordnungsstelle bis zum Ablauf des 31. Dezember 1986 gesetzwidrig war.

Die Verpflichtung der Wiener Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs ist in Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG begründet.

4. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Planungsakte Verfahren, Verordnung Kundmachung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V87.1986

Dokumentnummer

JFT_10129693_86V00087_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten