TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/9 V81/86

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Veröffentlicht am 09.03.1987
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
Verordnung der BH Bludenz vom 18.1.1985. ZIII-V/600 A/85, mit der auf der Arlberg-Schnellstraße S 16 "im Gemeindegebiet von Dalaas und Klösterle zwischen 100 m östlich des Dalaaser Tunnels und dem Westportal des Großtobeltunnels" das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h in beiden Fahrtrichtungen verboten wurde
StVO §43 Abs1 litb

Leitsatz

Verordnung der BH Bludenz vom 18.1.1985 betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen; einem Anlaßfall (Art140 Abs7 B-VG) gleichzuhaltender Fall; Gesetzwidrigkeit der V infolge Aufhebung der materiellen Grundlage der V (§43 Abs1 litb StVO 1960) als verfassungswidrig mit Erk. des VfGH; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der V

Spruch

Die V der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 18. Jänner 1985, ZIII-V/600 A/85, "betreffend die Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Umfahrungsstraße von Bludenz der A 14, auf der S 16, Arlberg-Schnellstraße, und auf der B 316 im Gemeindegebiet von Bürs, Bludenz, Innerbraz, Dalaas und Klösterle" war gesetzwidrig.

Die Vorarlberger Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 24. März 1986 wurde über den Beteiligten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt, weil er am 3. September 1985 um 15.14 Uhr als Lenker eines Personenkraftwagens auf der Arlberg-Schnellstraße S 16 in Klösterle-Danöfen bei km 36,5 in Fahrtrichtung Arlberg die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten habe. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter B438/86 protokollierte Beschwerde, in welcher insbesondere geltend gemacht wird, daß die herangezogene

V aus näher dargelegten Gründen gesetzwidrig sei.

Die V lautet:

"V e r o r d n u n g

betreffend die Erlassung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Umfahrungsstraße von Bludenz der A 14, auf der S 16, Arlberg-Schnellstraße, und auf der B 316 im Gemeindegebiet von Bürs, Bludenz, Innerbraz, Dalaas und Klösterle.

Im Interesse der Sicherheit des sich bewegenden Verkehrs sowie der Lage, Widmung und Beschaffenheit des an der Straße gelegenen Gebietes wird gemäß §43 Abs1 litb Z. 1 in Verbindung mit §94b litb StVO. 1960, BGBl. Nr. 159/1960 in der derzeit geltenden Fassung, für die Dauer eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieser V und nach Anhörung des Straßenerhalters gemäß §98 dieses Gesetzes verordnet:

Auf der Umfahrungsstraße von Bludenz der A 14, auf der S 16, Arlberg-Schnellstraße, und auf der B 316 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h

a)       Im Gemeindegebiet von Bürs, Bludenz und Innerbraz

         zwischen km 56,8 und 100m westlich der Einmündung der

         L 97, Klostertalerstraße,

b)       im Gemeindegebiet von Dalaas und Klösterle zwischen

         100 m östlich des Dalaaser Tunnels und dem Westportal

         des Großtobeltunnels

in beiden Fahrtrichtungen v e r b o t e n ."

Die V wurde am 9. April 1985 rechtswirksam und trat mit Ablauf des 9. April 1986 außer Kraft.

2. Aus Anlaß der Beschwerdesache B438/86 leitete der VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der litb der V der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 18. Jänner 1985, Zl. III-V/600 A/85, ein.

3. Im Einleitungsbeschluß wurde folgendes ausgeführt:

"Der VfGH hat mit dem Erkenntnis vom 27. Juni 1986 G 80, 84, 111/86-8, G121-124/86-7, §43 Abs1 litb der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 idF der Nov. BGBl. Nr. 412/1976 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1987 in Kraft. Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, das zur Aufhebung der angeführten Bestimmung der StVO geführt hat, fand am 26. Juni 1986 statt.

Die vorliegende Beschwerde ist beim VfGH am 14. Mai 1986 - also noch vor der Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren - eingelangt.

Da dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) alle jene Fälle gleichzuhalten sind, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig geworden sind (vgl. VfGH 9. 10. 1985 B168/85), ist die vorliegende Beschwerde einem Beschwerdefall gleichzuhalten, aus dessen Anlaß das Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §43 Abs1 litb StVO von Amts wegen eingeleitet wurde. Wie durch die Aufhebung des §43 Abs1 litb StVO mit dem angeführten Erkenntnis die gesetzliche Grundlage für die bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide in den Anlaßbeschwerdefällen angewendeteten Verordnungen weggefallen sind, so ist auch im vorliegenden Beschwerdefall davon auszugehen, daß die gesetzliche Grundlage für die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendete V der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 18. Jänner 1985 gefehlt hat.

Gegen die Gesetzmäßigkeit dieser V besteht daher das Bedenken, daß sie einer gesetzlichen Grundlage entbehrt."

Im Verordnungsprüfungsverfahren hat die Vorarlberger Landesregierung mitgeteilt, daß sie "im Hinblick auf die Rechtsprechung des VfGH zu Art140 Abs7 B-VG (`Anlaßfall')" von einer Äußerung absieht.

Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz führt in ihrer Äußerung aus, daß die V in §43 Abs1 litb StVO 1960 ihre gesetzliche Deckung gefunden habe.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig.

Die in Prüfung stehende V hat eine der Rechtsgrundlagen des angefochtenen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden - Berufungsbescheides gebildet. Sie ist demnach auch bei Fällung des Erkenntnisses über die vom Beteiligten ergriffene Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG anzuwenden und somit in dieser Beschwerdesache präjudiziell im Sinne des Art139 Abs1 B-VG.

2. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist nicht hervorgekommen, daß das im Einleitungsbeschluß angenommene Bedenken, die in Prüfung gezogene V sei mangels einer gesetzlichen Grundlage gesetzwidrig, widerlegt werden könnte.

Da diese V einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, mit Ablauf des 9. April 1986 außer Kraft getreten ist und daher dem Rechtsbestand nicht mehr angehört, hatte der VfGH gemäß Art139 Abs4 iVm Art139 Abs3 lita B-VG auszusprechen, daß die V zur Gänze gesetzwidrig war.

3. Die Verpflichtung der Vorarlberger Landesregierung zur Kundmachung erfließt aus Art139 Abs5 B-VG.

4. Dieses Erkenntnis konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V81.1986

Dokumentnummer

JFT_10129691_86V00081_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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