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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §62 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen die Beschwerde des WF, Graz, gegen die Beschwerdekommission beim Bundesministerium für Inneres, wegen des Bescheides vom 10. Jänner 1950, BK. 20/49, betreffend Verzeichnung in den besonderen Listen der Nationalsozialisten
Spruch
zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen
Begründung
Mit Bescheid vom 10. Juni 1947 hat der Landeshauptmann von Steiermark dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen seine Verzeichnung als Mitglied der NSDAP vom September 1933 bis Juli 1937 Folge gegeben und entschieden, dass der Beschwerdeführer gemäss § 4 Abs. 5 lit. c VerbG 1947 von der Verzeichnung ausgenommen ist, weil er sich während der NS-Gewaltherrschaft aus politischen Gründen 55 Tage in Polizeihaft befunden hatte. Nachdem dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen war, beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil er in Kenntnis neuer Tatsachen und Beweise gelangt sei, aus denen sich ergebe, dass er der NSDAP auch in den Jahren 1933 und 1937 nicht als Mitglied angehört habe. Zum Verständnis seines Begehrens brachte er vor, dass auf ihn wegen der angeblichen Mitgliedschaft bei der NSDAP in den Jahren 1933 bis 1937 die Übergangsbestimmungen des XVII. Hauptstückes, Abschnitt II des NS-Gesetzes Anwendung fänden und daher seine im Oktober 1945 verfügte Entlassung aus dem Dienste bei der Wechselseitigen Versicherungsanstalt mit der Massgabe in Kraft bleibe, dass die Entlassung lediglich in eine Kündigung umgewandelt werde. Aus diesem Grunde stellte er das Begehren, zu entscheiden, dass er weder nach dem Verbotsgesetz 1945 noch nach dem VerbG 1947 registrierungspflichtig sei.
Diesen Wiederaufnahmsantrag hat der Landeshauptmann mit Bescheid vom 9. November 1948 zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer die Berufung ein, die von der Beschwerdekommission mit Bescheid vom 15. Februar 1949 als unbegründet und den Gesetzen wiedersprechend zurückgewiesen wurde.
In der Begründung führte die Beschwerdekommission aus: Da aus einem Bericht der Polizeidirektion Graz hervorgehe, dass der Beschwerdeführer im Jahre 1934 mit 8 Wochen und im Jahre 1935 mit 6 Monaten Arrest wegen nationalsozialistischer Betätigung abgestraft worden sei, wäre seine Behauptung widerlegt, er sei niemals Mitglied der NSDAP gewesen. Weiters fährt die Begründung fort: "Dieser Bescheid ist nach dem Verbotsgesetz rückwirkend und gilt MF heute überhaupt nicht als Nationalsozialist, weshalb alle im Verbotsgesetz in den einzelnem Hauptstücken ausgesprochenen Einschränkungen für ihn keine Wirksamkeit haben." Auf Antrag der ehemaligen Dienstgeberin des Beschwerdeführers hat die Beschwerdekommission mit Bescheid vom 10. Jänner 1950 diesen Absatz des Bescheides vom 15. Februar Grad 1949 unter Anrufung des § 68 Abs. 2 AVG. durch die Worte ergänzt "soweit nicht die hiezu erlassenen Übergangsbestimmungen etwas anderes besagen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die eine inhaltliche Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet. Die belangte Behörde hat die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Spruch des angefochtenen Bescheides führt im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG. als angewendete Gesetzesbestimmung den § 68 Abs. 2 AVG an. Nach dieser Bestimmung können Bescheide aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, aufgehoben oder abgeändert werden. Unter Anrufung des § 68 Abs. 2 AVG kann aber nur der Spruch und nicht die Begründung geändert werden, weil der Spruch das wesentliche Merkmal eines Bescheides ist. Die Begründung kann unter Umständen gem. § 62 Abs. 4 AVG berichtigt werden, wenn es sich um Schreib- oder Rechenfehler oder andere offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten handelt. Die Änderung der Begründung eines Bescheides unter Anrufung des § 68 Abs. 2 AVG begründet daher eine Gesetzwidrigkeit des Inhaltes. Nun bedeutet aber nicht jede Gesetzwidrigkeit des Inhaltes eines Bescheides eine Gesetzwidrigkeit, die zur Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt. Nach Art. 131 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Behauptung der Rechtsverletzung muss in der Möglichkeit einer Rechtsverletzung ihre Grundlage finden. Durch den angefochtenen Bescheid vom 10. Jänner 1950 wurde die Begründung des Bescheides vom 15.Februar 1949 geändert. Da sich die materielle Rechtskraft eines Bescheides lediglich an den Spruch (in Verbindung mit dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt) nicht aber an die auf den Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage knüpft, blieb der Gegenstand der materiellen Rechtskraft des Bescheides vom 15. Februar 1949, d. i. der im Bescheid enthaltene Abspruch über die betreffende Sache, unberührt. Die vorliegende Beschwerde gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1950, mit dem die Begründung des Bescheides vom 15. Februar 1949 geändert wurde, ist daher nicht anders zu behandeln, als wenn sie sich gegen die Begründung des Bescheides vom 15. Februar 1949 wendete. Ein Ausspruch in dem Teil der Begründung eines Bescheides, der die Beurteilung der Rechtsfrage enthält, kann nun den Beschwerdeführer nicht verletzen. Für die materielle Rechtskraftwirkung des Bescheides vom 15. Februar 1949, womit die Berufung gegen den einen Wiederaufnahmsantrag abweisenden Bescheid zurückgewiesen wurde, ist es belanglos, ob die darin ausgesprochene Rechtsansicht durch den Hinweis auf allfällige Übergangsbestimmungen (des NS-Gesetzes) eingeschränkt wird oder nicht. Denn die materielle Rechtskraftwirkung eines über die Verzeichnung in den besonderen Listen der Nationalsozialisten absprechenden Bescheides erstreckt sich gemäss § 7 Abs. 2 VerbG 1947 nur auf die verzeichneten und vermerkten Umstände, nicht aber auf in der Begründung geäußerte Rechtsansichten über die Rechtsfolgen einer Verzeichnung.
Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit, in einem Recht nicht verletzt sein kann, war die Beschwerde in Übereinstimmung mit dem Beschluss des verstärkten Senates vom 23. April 1948, Slg. Anhang Nr. 9 gemäss § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen.
Wien, am 31. März 1951
Schlagworte
Zulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der BefugnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1951:1950000516.X00Im RIS seit
07.05.2008Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008