TE Vwgh Erkenntnis 1951/12/17 2276/50

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Veröffentlicht am 17.12.1951
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §76 Abs2;
BauO Wr §129 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Ehrhart als Vorsitzenden und die Räte Dr. Werner, Dr. Borotha, Dr. Vejborny und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Landesregierungsrates Dr. Riemer als Schriftführer, über die Beschwerde der H in New-York gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 29. August 1950, Zl. M.Abt. 64/493/50, betreffend Vorschreibung des Ersatzes von Barauslagen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Gesetzwidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Die der Beschwerdeführerin gehörige Baulichkeit auf der Liegenschaft Wien II., F-gasse 6, brannte durch Kriegseinwirkung aus und stürzte in der Folgezeit zum Teil ein. Die Hauseigentümerin wurde mit dem Bescheid des Wiener Magistrates - M.Abt. 36 vom 25. März 1946 gemäss § 129 Abs.,4 der BauO für Wien beauftragt, binnen 4 Wochen nach Erhalt des Bescheides die Gebäudereste durch Abtragung oder Sprengung zu beseitigen und die Strasse von den Schuttmassen freimachen zu lassen. Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid erwuchs zwar in Rechtskraft, doch wurden die aufgetragenen Arbeiten nicht durchgeführt. Am 17. Dezember 1946 fand an Ort und Stelle eine vom Wiener Magistrat - Abt. 35durchgeführte kommissionelle Ortsverhandlung statt, deren Gegenstand nach der Verhandlungsschrift der "Antrag der Sprengunternehmung JK, VI., M-gasse 32, auf Genehmigung von Sprengarbeiten" auf der gegenständlichen Liegenschaft bildete. Die Verhandlung ergab, dass die Hausruine einsturzgefährlich war und wegen des Arbeitsbeginnes an der Franzensbrücke dringend beseitigt werden musste. Durch Bescheid vom 17. Dezember 1946 wurden die beantragten Sprengungen gemäss § 123 Abs. 7 der BauO für Wien unter den im Bescheid enthaltenen Auflagen für zulässig erklärt. Bei der Ortsverhandlung war namens der Beschwerdeführerin der Hausverwalter Kl. erschienen. Er erklärte, mit der Sprengung einverstanden, doch mangels der erforderlichen Mittel nicht in der Lage zu sein, die Sprengungskosten zu bezahlen. Aus einer Rechnung, die die Bau- und Sprengunternehmung JK gelegt hatte, geht hervor, dass die Sprengarbeiten im Auftrag "der Gemeinde Wien, Mag.Abt. 35 (Baupolizei) am 7. Jänner 1947 durchgeführt wurden und dass hiefür Kosten im Betrage von S 9.352.-- aufliefen. Mit Bescheid vom 27. November 1949 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 6 der BauO für Wien und gemäß § 76 AVG bzw. § 3 VVG beauftragt, dem Magistrat der Stadt Wien die mit S 9.352,-- festgestellten Kosten zu erstatten, überdies die gesetzlichen Säumniszinsen in der Höhe von 4 % ab 17. März 1947 sowie einen Unkostenbeitrag in Höhe von 1einhalb% zu bezahlen. Der dagegen eingebrachten Berufung gab die Wiener Landesregierung keine Folge. Die Begründung des Berufungsbescheides nimmt auf § 129 Abs. 6 der BauO für Wien Bezug, wonach die Baubehörde bei Gefahr im Verzuge auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Maßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers anordnen und sofort vollstrecken lassen kann. Die Voraussetzungen zu einem Einschreiten nach dieser Gesetzesstelle seien gegeben gewesen, da der Zustand der Baulichkeit ein solcher gewesen wäre, dass ein Stehenbleiben derselben aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nicht mehr gerechtfertigt werden konnte.

Die vorliegende Beschwerde legt dem angefochtenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung inhaltliche Gesetzwidrigkeit und Gesetzwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Last. Die Baubehörde erster Instanz hat der Beschwerdeführerin den Kostenersatz unter Berufung auf § 76 AVG, § 129 Abs. 6 der BauO, für Wien und § 3 VVG auferlegt. Die belangte Behörde hat diese Vorschreibung aufrecht erhalten, in der Begründung des Bescheides aber zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten aus einer Amtshandlung erwachsen sind, die gemäss § 129 Abs. 6 der BauO für Wien vorgenommen wurde. Der Gerichtshof hat nun in seiner einschlägigen Rechtsprechung die rechtliche Möglichkeit einer gleichzeitigen Bezugnahme auf § 129 Abs. 6 der BauO und § 76 (richtig § 76 Abs. 2) AVG verneint. Die Berufung auf § 76 AVG greift nur dann Platz, wenn die Tragung der der Behörde erwachsenen Barauslagen nicht durch eine Sondervorschrift geregelt ist. (vgl. z. B. Erkenntnis von 26. Juni 1950, Zl. 335/49). Eine Sonderregelung findet sich sowohl in Ansehung der Barauslagen, die anlässlich der Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages durch die Ersatzvornahme entstehen, als auch hinsichtlich der Barauslagen, die aus Akten der Notstandspolizei in Bauangelegenheiten der Behörde erwachsen. Die bezüglichen Vorschriften finden sich für den Bereich des Vollstreckungsverfahrens in den §§ 11 und 3 VVG, für den Bereich der Notstandspolizei in Bauangelegenheiten im § 129 Abs 6 der BauO für Wien. Die Bezugnahme auf § 76 Abs. 2 AVG erweist sich daher als gesetzwidrig. Aber auch die Stützung der Kostenvorschreibung auf § 3 VVG. Unter dem Gesichtspunkte der Kosten einer Ersatzvornahme erweist sich als gesetzwidrig, weil die Vollstreckung des Bescheides vom 17. Dezember 1946 durch die Ersatzvornahme weder durch einen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz erlassenen Bescheid angedroht noch die Durchführung der Ersatzvornahme bescheidmäßig verfügt wurde. Was endlich die Berufung auf § 129 Abs. 6 der BauO. für Wien betrifft, so will diese besagen, dass es sich um die Vorschreibung von Barauslagen handelt, die durch notstandspolizeiliche Maßnahmen entstanden. Ein solcher Bescheid stellt sich aber als ein Verwaltungsakt dar, der in Vollziehung der Bauordnung ergangen ist. Zur Entscheidung über dagegen eingelegte Rechtsmittel ist nicht die Landesregierung sondern die Bauoberbehörde für Wien zuständig. Die Landesregierung war daher nicht befugt, über die eingebrachte Berufung abzusprechen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (§ 42 Abs. 2 lit. b VwGG).

Wien, am 17. Dezember 1951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1951:1950002276.X00

Im RIS seit

18.10.2002

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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