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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Aufhebung der Buchstaben "a," und "e," in §31 Abs1 lita GerichtsgebührenG 1984 als verfassungswidrig - Anwendung dieser Gesetzesstellen offenkundig nachteilig; §10 Z2 hinreichend determiniert; keine Gleichheitsbedenken gegen das durch das GGG eingeführte System der Gerichtsgebühren; kein Kostenzuspruch an das bf. Land, da die Vertretung des Landes durch einen Rechtsanwalt nur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich warSpruch
Die Bf. sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu B696/85, B61/86 und B170/86 zu Handen ihrer Vertreter die mit je (pro Beschwerde) S 11.000,-bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Dem zu B675/85 bf. Land Oberösterreich werden Kosten nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Zahlungsauftrag des Kostenbeamten beim Landesgericht Linz wurden dem Land Oberösterreich und dessen Rechtsvertreter Dr. H W Gerichtsgebühren nach Tarifpost 1 des 3BG vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz - GGG), BGBl. 501, in der Höhe von S 1,435.452,-- sowie ein Mehrbetrag samt Einhebungsgebühr von S 717.746,-- vorgeschrieben.
Der Präsident des Landesgerichtes Linz gab mit Bescheid vom 6. August 1985 einem dagegen eingebrachten Berichtigungsantrag des Landes Oberösterreich nicht statt. Dem ebenfalls eingebrachten Berichtigungsantrag des Dr. W gab der Präsident des Landesgerichtes teilweise statt und berichtigte den Zahlungsauftrag dahingehend, daß Dr. W nur mit dem Teilbetrag von S 10.000,-- des Mehrbetrages mit dem Land Oberösterreich als Bürge und Zahler hafte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim VfGH zu B675/85 protokollierte Beschwerde, in welcher sich das Land Oberösterreich in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet, die Prüfung des §10 Z2 und des §31 Abs1 GGG auf ihre Verfassungsmäßigkeit anregt und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
2. Mit Zahlungsauftrag des Kostenbeamten beim Landesgericht Linz wurden dem W Lesezirkel, Buchhandlung und Zeitungsbüro M Gerichtsgebühren nach Tarifpost 4 lita GGG in der Höhe von S 250,-- sowie ein Mehrbetrag samt Einhebungsgebühr von
S 145,-- vorgeschrieben.
Der Präsident des Landesgerichtes Linz gab mit Bescheid vom 7. August 1985 einem dagegen von der genannten Gesellschaft eingebrachten Berichtigungsantrag nicht Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim VfGH unter B696/85 protokollierte Beschwerde, in welcher sich die bf. Gesellschaft wegen "Rechtswidrigkeit" des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, insbesondere wegen Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlagen dieses Bescheides verletzt erachtet und dessen Aufhebung beantragt.
3. Mit Zahlungsauftrag des Kostenbeamten beim Landesgericht Eisenstadt wurde der D Wirtschaftstreuhand Gesellschaft m.b.H. und deren Rechtsvertreter Dr. J P ein Mehrbetrag nach §31 Abs1 lita GGG in der Höhe von S 2.500,-vorgeschrieben.
Der Präsident des Landesgerichtes Eisenstadt hat mit Bescheid vom 5. Dezember 1985 einem dagegen eingebrachten Berichtigungsantrag der Zahlungspflichtigen nicht stattgegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim VfGH unter B61/86 protokollierte Beschwerde, in welcher sich die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (wegen Verfassungswidrigkeit des §31 GGG) verletzt erachten und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragen.
4. Mit Zahlungsauftrag des Kostenbeamten beim Bezirksgericht Innsbruck wurde Dr. A F wegen einer nicht rechtzeitig entrichteten Pauschalgebühr nach Tarifpost 4 GGG ein Mehrbetrag gemäß §31 Abs1 lita GGG in der Höhe von S 500,-sowie eine Einhebungsgebühr von S 20,-- vorgeschrieben.
Der Präsident des Landesgerichtes Innsbruck hat mit Bescheid vom 2. Jänner 1986 einem dagegen eingebrachten Berichtigungsantrag des Dr. A F nicht stattgegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim VfGH unter B170/86 protokollierte Beschwerde, in welcher sich der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (wegen Verfassungswidrigkeit des §31 GGG) verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat am 3. Oktober 1986 beschlossen, die Buchstaben "a," und "e," in §31 Abs1 lita des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), BGBl. 501/1984, u.a. aus Anlaß der vier oben genannten Beschwerdeverfahren gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen und hat mit Erkenntnis vom 11. März 1987, G257/86 ua., die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen als verfassungswidrig aufgehoben.
III. 1. Daraus folgt, daß die bel. Beh. bei der Vorschreibung der Mehrbeträge ein verfassungswidriges Gesetz anwendete. Es ist nach Lage der Fälle offenkundig, daß sich diese Gesetzesanwendung für die Bf. als nachteilig erweist. Demnach ist auszusprechen, daß die Bf. durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden sind; die Bescheide sind somit aufzuheben.
2. Zum Vorbringen in den Beschwerden bleibt noch folgendes zu bemerken:
Hinsichtlich der Bestimmung des §10 Z2 GGG (dessen Begriff des "öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises" den Beschwerdeführern zu B675/85 im Hinblick auf Art18 B-VG nicht hinreichend determiniert erscheint) hat der VfGH aus folgenden Erwägungen kein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet:
Der VfGH hat die Bestimmung des §10 GJGebG 1962 in den Erkenntnissen VfSlg. 5909/1969 und 8137/1977
- allerdings unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet. Anhand dieser Judikatur zeigt sich aber auch, daß die Auslegung des Begriffes "öffentlich-rechtlicher Wirkungskreis" in §10 Z2 GGG einer Überprüfung durch die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglich ist (s. insbesondere VfSlg. 5909/1969, S 105 sowie VwGH 6.3.1975 Z2205/74). Von einer nicht hinreichenden Determinierung kann somit nicht die Rede sein.
Auch hinsichtlich des durch das GGG eingeführten neuen Systems der Gerichtsgebühren hat der VfGH - soweit dieses in den zu B675/85 und B696/85 protokollierten Fällen präjudiziell ist - im Hinblick auf seine Rechtsprechung zur sachlichen Rechtfertigung von Gerichtsgebühren (der Gesetzgeber kann auch eine "gröbere Regelung" treffen, s. VfSlg. 8597/1979, S 511), im Hinblick auf die Ausführungen und Berechnungen zu Tarifpost 1 im Bericht des Justizausschusses (454 Bl.Nr. XVI GP, S 3 und 4) sowie im Hinblick auf die damit verbundene erhebliche Verwaltungsvereinfachung keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je
S 1.000,-- enthalten. Die Vertretung des Landes Oberösterreich durch einen Rechtsanwalt war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, weshalb in diesem Fall Kosten nicht zuzusprechen sind.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B675.1985Dokumentnummer
JFT_10129684_85B00675_00