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Verwaltungsverfahren - VVGNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Rat Dr. Werner als Vorsitzenden und die Räte Dr. Borotha, Dr. Porias, Dr. Kaniak und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hezina als Schriftführer, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach Dr. Ing. JU, vertreten durch die erbserklärten Erben Dr. Ing. FU, VO, Dr. AU und Dipl. Ing. EU, gegen die Wiener Landesregierung (Bescheid des Wiener Magistrates -
Abt. 64 als Amt der Wiener Landesregierung im selbstständigen Wirkungsbereich vom 26. September 1952, Zl. B XV - 27/52), betreffend Vorschreibung der Kosten der Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages durch Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Wiener Magistrat hatte den Eigentümern des Hauses Wien, Ustrasse 29, A und OM, mit Bescheid vom 15. November 1949, Zl. M.Abt.37 - XV - 2062/49, gemäss § 4 a des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 5/47, die Instandsetzung der schadhaften Dacheindeckung und der schadhaften Rauchfangköpfe aufgetragen. Als der Auftrag in Rechtskraft erwachsen war, kam es infolge der Säumnis der verpflichteten Hauseigentümer zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens und Ausführung der aufgetragenen Herstellungen im Wege der Ersatzvornahme (Vollstreckungsverfügungen des Wiener Magistrates - Abt.64 vom 7. November 1950 und vom 11. Mai 1951). Auch während des Vollstreckungsverfahrens und der Durchführung der Arbeiten durch die von der Vollstreckungsbehörde bestellten Organe waren die Genannten Eigentümer des Hauses. Am 30. Juni 1951 wurde die Liegenschaft der Verlassenschaft nach Dr. Ing. JU im Zuge einer Zwangsversteigerung zugeschlagen. Die durch die Ersatzvornahme erwachsenen Kosten (S 41.081,72) einschliesslich eines Unkostenbeitrags in der Höhe von 1,5 % wurden der Verlassenschaft nach Dr. Ing. HU mit Bescheid des Wiener Magistrates - Abteilung 25 vom 17. Jänner 1952 gemäss § 11 Abs. 1 VVG und § 76 AVG zur Zahlung vorgeschrieben. Der dagegen eingebrachten Berufung, in der die Zahlungspflicht bestritten wurde, weil die verpflichtete Verlassenschaft zur Zeit der Durchführung des baubehördlichen Verfahrens und der Ersatzvornahme noch nicht Eigentümerin der Liegenschaft gewesen sei und weil überdies der Magistrat die voraussichtlichen Kosten bei der Meistbotverteilung angemeldet habe, hat die Wiener Landesregierung zufolge Beschlusses vom 23. September 1952 keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid wurde jedoch dahin abgeändert, dass der Auftrag zur Entrichtung eines Unkostenbeitrages zu entfallen hatte. Hievon wurde die beschwerdeführende Verlassenschaft mit der als Berufungsbescheid bezeichneten Erledigung des Wiener Magistrates - Abt.64 vom 26. September 1952 in Kenntnis gesetzt.
In der vorliegenden Beschwerde wird die Verpflichtung des gegenwärtigen Hauseigentümers zur Zahlung der Kosten des Vollstreckungsverfahrens wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Hierüber hat der Gerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin bekämpft zunächst den angefochtenen Berufungsbescheid mit dem Einwand, dass es die Behörde unterlassen habe, im Spruch des Bescheides eine bestimmte Person (die Beschwerdeführer) als Partei zu bezeichnen. Ein Bescheid könne nicht anonym gegen einen Eigentümer einer Liegenschaft lauten und dann beliebig in Zukunft gegen jede Person in Vollzug gesetzt werden, welche irgend einmal Eigentümer der Liegenschaft werden sollte. Die Zustellungsverfügung ersetze nicht den notwendigen Inhalt des Spruches. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Bescheides zu erweisen. Aus dem Spruch des Bescheides vom 17. Jänner 1952, durch den der Eigentümer der Liegenschaft verpflichtet wurde, die Kosten der Vollstreckung zu ersetzen, und der Zustellungsverfügung, in der die Verlassenschaft nach Dr. Ing. HU ausdrücklich genannt wird, geht eindeutig hervor, dass die Behörde von der Auffassung ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Heranziehung zur Kostentragung Eigentümer der Liegenschaft gewesen ist. Da dieser Sachverhalt von der beschwerdeführenden Verlassenschaft nicht in Abrede gestellt wird, kann nicht gesagt werden, dass der Behörde bei der Ermittlung des Sachverhaltes (Eigentümer der Liegenschaft) ein Fehler unterlaufen wäre. Im übrigen ist es auch kein Verstoss gegen die Vorschrift des § 59 AVG, wenn die Behörde im Spruch zwar den Verpflichteten zunächst abstrakt bezeichnet (Eigentümer der Liegenschaft), dann aber erst in der Zustellungsverfügung diejenige physische oder juristische Person benennt, auf welche sich der Spruch bezieht; denn man kann nicht sagen, dass durch eine solche Erfassung der Person des zu einer Leistung Verpflichteten das im Spruch des Bescheides zu begründende Rechtsverhältnis (Leistungspflicht) nicht klar zum Ausdruck kommen würde und somit die in Verhandlung stehende Angelegenheit unerledigt geblieben wäre. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin selbst durch die Erhebung der Berufung im Verwaltungsverfahren sowie durch die Einbringung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel darüber gelassen, dass sie über die ihre Person betreffende Wirkung des Bescheides im klaren ist.
Eine weitere Rechtswidrigkeit des Bescheides erblickt die Beschwerdeführerin in dem Umstand, dass das gegen die Vorgänger im Eigentum der Liegenschaft eingeleitete Verwaltungsverfahren - die Beschwerdeführerin meint offenbar die im Zuge des Vollstreckungsverfahrens vorgenommene Androhung und Anordnung der Ersatzvornahme - abgebrochen wurde und der Bescheid über die Kostentragung einer ganz neuen, im Verfahren bisher unbekannten Person zugestellt wurde. Dieser Vorgang sei ungesetzlich. Jede Partei müsse vor der Verwaltungsbehörde Gelegenheit haben, sich gegen alle Verfügungen wehren zu können. Sie habe Anspruch darauf, den Gang des Verfahrens mitzuerleben, das Ermittlungsverfahren mitzumachen und alle das Exekutionsverfahren betreffenden Bescheide zugestellt zu erhalten. Aus einem gegen andere Personen sich ergebenden verwaltungsrechtlichen Exekutionstitel könne nicht gegen aktfremde dritte Personen Exekution geführt werden. Die Beschwerdeführerin ist mit diesem Vorbringen im Recht. Der Gerichtshof hat zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung die Rechtsansicht vertreten, dass die Verpflichtungen des Hauseigentümers, die in der Bauordnung oder den Verfügungen der Baubehörde begründet sind, auf der Liegenschaft haften und durch Veränderungen im Eigentum nicht berührt werden. Aus diesem Grundsatz müsse abgeleitet werden, dass die Kosten, die durch die Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages im Wege der Ersatzvornahme entstanden sind, den jeweiligen Eigentümer belasten. Liege daher zwischen dem Zeitpunkt der Vornahme der Arbeiten im Wege der Ersatzvornahme und der Heranziehung des Eigentümers zur Kostentragung ein Eigentumswechsel, dann hätte sich die Behörde an den neuen Eigentümer zu halten. Von dieser Rechtsauffassung ist aber der Gerichtshof anlässlich der Erledigung, der vorliegenden Beschwerde auf Grund des Beschlusses des verstärkten Senates vom 29. März d.J. abgegangen. Er vertritt nunmehr die Auffassung, dass dem Eigentümer eines Hauses die Kosten der Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages im Wege der Ersatzvornahme gemäss § 11 Abs. 1 VVG dann nicht auferlegt werden können, wenn er zur Zeit der Durchführung der Ersatzvornahme noch nicht Eigentümer der Liegenschaft gewesen ist. Massgebend für diese Rechtsansicht war die Erwägung, das die auf der Liegenschaft haftende und daher jeden Eigentümer treffende Verpflichtung zur Behebung von Baugebrechen, sich im Augenblick der Bewerkstelligung der ausständigen Leistung im Wege der Ersatzvornahme in eine Verpflichtung zum Ersatz der Vollstreckungskosten umwandelt. Diese obliegt dem Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 VVG), als welcher nur diejenige Person in Betracht kommt, welche zur Zeit der Durchführung der Ersatzvornahme Eigentümer der Liegenschaft ist. Die so genannte dingliche Wirkung des baupolizeilichen Auftrages erlischt im Zeitpunkt der Beendigung der Ersatzvornahme unter Zugrundelegung dieser Auffassung erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weshalb er gemäss § 42 Abs. 2 lit. a VwGG.1952 aufgehoben werden musste.
Wien, 28. April 1954
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1954:1952002817.X00Im RIS seit
10.09.2021Zuletzt aktualisiert am
23.02.2022