TE Vwgh Erkenntnis 1956/4/19 2861/52

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Veröffentlicht am 19.04.1956
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Index

65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

PG 1921 §63;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Eichler als Vorsitzenden und die Räte Dr. Chamrat, Dr. Umshaus, Dr. Dorazil und Dr. Naderer als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Skorjanec als Schriftführer, über die Beschwerde der A K in Wien gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom 25. September 1952, Zl. 46.202- 23/52, betreffend Versorgungsanspruch, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der mit 30. November 1922 als Militäroberintendant I. Klasse in den Ruhestand getretene Gatte der Beschwerdeführerin, H K, hatte im Jahre 1903 mit M J die Ehe geschlossen. Nachdem diese Ehe auf einverständliches Begehren beider Ehegatten mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neubau in Wien vom 6. Februar 1925 von Tisch und Bett geschieden worden war, ehelichte H K noch im selben Jahr die Beschwerdeführerin mit Nachsicht vom Ehehindernis des bestehenden Ehebandes. Am 9. August 1932 schlossen seine erste Gattin und die Beschwerdeführerin in Form eines Notariatsaktes ein Übereinkommen in dem ausdrücklich erklärten Bestreben, damit die Frage der seinerzeitigen Witwenversorgung zwischen den beiden Frauen so zu regeln, dass "ohne Rücksicht, sowohl auf die gegenwärtige Rechtspraxis, als auch auf die künftige Entwicklung des Eherechtes insbesonders hinsichtlich der Stellung und Anerkennung der Dispensehe schon jetzt eine Rechtslage geschaffen wird, welche beiden Teilen Gerechtigkeit widerfahren lässt, und für später jeden Streit ausschliesst". Im Punkte "Drittens" dieses Übereinkommens erklärte die Beschwerdeführerin "ohne Rücksicht auf die künftige Einstellung der Gesetze in Bezug auf die Gültigkeit der Dispensehe und der hieraus sich ergebenden rechtlichen Folgewirkungen, ihre Versorgungs-(Pensions-)-ansprüche ausschliesslich auf jenen Teil der Pension zu beschränken, welcher aus dem gegenwärtigen, oder sonst irgendeinen künftigen Zivilberufe ihres Gatten resultiert", und "demnach ausdrücklich und unwiderruflich auf jenen Teil der Witwenversorgung (Pension), der aus dem seinerzeitigen Militärberufe ihres Gatten erfliesst,

u. zw. zu Gunsten der Frau M K" zu verzichten. Die letztere erklärte ebendort diesen Verzicht der Dispensehegattin anzunehmen. Am 22. Mai 1939 legte sodann M K eine Ausfertigung des erwähnten Notariatsaktes dem Versorgungsamt I Wien in notariell beglaubigter Abschrift mit der Bitte um Kenntnisnahme vor und wurde von diesem mit Schreiben vom 23. Mai 1939 verständigt, dass der Notariatsakt betreffend ihre Witwenversorgung nach H K zu den Akten genommen worden sei, und angewiesen, zur gegebenen Zeit unter Berufung auf diese Zuschrift einen Antrag auf Witwenversorgung zu stellen.

Nach dem am 19. April 1952 erfolgten Tod H K  erhob sowohl seine Witwe, die Beschwerdeführerin, als auch seine früheren Gattin M Anspruch auf Witwenpension. Das Zentralbesoldungsamt erkannte mit Bescheid vom 30. April 1952 der Beschwerdeführerin lediglich den Todfallsbeitrag zu, sprach ihr jedoch den Anspruch auf einen fortlaufenden normalmässigen Versorgungsgenuss mit der Begründung ab, dass sie im Notariatsakt vom 9. August 1932 ausdrücklich und unwiderruflich auf eine Militärwitwenpension nach H K zu Gunsten seiner ersten Gattin verzichtet habe. Mit Bescheid vom 13. Mai 1952 erkannte das Zentralbesoldungsamt letzterer die Witwenpension in der monatlichen Höhe von 276,03 S (zuzüglich der jeweiligen Teuerungszuschläge) zu: Der gegen den abweisenden Teil des Bescheides vom 30. April 1952 von A und M K gemeinsam erhobenen Berufung gab das Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid vom 25. September 1952 aus folgenden Gründen nicht Folge:

Die Beschwerdeführerin habe in dem oben angeführten Übereinkommen vom 9. August 1932 "ohne Rücksicht sowohl auf die gegenwärtige Rechtspraxis als auch auf die künftige Entwicklung des Eherechtes, insbesondere hinsichtlich der Stellung und Anerkennung der Dispensehe" auf jenen Teil der Witwenversorgung verzichtet, der aus dem seinerzeitigen Militärberuf H K erfliesst. Nach Entscheidungen des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes sei der Verzicht auch ohne gesetzliche Grundlage als Erlöschungsgrund für das Recht auf den Dienst-(Penions-)bezug anerkannt, bedürfe allerdings der Annahme durch den Staat, die im gegenständlichen Falle vorliege, weil das Versorgungsamt I Wien die Verzichtserklärung zustimmend zur Kenntnis genommen habe. A K hat gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, die auch von M K als "mitbeteiligte Partei", gezeichnet ist. Darin wird ausgeführt, dass das mehrfach erwähnte Übereinkommen vom Bestehen eines einzigen Anspruchs auf fortlaufenden normalmässigen Versorgungsgenuss ausgegangen sei. Wie die belangte Behörde in ihrem im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung, IV. Jahrgang (1951), unter Nr. 40 veröffentlichten Rundschreiben vom 24. Jänner 1951 anerkannt habe, bestehe aber "auf Grund der geänderten Gesetzeslage im Eherecht" ein zweiter Versorgungsanspruch. Auf diesen habe sich der von der Beschwerdeführerin seinerzeit ausgesprochene Verzicht nicht bezogen, ein solcher Verzicht sei auch vom Staate ihr gegenüber niemals angenommen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Bei dem von der Beschwerdeführerin als Witwe nach H K in Anspruch genommenen fortlaufenden normalmässigen Versorgungsgenuss handelt es sich unbestrittenermassen um die - wie es im Übereinkommen vom 9. August 1932 heisst - aus dem seinerzeitigen Militärberuf H K erfliessende Witwenversorgung. Dass auch auf dem öffentlichen Recht zugehörige Ansprüche und Anwartschaften insbesondere auch auf die Witwenpension Verzicht geleistet werden kann, wurde sowohl vom Verfassungsgerichtshof (vgl. die Erkenntnisse vom 27. Oktober 1924, Slg. Nr. 356, und vom 26. Juni 1929, Slg. Nr. 1232). Als auch vom Verwaltungsgerichtshof (siehe Erkenntnisse vom 5. November 1924, Slg. Nr. 13665/A, vom 8. Juli 1932, Slg. Nr. 17268/A, und vom 14. September 1932, Slg. Nr. 7269/A) anerkannt. In den der Entscheidung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes unterbreiteten Fällen wurde als selbstverständliche Voraussetzung der Wirksamkeit eines solchen Verzichtes angenommen, dass er vom Verzichtenden der Gebietskörperschaft gegenüber erklärt wird, gegen die sich der Anspruch (die Anwartschaft) richtet, und dass er der Annahme seitens der Behörde Bedarf (siehe auch das Erkenntnis des Bundesgerichtshofes vom 15. Jänner 1938, Slg. Nr. 1751/A). Auch die belangte Behörde anerkennt dies, indem sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausspricht, dass der Verzicht der Annahme durch den Staat bedürfe. Sie glaubt aber, die Beschwerdeführerin habe dadurch wirksam auf den ihr gegen die Republik Österreich zustehenden Anspruch auf den normalmässigen Witwenversorgungsgenuss nach H K verzichtet, dass M K eine Ausfertigung des Notariatsaktes vom 9. August 1932 dem Versorgungsamt I Wien mit der Bitte um Kenntnisnahme vorlegte und dieses Amt der M K am 23. Mai 1939 mitteilte, dass es den Notariatsakt zu den Akten genommen habe, und sie anwies, zur gegebenen Zeit unter Berufung auf diese Zuschrift ihren Antrag auf Witwenversorgung zu stellen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschliessen. Der Verzicht auf Pensionsansprüche kann, wie schon oben bemerkt wurde, immer nur dem Verpflichteten, hier also dem Bunde gegenüber, ausgesprochen werden. Die in dem Notariatsakt vom 9. August 1932 beurkundeten Erklärungen der Beschwerdeführerin sind aber nicht dem Staate (Bunde) gegenüber abgegeben worden, das ganze Abkommen, das damals "zwischen den beiden obgenannten Frauen" abgeschlossen wurde, bringt vielmehr klar zum Ausdruck, dass eine nur die Vertragsteile bindende Regelung der seinerzeitigen Versorgung der beiden Witwen getroffen werden wollte, und zwar in dem Sinne, dass sich die beiden Frauen ganz ohne Rücksicht auf die künftige Gestaltung ihrer Anspruchsberechtigung gegenüber dem Staate bloss untereinander, auf eine bestimmte Aufteilung der staatlichen, aber auch allfälliger, sonstiger Versorgungsbezüge nach H K für alle Zukunft einigten. Ein Anlass, dem Staate gegenüber auf den Witwenversorgungsgenuss zu verzichten, war im übrigen für die Beschwerdeführerin nach der damaligen Rechtslage auch gar nicht gegeben, weil dem § 63 des Pensionsgesetzes 1921 zufolge die Anwartschaft auf eine Witwenversorgung nicht der Beschwerdeführerin, sondern der ersten Ehefrau des H K zustand. Hatte aber die Beschwerdeführerin nur der M K, nicht auch dem Staate gegenüber einen Verzicht auf die Witwenpension nach H K aus dessen "Militärberufe" ausgesprochen, dann kann es dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf den normalmässigen Witwenversorgungsgenuss nicht Abbruch tun, wenn M K ohne ersichtlichen Auftrag oder auch nur Ermächtigung seitens der Beschwerdeführerin im Jahre 1939 eine Ausfertigung des bezüglichen Übereinkommens dem Versorgungsamt I Wien zur Kenntnisnahme vorlegte und dieses Amt das vorgelegte Schriftstück zu den Akten nahm.

Da sohin die von der belangten Behörde gegebene Begründung für die Abweisung des auf Zahlung eines Witwenversorgungsgenusses nach H K gerichteten Begehrens der Beschwerdeführerin einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhält, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a. VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. April 1956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1956:1952002861.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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