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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §79 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Penzinger und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Regierungsoberkommissärs der nö. Landesregierung Kinscher als Schriftführer, über die Beschwerde der EF in W gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates im selbstständigen Wirkungsbereich vom 5. Dezember 1956, Zl. M.Abt. 64-B-XVIII-47/56, betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen in einer Bausache, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Erich Urbantschitsch, des Vertreters der belangten Behörde, Magistrat Dr. HS, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Gustav Langer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgenossenschaft "V" reg.Gen.m.b.H. in Wien, M-gasse, der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, gemäß § 70 der Bauordnung für Wien zufolge der mit Beschluss des Gemeinderatsausschusses VII vom 4. Juli 1956 nach § 79 Abs. 1 der Bauordnung für Wien erfolgten Bestätigung die Bewilligung erteilt, auf den Liegenschaften Grundstücke n1 - n7, alle im Grundbuch der kat. Gemeinde W, an der H-gasse Or.Nr.23-25 = W-straße Or.Nr.27 im XVIII. Bezirk ein unterkellertes, gemauertes, fünfgeschossiges Kleinwohnungshaus mit einem Dachgeschossaufbau zu errichten. Das Haus enthält im Kellergeschoss neben den Brennstofflagen eine mechanische Waschküche mit Trockeneinrichtung und einen Traforaum mit einem Schacht im Vorgarten, im Erdgeschoss an der rechten Grundgrenze eine Kleingarage für 3 Fahrzeuge und an 3 Stiegenhäusern 52 Kleinwohnungen und einen Ledigenraum. Unter einem wurde die Bauführung in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt und es wurden die "allgemeinen" Einwendungen der Anrainer, N-gasse 4, W-straße 34 und 36 sowie H-gasse 24 und 26 gegen die Bewilligung der Überschreitung der für den Bauplatz geltenden Bebauungsbestimmungen der Bauklasse II als im Gesetz nicht begründet abgewiesen und die "speziellen" Einwendungen, dass die gegenüberliegenden Liegenschaft durch die Überschreitung der bauklassenmäßigen Höhe einer größeren Schattenwirkung ausgesetzt werden und eine Luft- und Lichtentnahme erfolge, als privatrechtliche erklärt und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Bei der über das gegenständliche Bauansuchen durchgeführten mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin der Liegenschaft H-gasse 26 nachstehende Einwendungen gegen die Bauführung erhoben: "Das projektierte Haus ist in Bezug auf seine Höhe entgegen den im Grundbuch festgelegten Höhenbestimmungen entworfen. Es überschreitet die Bauklasse III und gehört nach den im Fluchtlinienplan bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen in die Bauklasse II und darf daher in der Wstraße und H-gasse die Hauptgesimshöhe der Bauklasse II nicht überschreiten. Die Überhöhung verursacht übermäßige Schattenwirkung u. Licht- und Luftentnahme." Von diesem Vorbringen hat die Baubehörde erster Instanz das Vorbringen hinsichtlich der Überschreitung der für den Bauplatz geltenden Bebauungsbestimmungen der Bauklasse II als "allgemeine Einwendung", das Vorbringen, dass durch die Überschreitung der bauklassenmäßigen Höhe die gegenüberliegende Liegenschaft einer größeren Schattenwirkung ausgesetzt werde und eine Licht- und Luftentnahme erfolge, als "spezielle Einwendung" angesehen; die allgemeine Einwendung wurde als öffentlich-rechtliche gewertet, die spezielle Einwendung als privatrechtliche. Diese Qualifikation des Vorbringens der Beschwerdeführerin entspricht jedoch nicht in jeder Hinsicht der bestehenden Rechtslage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1957, Zl. 539/56) liegt eine Einwendung eines Anrainers im Sinne der Vorschriften über das Baubewilligungserfahren nur dann vor, wenn von dem Anrainer die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird. Gehört dieses Recht dem Privatrecht an, so handelt es sich um eine privatrechtliche Einwendung; hat die Einwendung dagegen ihren Rechtsgrund im öffentlichen Recht, so liegt eine öffentlichrechtliche Einwendung vor. Untersucht man unter diesem Gesichtspunkt das erwähnte Vorbringen, so ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin nur die Verletzung eines Rechtes, nämlich des Rechtes auf Einhaltung der gesetzlichen Gebäudehöhe, geltend gemacht hat. Die Ausführungen über die übermäßige Schattenwirkung und die Licht- und Luftentnahme weisen auf die nachteiligen Folgen hin, die für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin aus der Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe entstehen. Es war daher unrichtig, die Beschwerdeführerin mit ihrer "speziellen" Einwendung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Allein durch diese unrichtige Vorgangsweise erscheint die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt, da über die einzige von ihr vorgebrachte Einwendung die Behörde ohnehin eine Sachentscheidung im Sinne einer Abweisung getroffen hat.
Was nun die Einwendung wegen der Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe anlangt, so hat die Baubehörde erster Instanz diese Einwendung zutreffend als öffentlich-rechtliche Einwendung angesehen und über sie abgesprochen. Die belangte Behörde hat diese Entscheidung durch die Abweisung der dagegen eingebrachten Berufung aufrecht erhalten und zur Begründung ausgeführt, gesetzlich gefordert sei lediglich der freie Lichteinfall unter 45 Grad, entweder direkt oder unter Bildung eines Lichtprismas, dessen seitliche Flächen von denen der senkrechten nicht um mehr als 30 Grad abweichen. Nur wenn dieser Lichteinfall gefährdet sei, könne der Anrainer in seinen Rechten verletzt sein, da ihm ansonsten die bauordnungsgemäße Ausnützung seines Grundes im vollen Umfang erhalten bleibe. Die vorliegende Bauführung bringe keine Beeinträchtigung des gesetzlichen Lichteinfalles für die Liegenschaft H-gasse 26 mit sich; diese Einwendung sei mit Recht durch die Baubehörde erster Instanz abgewiesen worden, da dem Eigentümer benachbarter Liegenschaften gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung nur ein Anspruch auf Berücksichtigung solcher Einwendungen bei der Bauverhandlung zustehe, die seine subjektiven öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte begründen aber nur die Vorschriften über die Wahrung des gesetzlichen Lichteinfalles, nicht aber jene über die bauklassenmäßige Gebäudehöhe, da letztere lediglich städtebauliche Ziele verfolge. An einer anderen Stelle der Begründung des angefochtenen Bescheides ist noch ausgeführt, wenn die Beschwerdeführerin die Überschreitung der bauklassenmäßigen Gebäudehöhe als dem § 79 Abs. 1 der Bauordnung zuwiderlaufend rüge, so sei darauf hinzuweisen, dass dem Anrainer ein Recht auf Einhaltung einer bestimmten Gebäudehöhe durch den benachbarten Bauwerber und auch kein rechtliches Interesse zustehe, solange er nicht in der bauordnungsgemäßen Ausnützbarkeit seines eigenen Bauplatzes beeinträchtigt werde. Eine solche Beeinträchtigung sei aber nicht gegeben. Es bedürfte zur Widerlegung dieses Punktes der Berufung daher gar nicht des Hinweises darauf, dass die Bestätigung der Gebäudehöhe durch den zuständigen Gemeinderatsausschuss erteilt worden sei. Hiezu bringt die Beschwerdeführerin vor, sie bestreite, dass durch die Errichtung eines fünfstöckigen Neubaues der im § 83 Abs. 2 der Bauordnung für Wien näher bezeichnete Lichteinfall nicht beeinträchtigt werde. Sie sei demgegenüber davon überzeugt, dass dieser Fall dringend die Zuziehung eines Sachverständigen erforderlich gemacht hätte. Sie sei Eigentümerin eines kleinen Einfamilienhauses. Die H-gasse sei nicht so breit; es erscheine ihr ausgeschlossen, dass ein fünfstöckiges Gebäude ihr noch immer den 45-gradigen Lichteinfall gewähre. Die belangte Behörde hätte daher entweder selbst einen solchen Sachverständigen beistellen müssen oder nach Zuziehung der Parteien einen Lokalaugenschein durchführen oder den Bescheid der ersten Instanz zu diesem Zwecke aufheben müssen. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Ob im vorliegenden Falle der 45-gradigen Lichteinfall auf die Hauptfenster der Vorderfront des Vordergebäudes der Beschwerdeführerin beeinträchtigt wird, ist eine Tatfrage, die die belangte Behörde selbst ohne Zuziehung eines Sachverständigen auf Grund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Baupläne, zu beurteilen vermag. Die H-gasse ist nach dessen Unterlagen im Bereich der zur Verbauung vorgesehenen Liegenschaft 15,17 m breit, der Neubau hält einen Vorgarten in der Breite von 4,5 m ein. Daraus folgt, dass durch ein Gebäude, das weniger als 19,67 m (15,17 m + 4,50 m) hoch ist, der gesetzliche Lichteinfalls auf die Hauptfenster der Vorderfront des Vordergebäudes der Beschwerdeführerin nicht beeinträchtigt werden kann, da der im § 83 Abs. 2 der Bauordnung für Wien geforderte Lichteinfall unter 45 Grad dann nicht gefährdet ist, wenn ein Gebäude niedriger ist als die Straßenseite zuzüglich der festgesetzten Vorgartenbreite. Nun weist aber der Neubau auf Grund der beiliegenden Pläne in der H-gasse nur eine Höhe von 13,19 m auf. Die tatsächlich eingehaltene Gebäudehöhe beeinträchtigt daher den gesetzlichen Lichteinfall in Ansehung der Liegenschaft der Beschwerdeführerin nicht.
Nun hat aber die Beschwerdeführerin, so muss ihr Vorbringen bei der mündlichen Verhandlung verstanden werden, nicht die Verletzung des Rechtes auf Wahrung des gesetzlichen Lichteinfalles, sondern die Verletzung des Rechtes auf Einhaltung der bauklassenmäßigen Gebäudehöhe geltend gemacht. Die belangte Behörde ist bei der Entscheidung über diese Einwendung von der Rechtsansicht ausgegangen, dass die Bestimmungen über die bauklassenmäßige Gebäudehöhe kein subjektives öffentliches Nachbarrecht zu begründen vermögen, da diese Bestimmungen nur der Wahrung städtebaulicher Belange dienen. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen, die allerdings zu anderen Bauordnungen ergangen sind (vgl. die Erkenntnisse vom 4. Mai 1955, Zl. 2145/53, und vom 14. Dezember 1956, Zl. 2420/55 und 715/56), ausgesprochen hat, dienen die Bestimmungen über die Gebäudehöhe nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn. Das gleiche muss auch für die Bauordnung für Wien gelten. Denn alle Vorschriften, die die Ausnützbarkeit eines Bauplatzes, sei es in horizontaler, sei es in vertikaler Richtung beschränken, berühren die Interessen der Nachbarschaft. Durch diese unrichtige Beurteilung der Rechtslage ist jedoch die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt. In dem vorliegenden Beschwerdefall wurde nämlich vom zuständigen Gemeinderatsausschuss die Überschreitung der bauklassenmäßigen Gebäudehöhe unter Berufung auf die Vorschrift des § 79 Abs. 1 der Bauordnung für Wien bestätigt. Nach dieser Gesetzesstelle ist für Monumentalbauten, öffentlichen Zwecken dienende Gebäude, Krankenanstalten, Geschäftshäuser und Fabriken sowie zum Schutze oder zur Herbeiführung von besonderen für die Gestaltung des Ortsbildes maßgebenden Wirkungen, sofern hiefür im Bebauungsplan nicht schon vorgesorgt ist, eine von der Bauklasseneinsteilung abweichende größere oder geringere Höhe für Gebäude oder Gebäudeteile dann zulässig, wenn keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen; ein solcher Bescheid bedarf jedoch der Bestätigung des zuständigen Gemeinderatsausschusses. Wenn daher der zuständige Gemeinderatsausschuss eine Überschreitung der sich aus der Bauklasseneinteilung ergebenden Gebäudehöhe bestätigt hat, so hat dies zur Folge, dass das Bauvorhaben mit den Bestimmungen der Bauordnung nicht mehr in Widerspruch steht. In einem solchen Falle kann aber auch der Nachbar in einem subjektiven öffentlichen Recht nicht verletzt sein (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 13. November 1957, Zl. 643/57). Die Erteilung der Ausnahmebewilligung besagt jedoch noch nicht, dass die Baubewilligung gesetzlich erteilt wurde. Hiefür ist vielmehr noch erforderlich, dass auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Ausnahmebewilligung gegeben waren. Wie sich aus der Baubeschreibung und dem Bericht an den Gemeinderatsausschuss VII ergibt, hat die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens um die Baubewilligung für die Errichtung eines Kleinwohnungshauses angesucht. Es handelt sich daher weder um einen Monumentalbau noch um ein öffentlichen Zwecken dienendes Gebäude, um ein Krankenhaus oder ein Geschäftshaus oder um eine Fabrik. Die Erteilung der Ausnahmebewilligung kann im vorliegenden Falle daher nur dann nicht rechtswidrig sein, wenn die Errichtung des Gebäudes in einer die bauklassenmäßige Gebäudehöhe überschreitenden Höhe "zum Schutz oder zur Herbeiführung von besonderen, für die Gestaltung des Ortsbildes maßgebenden Wirkungen notwendig ist". In dem Vorlagebericht an den Gemeinderatsausschuss VII hat der Magistrat der Stadt Wien die Überschreitung der bauklassenmäßigen Gebäudehöhe damit begründet, dass die Höherführung zur Deckung der beiden anliegenden Feuermauern der Nachbarhäuser aus architektonischen und städtebaulichen Gründen für notwendig erachtet wird. Dass diese Voraussetzungen im gegenständlichen Falle nicht gegeben sind, hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, dass die Gewährung der Ausnahme dem Gesetz widerspricht. Die Überschreitung der Gebäudehöhe, die sich aus der Bauklasseneinteilung ergibt, kann die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzen. Die Abweisung der diesbezüglichen Einwendung und die Erteilung der Baubewilligung kann somit nicht rechtswidrig sein.
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich die Verletzung des Servituts (gemeint ist offenbar das Cottage-Servitut) geltend macht, so kann auch damit die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan werden. Die Beschwerdeführerin hat die gegenständliche Beschwerde in ihrer Eigenschaft als Anrainern erhoben. In einem solchen Falle kann der Beschwerde Erfolg nur dann beschieden sein, wenn sie durch den angefochtenen Bescheid in einem Recht verletzt wurde. Dass der Beschwerdeführerin aus dem Servitut ein subjektives öffentliches Recht erwachsen ist, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung dieses Servituts im Verfahren betreffend die Erteilung einer Baubewilligung auf das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1952, Slg.N.F.Nr. 2613/A, zu verweisen.
Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erwies, musste sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abgewiesen werden.
Wien, am 28. Mai 1958
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1958:1957000229.X00Im RIS seit
22.09.2008Zuletzt aktualisiert am
22.10.2008