Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §17 Abs7 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Dietmann und die Räte Dr. Koprivnikar, Dr. Mathis, Dr. Härtel und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Klein als Schriftführer, über die Beschwerde des A R in Oakland (USA) gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 30. März 1960, Zl. II - 31.943 - 10/60, betreffend freiwillige Pensionsversicherung (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten hatte mit Bescheid vom 26. Februar 1958 dem Antrag des Beschwerdeführers vom 29. September 1958 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 17 Abs. 4 ASVG mit der Begründung keine Folge gegeben, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei gemäß § 357 ASVG in Verbindung mit § 71 AVG 1950 bei Überschreitung einer materiellrechtlich und gesetzlich festgelegten Frist nicht zulässig. Überdies wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 2 AVG 1950 binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses unter Nachholung der versäumten Handlung zu stellen gewesen.
Den dagegen erhobenen Einspruch hatte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 9. November 1959 als unbegründet abgewiesen, weil bei Versäumung von Fristen des materiellen Rechtes eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig sei. Außerdem sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand deshalb gegenstandslos geworden, weil dem Einspruch des Beschwerdeführers (gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten über die Beendigung seiner Weiterversicherung gemäß § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG) im Instanzenzug durch den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 7. September 1959 Folge gegeben worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers, die sich auf die Bekämpfung der Rechtsauffassung beschränkt hat, dass die Frist des § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG eine materiellrechtliche Frist sei, keine Folge gegeben und den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. November 1959 aus dessen als zutreffend gewerteten Gründen bestätigt. Sie hat ergänzend noch bemerkt, dass die Bestimmung des § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG, da sie das Enden der Weiterversicherung, somit also das Erlöschen eines Rechtes unter bestimmten Voraussetzungen regle, nicht den verfahrensrechtlichen Fristen der §§ 32 und 33 AVG 1950 zugezählt werden könne. Es bestehe auch für den Bereich des öffentlichen Rechtes keine Ursache, nicht an der vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung festzuhalten, dass nur gegen die Folgen der Versäumung befristeter Prozesshandlungen, nicht aber gegen die Versäumung solcher Fristen, innerhalb deren ein materiellrechtlicher Anspruch oder Antrag bei sonstigem Verlust des dem Anspruch oder Antrag zu Grunde liegenden Rechtes geltend gemacht werden muss, durch den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Abhilfe geschaffen werden sollte. Die Erläuternden Bemerkungen zu § 72 der Regierungsvorlage zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, der mit dem späteren § 71 AVG wörtlich vollkommen übereinstimme, hätten nämlich ausgesprochen, dass durch den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Anlehnung an die anderwärts enthaltenen Vorschriften eine bisher im Verwaltungsverfahren klaffende Lücke ausgefüllt werden sollte. Abgesehen von der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages im vorliegenden Fall wäre ein solcher Antrag gemäß § 71 Abs. 2 und 3 AVG 1950 auch binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses unter Nachholung der versäumten Handlung zu stellen gewesen.
Die Beschwerde bekämpft die Auffassung der belangten Behörde als rechtsirrig, dass die Frist des § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG eine materiellrechtliche gesetzliche Frist sei, bei welcher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig ist. Insoweit im angefochtenen Bescheid geltend gemacht werde, dass der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 AVG 1950 binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung zu stellen sei, rügt die Beschwerde das Fehlen der ausdrücklichen Feststellung, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet eingebracht worden, und vor allem auch der Feststellung, worin diese Verspätung nach Ansicht der belangten Behörde gelegen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Die Beschwerde beruft sich auf das Erkenntnis vom 3. Juli 1951, Slg. Nr. 2174/A, in welchem der Verwaltungsgerichtshof die Wiedereinsetzung als eine Rechtseinrichtung definiert habe, die dazu bestimmt sei, Nachteile zu beseitigen, die sich für eine Partei aus der Versäumung einer befristeten Rechtshandlung ergeben, mit dem Zweck, die versäumte Rechtshandlung ohne Nachteil nachzuholen. Um eine solche Rechtshandlung gehe es bei § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG, keinesfalls um einen materiellrechtlichen Anspruch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in diesem Erkenntnis als Tatsachen, gegen welche die Wiedereinsetzung stattfinden kann, die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung angeführt und hinzugefügt, wenn im Gesetz von der Versäumung einer Frist die Rede ist, so könne darunter nicht jede Frist verstanden werden, die für die Vornahme einer rechtserheblichen Handlung aufgestellt ist, sondern nur eine Frist für eine Handlung, die die Partei im Zug eines schon anhängigen Verwaltungsverfahrens zu setzen hat. Diese Auslegung folge zwingend aus der Bestimmung des § 72 Abs. 1 AVG 1950, derzufolge das Verfahren durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Lage zurücktritt, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung der Frist befunden hat. Es müsse sich also um ein bereits anhängig gemachtes Verwaltungsverfahren handeln, in dessen Verlauf die Partei eine Frist versäumt, die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen oder in den Verwaltungsvorschriften festgelegt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auf seine Erkenntnisse Slg. Nr. 144/F/1949 und 164/F/1949 sowie 1291/A/1950 verwiesen. In dem zuletzt angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem Hinweis der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (116 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, II. G.P.), dass durch den Rechtsbehelf, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Anlehnung an die anderwärts (Strafprozessordnung, Zivilprozessordnung, Personalsteuergesetz) enthaltenen Vorschriften eine bisher im Verwaltungsverfahren klaffende Lücke gefüllt werden sollte, abgeleitet, dass der Gesetzgeber über den Rahmen der in den genannten Vorbildern bestehenden Wiedereinsetzungsmöglichkeiten auch für das Verwaltungsverfahren nicht hinausgehen und nur gegen die Folgen der Versäumung befristeter Prozesshandlungen (§ 146 Abs.1 ZPO) unter gewissen Voraussetzungen Abhilfe schaffen wollte, nicht aber gegen die Folgen der Versäumung solcher Fristen, innerhalb deren ein materiellrechtlicher Anspruch oder Antrag bei sonstigem Verlust des dem Anspruch oder Antrag zu Grunde liegenden Rechtes geltend gemacht werden muss.
Einer solchen Frist ist aber die in § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG gesetzte Frist gleichzuhalten. Nach dieser Vorschrift endet die Weiterversicherung, wenn die Beiträge für mehr als 24 aufeinander folgende Monate rückständig sind, mit dem Ende des letzten Monates, für den ein Beitrag entrichtet worden ist. Danach ist die Zahlung des Beitrages längstens innerhalb 24 Monaten Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des materiellrechtlichen Anspruches auf Weiterversicherung, der bei Überschreiten dieser Frist erlischt. Die Zahlung der Beiträge zur Weiterversicherung erfolgt auch nicht in einem bereits anhängig gemachten Verwaltungsverfahren, in dessen Verlauf der Beschwerdeführer eine Frist versäumt hat. Die Frist des § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG kann also nicht als eine verfahrensrechtliche Frist, sondern muss als eine Frist des materiellen Rechtes angesehen werden.
So zeigt sich, dass die von der Beschwerde bekämpfte Rechtsauffassung der belangten Behörde, die Frist des § 17 Abs. 4 Z. 2 ASVG könne nicht den verfahrensrechtlichen Fristen zugezählt werden, und dass die darauf beruhende Bestätigung der Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist dem Gesetz entspricht. Die Beschwerde musste daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien, am 31. Jänner 1962
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1962:1960000945.X00Im RIS seit
16.07.2008Zuletzt aktualisiert am
26.09.2008