TE Vwgh Erkenntnis 1962/4/4 1706/60

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Veröffentlicht am 04.04.1962
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §59 Abs1 impl;
AVG §66 Abs4;
KFG 1955 §83 Abs1;
KFG 1955 §85 Abs2;
KFG 1955 §85 Abs4;
VStG §49 Abs2;
VStG §51 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Höslinger und die Räte Dr. Porias, Dr. Vejborny, Dr. Chamrath und Dr. Raniak als Richter, im Beisein des Polizeikommissärs Dr. Primmer als Schriftführer, über die Beschwerde des AS in W gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, mittelbare Bundesverwaltung, vom 13. Juni 1960, Zl.M.Abt.70 Grad IX-55/60, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen,

Begründung

Die Bundes-Polizeidirektion Wien, Bezirks-Polizeikommissariat Meidling, hatte den Beschwerdeführer mit dem 26. Februar 1960 verkündeten Straferkenntnis schuldig erkannt, am 24. Februar 1960 um 21: Uhr 10 in Wien 12., Breitenfurterstraße, nächst der Einmündung der Wienerbergstraße, den VW-Kombi mit Kennzeichen W nnn.nnn 1.) in einem durch den Genuss geistiger Getränke beeinträchtigten Zustand gelenkt und 2.) die Beleuchtung nicht eingeschaltet gehabt zu haben und 3.) bei der Kontrolle für das von ihm gelenkte Fahrzeug keinen Zulassungsschein vorweisen habe können und dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 85 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1955, BGBl. 223, (KFG), 2.) § 83 Abs. 1 KFG und

3.) § 85 Abs. 4 KFG begangen zu haben. Gemäß § 111 KFG hatte die Behörde gegen den Beschwerdeführer zu 1.) eine Geldstrafe von 2.000,-- S (Ersatzarreststrafe 7 Tage) und eine Arreststrafe von 14 Tagen, zu 2.) eine Geldstrafe von 100,-- S (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) und zu 3.) eine Geldstrafe von 50,-- S (Ersatzarreststrafe 12 Stunden) verhängt. Nach Verkündung des Straferkenntnisses hatte der Beschwerdeführer die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Bescheides verlangt und folgende Erklärung abgegeben: "Ich berufe hinsichtl. § 85/2 KFG, und zwar nur gegen die Arreststrafe, die anderen Strafen nehme ich an." Die Berufung hatte der Beschwerdeführer, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 85 Abs. 2 KFG in Richtung auf Tat und Strafe ausgeführt.

Das Amt der Wiener Landesregierung, mittelbare Bundesverwaltung, wandelte mit Bescheid vom 13. Juni 1960 auf Grund der gegen die Art und das Ausmaß der bezüglich des Tatbestandes zu 1.) ausgesprochenen Arreststrafe rechtzeitig eingebrachten Berufung" gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Arreststrafe von 14 Tagen in eine Geldstrafe von 4.000,-- S, im Nichteinbringungsfalle 14 Tage Arrest, um, sodass die Strafe wegen der Verwaltungsübertreteng nach § 85 Abs. 2 KFG, insgesamt 6.000,--

S, bei Uneinbringlichkeit 21 Tage Arrest zu betragen habe. Im übrigen wies es die Berufung, "soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen der Übertretung nach § 85 Abs. 2 KFG richtet", gemäß § 66 Abs. 4 AVG als zulässig zurück. In der Begründung führte die Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer habe nach der Verkündung des Straferkenntnisses am 26. Februar 1960 die oben erwähnte Erklärung abgegeben. In der Äußerung, die anderen Straßen annehmen zu wollen, müsse ein ausdrücklicher Berufsverzicht hinsichtlich der Schuldfrage und des Ausspruches der Geldstrafe von 2.000,-- S beim Tatbestand nach § 85 Abs.2 KFG erblickt werden. Insbesondere richte sich auch die am 9. März 1960 zur Post gegebene schriftliche Berufung nur gegen das Faktum 1.). Da somit der angefochtene Bescheid bezüglich der Schuldfrage und der Geldstrafe von 2.000,-- S in Rechtskraft erwachsen sei, habe die schriftliche Berufung in dieser Beziehung nicht mehr in Behandlung gezogen werden können,

Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden, beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde hinsichtlich des Ausspruches, dass die Berufung, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen der Übertretung nach § 85 Abs. 2 KFG richtet, gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen werde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Gerichtshof hat erwogen.

Zur Begründung der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer einleitend vor, der angefochtene Bescheid trenne unzulässigerweise die Möglichkeit der Berufung nach dem § 51 VStG in eine solche hinsichtlich der Schuld und hinsichtlich der Strafe. Dafür fehle jede gesetzliche Grundlage. Der angefochtene Bescheid sei offensichtlich durch die Strafprozessordnung der ordentlichen Gerichte inspiriert. Im Bescheid werde übersehen, das die Teilung des Rechtsmittels in dem § 280 StPO ausdrücklich vorgesehen sei. Für das Verwaltungsstrafverfahren fehle eine analoge gesetzliche Bestimmung. Im übrigen sei auf die dem § 280 StPO entsprechende Bestimmung des § 464 StPO verwiesen. Hiezu ist zu bemerken, dass mit dem Hinweis auf § 280 StPO und § 464 StPO lediglich dargetan ist, dass im Falle der Bestrafung einer Person die Trennung des Gegenstandes der Verhandlung nach mehreren Punkten möglich ist, und zwar insbesondere nach dem Ausspruch über die Schuld (Tat) und nach dem Ausspruch über die Strafe. Der Gerichtshof kann nicht finden, dass im Verwaltungsstrafverfahren eine solche Trennung verboten wäre. Das Verwaltungsstrafgesetz nimmt vielmehr auf eine solche Trennung ausdrücklich Bezug. So kann in dem Einspruch gegen eine Strafverfügung nur das Ausmaß der auferlegten Strafe in Beschwerde gezogen werden, in welchem Falle gemäß § 49 Abs. 2 VStG dieser als Berufung anzusehen ist. Außerdem kann gemäß § 51 Abs. 4 VStG, worauf auch die Gegenschrift verweist, ein Ansuchen um Nachsicht der Milderung der Strafe gestellt werden. In diesen Fällen bleibt die Tatfrage unerörtert. Ist die Trennung des Spruches einer Strafverfügung oder eines Straferkenntnisses in Tat und Strafe möglich, so kann auch jeder Punkt für sich allein "Sache" der Berufungsentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG sein. Denn Sache der Berufungsentscheidung ist der Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens in dem durch den Berufungsantrag bestimmten Umfang (vgl. Erkenntnis vom 29. November 1961, Zl,1622/60).

Im vorliegenden Falle hat der Beschwerdeführer von der durch § 51 Abs. 3 VStG eingeräumten Möglichkeit, die Berufung auch mündlich anzubringen, Gebrauch gemacht. In diesem Falle hatte sie keines begründeten Berufungsantrages bedurft. Da er aber nun einmal erklärt hatte, hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 85 Abs. 2 KFG, die ihm mit dem angefochtenen Straferkenntnis angelastet worden war, nur gegen die Arreststrafe zu berufen, war die belangte Behörde als Berufungsbehörde daran gebunden. Der Beschwerdeführer meint allerdings, seiner Erklärung sei kein ausdrücklicher Berufungsverzicht zu entnehmen gewesen. In der Erklärung "hinsichtlich § 85 Abs. 2 KFG" zu berufen, liege wohl die unmissverständliche Erklärung, gegen den Schuldspruch hinsichtlich des Vorwurfes des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch den Genuss geistiger Getränke beeinträchtigten Zustand das zustehende Rechtsmittel anzumelden. Die zusätzliche Erklärung "und zwar nur gegen die Arreststrafe" könne nur die Bedeutung haben, dass für den Fall der Verwerfung der Schuldberufung die Arreststrafe als unangemessen empfunden werden würde. Die anschließende letzte Erklärung "die anderen Strafen nehme ich an" könne sich nach dem gesamten Akteninhalt nur auf die beiden übrigen Beschuldigungen "Nichtbeleuchtung des Kraftfahrzeuges, Nichtmitsichführen des Zulassungsscheines"' beziehen. Dieser Meinung kann nicht beigepflichtet werden. Die Erklärung "hinsichtlich § 85 Abs. 2 KFG, und zwar nur gegen die Arreststrafe" zu berufen, kann kein anderer Sinn beigemessen werden als der, dass nur der Ausspruch über die Strafe, nicht aber der Ausspruch über die Tat "Sache" der Berufungsentscheidung bilden soll. Ebenso kann die Erklärung auch nicht dahin verstanden werden, dass der Beschwerdeführer die wegen der Verwaltungsübertretung nach § 85 Abs. 2 KFG verhängte Geldstrafe nicht auf sich nehmen wollte. Aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nur die beiden Geldstrafen von 100,-- und 50,-- S sofort bezahlte, worauf die Beschwerde ausdrücklich verweist, kann nicht geschlossen werden, in welchem Umfang die Bestrafung nach § 85 Abs. 2 KFG angefochten worden sei. Auch kann entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde die von ihm anlässlich der Verkündung des Straferkenntnisses, abgegebene Erklärung entgegen dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu seinem Ungunsten ausgelegt habe. Die belangte Behörde ist vielmehr dem Gesetz gemäß vorgegangen, wenn sie die Berufung, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen der Übertretung nach § 85 Abs. 2 richtete, als unzulässig zurückwies.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen,

Wien, am 4. April 1962

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheStrafmilderungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1962:1960001706.X00

Im RIS seit

04.03.2004

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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