TE Vwgh Erkenntnis 1963/11/5 0181/63

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Veröffentlicht am 05.11.1963
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Index

Gesundheitswesen - ApG
40/01 Verwaltungsverfahren
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

ApG 1907 §10 Abs3
ApG 1907 §15 Abs1
ApG 1907 §48 Abs2
ApG 1907 §51 Abs3
ApG 1907 §9
AVG §63 Abs5
AVG §69 Abs1
AVG §8

Beachte


Fortgesetztes Verfahren:
0203/63 E 05.11.1963 VwSlg 6136 A/1963;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Penzinger, Dr. Dolp, Dr. Kadecka und Dr. Schmid als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Magistratskommissärs Dr. Klein über die Beschwerde des Mr. R in G gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 3. Dezember 1962, Zl. V-124.356-25/4-1962, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheit einer Apothekenkonzession, nach der am 29. Oktober 1963 durchgeführten öffentlichen Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Franz Wiesner, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwaltes Dr. Karl Völkl, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Konzession zum Betrieb der D-Apotheke in G war am 26. Juni 1912 an Mr. A B verliehen worden. Nach seinem Tod im Jahre 1924 wurde der Apothekenbetrieb von seiner Witwe I B gemäß § 15 Abs. 2 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, kurz ApG, fortgeführt. Pächter der Apotheke war seit 1951 der Beschwerdeführer Mr. R. Nach dem Tode der Frau I B am 27. April 1959 wurden zunächst zwischen dem Beschwerdeführer und den die Verlassenschaft vertretenden Erben Verhandlungen über die Übernahme des Apothekenbetriebes durch den ersteren geführt. Da es jedoch zu keiner Einigung kam, stellte der Beschwerdeführer am 6. Juli 1959 beim Amte der Steiermärkischen Landesregierung den Antrag, ihm die Bewilligung zum Betrieb einer Apotheke in G zu erteilen und als Standort die Gemeinde G zu bestimmen. Nach Durchführung des im § 48 ApG vorgesehenen Ediktalverfahrens und Vornahme der erforderlichen Ermittlungen erteilte der Landeshauptmann der Steiermark mit Bescheid vom 9. November 1959 dem Beschwerdeführer im Sinne der §§ 9 und 51 ApG die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit dem Standort G. Dem Konzessionsverleihungsverfahren waren die Erben nach I B nicht beigezogen worden; ebenso unterblieb die Zustellung des Bescheides an die Erben. Wie der Begründung des Bescheides zu entnehmen ist, war für die Entscheidung die Erwägung ausschlaggebend, dass in G, wo vier Ärzte niedergelassen seien und seit dem Jahre 1912 ein festgestellter Bedarf nach einer Apotheke bestehe, die Fortführung der D-Apotheke als öffentliche Heilmittelabgabestelle auf Grund der neu erteilten Apothekenberechtigung unentbehrlich sei.

Am 25. November 1959 stellte die Verlassenschaft nach I B beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung den Antrag, ihr den Bescheid über die Konzessionsverleihung an Mr. F zuzustellen, um dagegen Berufung erheben und eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einbringen zu können. Sie machte geltend, dass das Recht zum Fortbetrieb der D-Apotheke durch den Tod der I B nicht untergegangen sei, sondern bis zur Einantwortung der Verlassenschaft erhalten bleibe. Da dieses Recht durch die Verleihung der Konzession an den Beschwerdeführer betroffen werde, komme der Verlassenschaft Parteistellung im Verfahren zu. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 26. Jänner 1960 mit der Begründung abgewiesen, dass dem Nachlass im Verfahren zur Erteilung einer neuen Apothekenkonzession keine Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zukomme. Die Behörde vertrat die Ansicht, dass mit dem Tode der Apothekerswitwe das dem Mr. A B seinerzeit erteilte Recht zum Betrieb der D-Apotheke erloschen sei. Über die gegen diesen Bescheid von der Verlassenschaft erhobene Berufung hat das Bundesministerium für soziale Verwaltung nach Inhalt der vorgelegten Akten bisher nicht entschieden.

Im Zug eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens wurde sodann mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 8. Februar 1960 gemäß § 15 Abs. 1 ApG festgestellt, dass die dem Mr. A B am 26. Juni 1912 erteilte Apothekenkonzession durch den Tod seiner Witwe I B kraft Gesetzes erloschen sei. Die von der Verlassenschaft erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 14. Mai 1960 abgewiesen, doch verfiel dieser Bescheid durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 1960, Zl. 1086/60, der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Entsprechend der in diesem Erkenntnis dargelegten Rechtsansicht, wonach die seinerzeit erteilte Apothekenkonzession eine Rechtsgrundlage auch für die Fortführung des Apothekenbetriebes durch die Verlassenschaft nach der gemäß § 15 Abs. 2 ApG zum Fortbetrieb berechtigten Witwe des Konzessionärs bis zur Einantwortung des Nachlasses bilde, hob der Landeshauptmann mit Bescheid vom 26. Jänner 1962 in Stattgebung der Berufung den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 8. Februar 1960 auf. Eine gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des genannten Gerichtshofes vom 21. September 1962 zurückgewiesen.

Gestützt auf die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht brachte die Verlassenschaft am 26. November 1960 unter Berufung auf die Bestimmung des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 beim Landeshauptmann einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, das zur Konzessionserteilung an den Beschwerdeführer geführt hatte, ein. Gleichzeitig erhob die Verlassenschaft Einpruch wegen Existenzgefährdung ihrer Apotheke und mangels Bedarfes nach einer weiteren Apotheke in G. Der Beschwerdeführer sprach sich in einem Schriftsatz gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens aus. Mit Bescheid vom 27. Oktober 1962 gab der Landeshauptmann dem Wiederaufnahmeantrag der Verlassenschaft Folge und hob gleichzeitig den zu Gunsten des Beschwerdeführers ergangenen Konzessionsverleihungsbescheid vom 9. November 1959 auf. Die Begründung stützt sich im wesentlichen darauf, dass durch den aufgehobenen Bescheid eine entscheidungswichtige Vorfrage eine Beurteilung erfahren habe, die mit der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 1960, Zl. 1086/60, dargelegten Rechtsauffassung im Widerspruch stehe, indem nämlich von der Behörde angenommen worden sei, dass infolge des mit dem Tode der I B eingetretenen Erlöschens der Befugnis zum Betrieb der D-Apotheke ein Bedarf nach einer neuen Apotheke im Standort G gegeben sei. Da die gesetzliche Voraussetzung für die Wiederaufnahme im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG gegeben sei, bestehe für die Behörde eine Verpflichtung, dem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Bundesministerium für soziale Verwaltung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf die zutreffenden Gründe der ersten Instanz und die Überlegung, dass sich aus § 50 VwGG 1952 nicht nur die Verpflichtung für die Behörde ergeben habe, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 8. Februar 1960, mit dem das Erlöschen der Konzession für die D-Apotheke festgestellt worden war, zu beheben, sondern auch die weitere Verpflichtung, die neue Rechtslage im Verfahren betreffend die Konzessionserteilung an den Beschwerdeführer zu berücksichtigen.

In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wird folgendes vorgebracht: Voraussetzung für die Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei einerseits die Parteistellung des Antragstellers im vorangegangenen Verfahren und anderseits das Vorliegen eines formell abgeschlossenen Verfahrens. Beide Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Hinsichtlich der Parteistellung der Verlassenschaft liege bis nun nur ein die Parteistellung verneinender Bescheid des Landeshauptmannes vor. Das Verfahren sei für die Verlassenschaft aber auch noch nicht abgeschlossen, da über ihre Berufung gegen den Bescheid, womit die Zustellung des Konzessionsverleihungsbescheides an sie abgelehnt worden war, noch nicht entschieden sei. Im übrigen sei im Konzessionsverleihungsbescheid gar nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass die Behörde unter den gegebenen Umständen die Bewilligung zum Betrieb einer zweiten Apotheke in G nicht erteilt hätte. Wenn man der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ansicht folge, dass der Konzessionsverleihungsbescheid sogar gegenüber den Wiederaufnahmewerbern formell und materiell rechtskräftig sei, so könne sich die Behörde darüber nicht hinwegsetzen, zumal öffentlich-rechtliche Interessen durch ihn nicht berührt würden.

Über die Beschwerde hat der Vewaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und einer der in lit. a bis c angeführten Gründe vorliegt. Wie ein Umkehrschluss aus dieser Vorschrift ergibt, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens unzulässig, wenn noch ein Rechtsmittel gegen den Bescheid offen steht; in diesem Fall muss der betreffende Grund von der Partei im Zuge des Rechtsmittelverfahrens geltend gemacht bzw. von der Behörde wahrgenommen werden. Es kann nun durchaus vorkommen, dass die Frage, ob gegen einen Bescheid noch ein Rechtsmittel zulässig ist, für die Parteien des Verfahrens nicht einheitlich zu beantworten ist. Es kann insbesondere das Recht zur Ergreifung von Rechtsmitteln kraft Gesetzes davon abhängig gemacht sein, dass der Bescheid zu Ungunsten der rechtsmittelbefugten Partei ausgefallen ist, wie etwa im § 51 Abs. 3 ApG, oder es kann die Rechtsmittelfrist für eine Partei bereits abgelaufen sein, für eine andere aber noch offen stehen oder überhaupt noch nicht zu laufen begonnen haben. Ein Fall der letzteren Art liegt hier vor.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 9. November 1959 die Berechtigung zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke für den Standort in G erteilt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. September 1954, Slg. Nr. 3505/A, zum Ausdruck gebracht hat, kommt im Verfahren über die Erweiterung des Standortes einer Apotheke dem Konzessionsinhaber jener Apotheke, in dessen Standort durch die Erweiterung eingegriffen wird, nicht nur die auf die Geltendmachung der Existenzgefährdung eingeschränkte, sondern die volle Parteistellung zu. Da die Erweiterung des Standortes einer öffentlichen Apotheke verfahrensrechtlich der Neuerteilung einer Apothekenkonzession gleichzuhalten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1960, Slg. N. F. Nr. 5405/A), muss dasselbe auch im Verfahren zur Verleihung einer Apothekenkonzession gelten, wenn der Standort der neu zu verleihenden Apotheke in den Standort einer bestehenden Apotheke eingreift. Der Standort der D-Apotheke, deren Konzession dem Mr. A B verliehen worden war, umfasste nun ebenfalls das Gemeindegebiet von G. Diese Konzession ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. November 1960, Zl. 1086/60, ausgesprochen hat, durch das Ableben der Witwe nicht erloschen, sondern sie bildet auch für die Verlassenschaft bis zu deren Einantwortung die Rechtsgrundlage für den Fortbetrieb der Apotheke. Sonach wären der Verlassenschaft nach I B im Verfahren über das vom Beschwerdeführer eingebrachte Ansuchen um Verleihung einer Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit dem Standort G die vollen Parteirechte zugekommen. Der Umstand, das sie von der Behörde faktisch nicht als Partei behandelt worden ist, könnte ihr Recht, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verlangen, allerdings nicht beeinträchtigen. Die Unzulässigkeit des von der Verlassenschaft gestellten Begehrens auf Wiederaufnahme des Verfahrens ergab sich im damaligen Zeitpunkt jedoch daraus, das die Verlassenschaft auf Grund ihrer Parteistellung befugt war, gegen den Bescheid, mit den dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Apotheke für den Standort G erteilt worden war, die Berufung an das Bundesministerium für soziale Verwaltung zu erheben. Der Umstand, dass sie beim Landeshauptmann der Steiermark erfolglos die Zustellung des Bescheides begehrt hatte, vermochte daran nichts zu ändern. Denn eine Partei kann gegen einen Bescheid die Berufung auch einbringen, bevor er ihr selbst zugestellt wurde, sofern er nur überhaupt als erlassen anzusehen ist. Letzteres Erfordernis war aber durch die Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1952, Slg. N. F. Nr. 2728/A). Auch lag ja ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem der Verlassenschaft die Parteistellung im Verfahren aberkannt worden wäre, infolge Nichterledigung der von der Verlassenschaft gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 26. Jänner 1960 eingebrachten Berufung, nicht vor.

Dem Begehren der Verlassenschaft auf Wiederaufnahme des Verfahrens hätte daher mangels der im § 69 Abs. 1 AVG geforderten Voraussetzung, die darin besteht, dass der Bescheid keinem Rechtszug mehr unterliegt, nicht Folge gegeben werden dürfen. Aus diesem Grunde musste der angefochtene Bescheid mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Bewilligung der Wiederaufnahme abgewiesen worden war, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am 5. November 1963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1963:1963000181.X00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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