TE Vwgh Erkenntnis 1965/5/21 2291/64

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.1965
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Donner, und die Hofräte Dr. Strau, Dr. Koprivnikar, Dr. Hinterauer und Dr. Schmid als Richter, im Beisein des Schriftführers, Polizeioberkommissärs Dr. Ottmann über die Beschwerde der A K in G, vertreten durch Dr. Reiner Gottinger, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 38, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Steiermark in Graz vom 13. November 1964, Sch. Zl. 11-654/7/64, betreffend Kriegsopferversorgung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Begründung

Das Landesinvalidenamt für Steiermark in Graz hat der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 4. März 1950 gemäß § 36 Abs. 2 Kriegsopferversorgungsgesetz (KOVG) nach ihrem am 22. November 1941 verstorbenen Ehemann J K ab 1 Jänner 1950 eine Witwenbeihilfe zuerkannt.

Mit Bescheid vom 16. September 1964 wurde von Amts wegen das abgeschlossene, die Witwenbeihilfe betreffende Verfahren gemäß § 86 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 in der jeweils geltenden Fassung in Verbindung mit § 69 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 AVG 1950 wieder aufgenommen und die Witwenbeihilfe ab 1. Jänner 1950 neu bemessen, wobei der Anspruch für die Zeiträume vom 1. Jänner 1950 bis 15. Juli 1951, vom 1. Oktober 1953 bis 31. Dezember 1957, vom 1. Juni 1958 bis 31. Dezember 1960 und ab 1. April 1963 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in der von ihr am 30. September 1949 ausgefüllten Einkommenserklärung B als auch bei der Erhebung vom Magistrat Graz am 10. Jänner 1950 und in ihrem persönlich gestellten Antrag vom 30. Mai 1950 den Bezug einer Witwenzuschusspension von der Österreichischen Länderbank verschwiegen und sohin die Gewährung der Witwenbeihilfe ab 1. Jänner 1950 erschlichen habe. Überdies habe sie in allen ihren jährlichen Einkommenserklärungen und auch noch anlässlich der Erhebung durch den Erhebungsdienst des Magistrates Graz vom 15. Mai 1964 den Bezug der vorangeführten Pension konsequent nicht angegeben. Da die Beschwerdeführerin sohin Versorgungsleistungen erschlichen habe, sei das Landesinvalidenamt für Steiermark berechtigt gewesen, die mit Bescheiden vom 4. März 1950 und 26. Jänner 1951 abgeschlossenen Verfahren wieder aufzunehmen und neu zu entscheiden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Berufung der Beschwerdeführerin in der im wesentlichen ausgeführt wird, dass bereits der Erhebungsbogen vom 10. Februar 1942 die Pension der Beschwerdeführerin nach ihrem Gatten von RM 65,40 ausgewiesen habe. Eine Anfrage des Versorgungsamtes im Jahre 1942 an die Länderbank sei von dieser mit Schreiben vom 30. März 1942 dahin beantwortet worden, dass die Beschwerdeführerin nach ihrem Gatten, der Bankgehilfe gewesen sei, eine Witwenrente von monatlich RM 65,40 erhalte. Dem Landesinvalidenamt sei daher der Bezug der Pension nach ihrem Gatten bekannt gewesen. An der Nichtberücksichtigung der Tatsache eines Bezuges trage nicht die Beschwerdeführerin, sondern die Behörde ein Verschulden, weil sie bei auch nur üblicher Aufmerksamkeit die vollständige Klärung der Bezüge herbeiführen hätte können. Es könne daher nicht von einer Irreführungsabsicht und von einem Erschleichen gesprochen werden.

Die belangte Behörde hat nun mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG. keine Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung gemäß § 86 Abs. 1 des Kriegsopfergesetzes 1957 in Verbindung mit § 69 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 aus dessen Gründen und in der weiteren Erwägung bestätigt, dass ein rechtswidriges Verhalten der Beschwerdeführerin vorliege, weil sie trotz entsprechender Befragung im Jahre 1949 und 1950 den Bezug seitens der Länderbank verschwiegen habe. Die Schiedskommission habe daher im Rahmen des ihr zustehenden Rechtes der freien Beweiswürdigung angenommen, dass aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen - siehe die Ausführungen im angefochtenen Bescheid - auf eine Irreführungsabsicht der Beschwerdeführerin geschlossen werden müsse. Mit Rücksicht darauf, dass die Beschwerdeführerin in der Erklärung vom 30. September 1949 und auch anlässlich der Erhebung am 10. Jänner 1950 ausdrücklich nur die Rente von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten angeführt habe, sei der für die Entscheidung über die Frage des Anspruches maßgebende Sachverhalt klargestellt und ein Zurückgreifen auf in den Verwaltungsakten erliegende Beweismittel aus früheren Verfahren nicht notwendig gewesen. Die diesbezügliche Einwendung der Beschwerdeführerin gehe daher ins Leere. Es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 AVG 1950 kann die Wiederaufnahme eines durch einen Bescheid abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen verfügt werden, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.

Die belangte Behörde hat nun im vorliegenden Fall den Tatbestand des Erschleichens als gegeben angenommen. Dieser Tatbestand liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1927, Slg. Nr. 14.920/A, das Erkenntnis vom 6. Mai 1960, Zl. 3137/58) dann vor, wenn der Bescheid in einer Art zustandegekommen ist, dass die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese unrichtigen Angaben dem Bescheid zu Grunde gelegt wurden, wobei die in der gleichen Absicht erfolgte Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 1949, Slg. N. F. 944/A). Ob Irreführungsabsicht vorliegt, entzieht sich als innerer Willensvorgang der unmittelbaren menschlichen Kenntnis. Das Vorliegen einer solchen Absicht kann daher nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden. Die belangte Behörde hat nun gegenständlich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Erhebungsbogen "Erklärung B" vom 30. September 1949, wie auch anlässlich der Erhebungen durch das Magistratische Bezirksamt Graz im Jahre 1950 und in den jährlich von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Einkommenserklärungen nicht den Bezug einer Witwenzuschusspension der Länderbank angegeben hat. Überdies hat sie auch in ihrem Antrag auf Gewährung einer Zusatzrente vom 30. Mai 1950 keine Erwähnung von dieser Zuschusspension gemacht. Aus diesem verhalten schloss die belangte Behörde auf eine Irreführungsabsicht. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht nur die Irreführungsabsicht, sondern auch das Verschweigen wesentlicher Umstände, weil sie der Ansicht ist, bereits im Erhebungsbogen vom 10. Februar 1942 eine Pension von RM 65,40 angegeben zu haben, und dass auf Grund dieses Erhebungsbogens am 19. März 1942 eine Zuschrift des Versorgungsamtes Graz an die Länderbank über die Höhe der Hinterbliebenenbezüge nach ihrem am 22. November 1941 verstorbenen Gatten gerichtet worden sei, die auch entsprechend der Anfrage von der Länderbank beantwortet worden sei. Der in diesem Vorbringen zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht der Beschwerdeführerin kann nicht beigepflichtet werden. Das von der belangten Behörde festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin wurde nicht bestritten. Demnach hat diese in der Erklärung vom 30. September 1949 unter Punkt 18 nur den Rentenbezug von der Angestelltenversicherungsanstalt Wien in der Höhe von S 173,30 angeführt und die Hinterbliebenenbezüge nach ihrem am 22. November 1941 verstorbenen Gatten der Länderbank nicht bekannt gegeben. Wenn nun die Beschwerdeführerin vermeint, dass die diesbezügliche Fragestellung der Erklärung unklar gewesen sei, so muss wohl auf die der Erklärung angefügte Belehrung für die Ausfüllung der Erklärung hingewiesen werden, aus der sich zu 5) eindeutig ergibt, was im Abschnitt d) anzugeben ist, nämlich ein Ruhegenuss (Pension) ein Versorgungsgenuss (Witwenpension), Altersrente, Invaliditätsrente und Unfallrente. Es ist richtig, dass die Beschwerdeführerin es unterlassen hat, die für sie nicht bestimmten Rubriken durchzustreichen oder zumindest sinngemäß verneinend zu beantworten, doch übersieht sie, dass die mangelhafte und sachlich unrichtige Ausfüllung der Erklärung 1949 nicht die einzige Grundlage für die Zuerkennung der Witwenrente gewesen ist, sondern dass das Landesinvalidenamt über das Magistratische Bezirksamt Graz die Beschwerdeführerin über ihre Wirtschaft-, Erwerbs- und Vermögensverhältnisse einvernehmen ließ, und die Beschwerdeführerin bei dieser Einvernahme angab, außer der Invalidenrente noch eine Rente von monatlich S 173,30 zu beziehen. Bei dieser Einvernahme ist wohl kein Grund vorgelegen, den Bezug der Witwenpension zu verschweigen, weil die Frage ganz allgemein nach dem Einkommen der Beschwerdeführerin gestellt war und die Witwenpension sicher einen Teil des Einkommens der Beschwerdeführerin darstellt. Sollte sich die Beschwerdeführerin über die Notwendigkeit der Angabe dieses Einkommens im Unklaren gewesen sein, so hätte sie sich zweifellos darüber anlässlich ihrer persönlichen Vernehmung Klarheit verschaffen können. Sie durfte nicht in den jährlich immer wieder abzugebenden Einkommenserklärungen ohne vorherige Klarstellung dieser Frage den Bezug der Hinterbliebenenbezüge von Seiten der Länderbank verschweigen. Wenn daher die belangte Behörde bei Berücksichtigung all dieser Umstände im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung den Schluss auf eine Irreführungsabsicht gezogen und die Erschleichung der Rente angenommen hat, so kann ihr diesbezüglich nicht entgegengetreten werden.

Soweit aber die Beschwerdeführerin vermeint, dass die belangte Behörde auch jene Beweismittel zu berücksichtigen gehabt hätte, die bereits vor dem Jahre 1949 vorgelegen und aus denen für die belangte Behörde zu ersehen gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin in den Bezug der Witwenversorgung nach ihrem verstorbenen Gatten stehe, so ist dem entgegenzuhalten, dass eine Verpflichtung zur Berücksichtigung solcher Beweismittel, wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. Mai 1960, Zl. 3137/58, bereits zum Ausdruck gebracht hat, nur dann bestanden hätte, wenn die der belangten Behörde in ihrem nunmehrigen Verfahrens vorgelegenen Unterlagen zur Beurteilung der zu entscheidenden Rechtsfrage nicht ausgereicht hätten. Davon kann aber vorliegendenfalls, wie oben bereits dargelegt, keine Rede sein. Mit der Ausfüllung der Erklärung vom 30. September 1949 und der Vernehmung der Beschwerdeführerin über ihre Vermögens- und Einkommenslage sowie hinsichtlich der weiteren abgegebenen Erklärungen war der für die Entscheidung über die Frage des Anspruches erforderliche maßgebende Sachverhalt klargestellt und bedurfte es daher nicht mehr der Heranziehung weiterer Beweismittel. Es war daher ein Zurückgreifen auf in den Verwaltungsakten erliegende Beweismittel aus früheren Verfahren nicht notwendig. Damit aber geht auch diese Einwendung fehl.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, musste die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.

Wien, am 21. Mai 1965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1965:1964002291.X00

Im RIS seit

29.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten