Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Chamrath, und die Hofräte Dr. Striebl, Dr. Schmid, Dr. Schmelz und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des O C in I, vertreten durch Dr. Ernst Vcelek, Rechtsanwalt in Innsbruck, Adolf-Fischer-Platz 13, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. Jänner 1966, Zl. II b- 1340/1-1965, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Tiroler Landesregierung hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.015,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion Innsbruck, Strafamt, erkannte den Beschwerdeführer nach Durchführung einer Verhandlung mit dem mündlich verkündeten Straferkenntnis vom 4. August 1965 schuldig, sich am 27. November 1964 um 18.40 Uhr als Lenker, des Personenkraftwagens T nnn auf der Claudiastraße in Innsbruck dem Schutzweg an der Kreuzung mit der Siebererstraße unter besonders gefährlichen Verhältnissen nicht mit einer solchen Geschwindigkeit genähert, dass dort dem Fußgänger P M das ungehinderte Überqueren der Fahrbahn möglich gewesen wäre, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 (StVO), begangen zu haben. Gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe drei Wochen) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass sich der zur Tatzeit dem Schutzweg mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 40 km/h genähert, den Fußgänger P M zu spät bemerkt und ihn daher niedergestoßen habe, wodurch dieser zum Tode führende Verletzungen erlitten habe. Die Annäherungsgeschwindigkeit an den Schutzweg sei unter den zum Unfallszeitpunkt herrschenden besonders gefährlichen Verhältnissen zu hoch gewesen, sodass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten habe können, um dem Fußgänger das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn am Schutzweg zu ermöglichen. Die besonders gefährlichen Verhältnisse seien zu erblicken gewesen in der bereits herrschenden Dunkelheit, die das Abblendlicht erfordert habe, in der mangelhaften Straßenbeleuchtung und in der Annäherung eines Personenkraftwagens von rechts, aus dessen Verhalten der Beschwerdeführer nicht einwandfrei erkennen habe können, ob dessen Lenker den dem Beschwerdeführer gebührenden Vorrang auch tatsächlich beachten werde. Diesen Sachverhalt habe die Behörde auf Grund der VUK-Anzeige vom 12. Dezember 1964, des Urteiles des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. April 1965 (GZ. VR 3292/64) und des Geständnisses des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie stützte ihre Entscheidung auf die zutreffenden, ausführlich dargelegten Gründe des Straferkenntnisses erster Instanz und fügte noch hinzu, dass zweifellos zur Tatzeit die im angekämpften Straferkenntnis näher ausgeführten besonders gefährlichen Verhältnisse vorgelegen seien, die der Einschreiter nicht durch entsprechende Verminderung der Geschwindigkeit bei Annäherung an den mangelhaft beleuchteten Schutzweg zu entschärfen versucht habe.
Gegen diesen Bescheid wendet sich der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde, in der "unrichtige rechtliche Beurteilung, sowie Rechtswidrigkeit zufolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften" geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Begründung des angefochtenen Bescheides und meint, dass diese völlig unzureichend sei, weil sie lediglich in einem einzigen Satz die Rechtsansicht der Bundespolizeidirektion Innsbruck über das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse beim gegenständlichen Unfall bestätigt habe.
Der Vorwurf des Begründungsmangels ist nicht gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, dass die Berufungsbehörde das Straferkenntnis erster Instanz "aus seinen zutreffenden, ausführlich dargelegten Gründen vollinhaltlich" bestätigt hat. Damit hat sie die Begründung der ersten Instanz zu der ihren gemacht und ist ihrer Begründungspflicht nachgekommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1961, Zl. 399/61, u.a.m.).
Der Beschwerdeführer bekämpft weiter nur die Anwendung der Vorschrift des § 99 Abs. 2 lit. c StVO, und meint, dass im vorliegenden Fall die von der belangten Behörde angenommenen "besonders gefährlichen Verhältnisse" nicht vorgelegen seien. Es sei deshalb auch vom Strafgericht nur ein Vergehen nach § 335 StG und nicht auch nach § 337 a StG angenommen worden. Nicht § 99 Abs. 2 lit. c, sondern § 99 Abs. 3 lit. a StVO währe heranzuziehen gewesen. In diesem Falle hätte jedoch nach § 99 Abs. 6 lit. c StVO wegen der bereits erfolgten gerichtlichen Bestrafung eine Verwaltungsstrafe nicht mehr ausgesprochen werden dürfen.
Was zunächst das Vorbringen hinsichtlich des auch im Strafgesetz verwendeten Begriffes "besonders gefährliche Verhältnisse" anlangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht (vgl. etwa Erkenntnis vom 25. November 1957, Slg. N.F.Nr. 4483/A, und vom 20. März 1963, Zl. 1800/62, u.a.m.), dass die Zielsetzung der beiden in Frage kommenden Gesetze eine andere sei und daher nicht gesagt werden könne, dass durch die Verwendung des gleichen Ausdruckes in beiden Gesetzen die Auslegung der Gesetzesbestimmung in beiden Fällen die gleiche sein muss. Um Wiederholungen zu vermeiden wird besonders auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 20. März 1963, Zl. 1800/62, unter Erinnerung an Art. 14 de Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen. Somit stand es der Verwaltungsbehörde frei, unabhängig von den Gerichten zu beurteilen, ob die Tat "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen wurde. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde als erwiesen angenommen, dass zur Tatzeit bereits Dunkelheit geherrscht habe, die Straßenbeleuchtung mangelhaft gewesen sei und die Aufmerksamkeit des Beschwerdeführers durch einen von rechts kommenden Personenkraftwagen von der Fahrbahn abgelenkt worden sei. Diese Umstände allein rechtfertigen nach Meinung des Gerichtshofes noch nicht die Annahme der im § 99 Abs. 2 lit. c StVO geforderten "besonders gefährlichen Verhältnisse". Der Dunkelheit zur Tatzeit und der mangelhaften Straßenbeleuchtung trug der Beschwerdeführer dadurch Rechnung, dass er mit abgeblendetem Scheinwerferlicht fuhr. Damit kam er seiner Verpflichtung nach der Straßenverkehrsordnung nach. Durch das Herannahen eines von rechts kommenden, nicht den Vorrang besitzenden Kraftfahrzeuges wurde zwar die Aufmerksamkeit des Beschwerdeführers von der Fahrbahn abgelenkt und dadurch eine gewisse schwierige Verkehrslage geschaffen, doch kann auch bei Berücksichtigung dieses Umstandes und einer als erwiesen angenommenen Fahrgeschwindigkeit von etwa 40 km/h im vorliegenden Fall nicht von "besonders gefährlichen Verhältnissen" im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. c StVO gesprochen werden. Liegen aber besonders gefährliche Verhältnisse nicht vor, dann wurde der Tatbestand nach der eben angeführten Bestimmung nicht erfüllt.
Die belangte Behörde hat mithin zu Unrecht das Verhalten des Beschwerdeführers der Bestimmung des § 99 Abs. 2 lit. c StVO unterstellt, was den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.
Die Beschwerde war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 27. Juni 1966
Schlagworte
Verweisung auf die Entscheidungsgründe der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1966:1966000498.X00Im RIS seit
29.01.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008