Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Donner, und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Skorjanec, Dr. Knoll und Dr. Zach als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichter Dr. Eckbrecht, über die Beschwerde der HR in W, vertreten durch Dr. Karl Albrecht Mayer, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid der Republik Österreich, Bundesministerium für Landesverteidigung, vom 25. April 1966, Zl. 5.732-WPol/WW/6, betreffend Entziehung einer Naturalwohnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Landesverteidigung) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.225,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist die Witwe des am 1. Juni 1961 verstorbenen Obersten des höheren militärtechnischen Dienstes WR, dem im Jahre 1956 das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung im Hause 11 der X-siedlung in Wien eine Naturalwohnung zugewiesen hatte. Nachdem die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, am 14. August 1965 gegen die Beschwerdeführerin beim Bezirksgericht Hietzing Klage auf Räumung dieser Wohnung eingebracht hatte, erließ das Bundesministerium für Landesverteidigung unter dem 25. April 1966 an die Beschwerdeführerin folgenden Bescheid:
"Die Naturalwohnung Nr. 1/d im Hause Wien, X-siedlung Haus 11, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Kabinett, 1 Küche, 1 Vorzimmer, 1 Badezimmer, 1 Speisezimmer und 2 Kabinetten im Mansardengeschoß, wird Ihnen mit 31. 5. 1966, gem. § 23 Abs. 3 des GÜG 1946 entzogen. Sie haben bis zu diesem Zeitpunkt die Wohnung von Ihren Fahrnissen geräumt, der Hausverwaltung (Gebäudeverwaltung 4) zu übergeben.
Begründung
Die Wohnung wurde Herrn OstdhmtD WR unter Zl. 5974/56 vom 23. 3 1956, abgeändert mit Zl. 7.100/56 vom 11. 4. 1956 von der BGV II Wien als Naturalwohnung auf Grund seiner Verwendung als Bediensteter des Bundesministeriums für Landesverteidigung in Wien zugewiesen. Da ObstdhmtD WR am 1. 6. 1961 verstorben ist, sind gemäß § 23 Abs. 3 des GÜG 1946 die Voraussetzungen für die Weiterbelassung der Naturalwohnung nicht mehr gegeben."
In der vorliegenden Beschwerde gegen diesen Bescheid werden als Beschwerdegründe Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. In Ausführung des ersten Beschwerdegrundes wird vorgebracht: Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei die für dessen Spruch maßgebliche Gesetzesbestimmung § 23 Abs. 3 des Gehaltsüberleitungsgesetzes (GÜG). Dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle zufolge könnten der Auflösung des Dienstverhältnisses nur die in den §§ 84 bis 86 der Dienstpragmatik geregelte Auflösung zugeordnet werden, denn nur bei einer derartigen Auflösung, nicht aber bei einer Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Tod, könne der Beamte auf Verlangen der Dienstbehörde die Dienst- oder Naturalwohnung räumen. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgestellte Ableitung "da ObstdhmtD WR am 1. Juni 1961 verstorben ist, sind gemäß § 23 Abs. 3 des Gehaltsüberleitungsgesetzes 1946 die Voraussetzungen für die Weiterbelassung der Wohnung nicht mehr gegeben" lasse sich daher mit den Denkgesetzen nicht in Einklang bringen. Gemäß § 1 Abs. 1 GÜG sei dieses Gesetz nur auf Bundesbeamte, d. h. auf die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich stehenden Personen anzuwenden. Da die Hinterbliebenen eines Beamten nicht in den genannten Personenkreis fielen, habe der Gesetzgeber regeln müssen, welche Bestimmungen des § 23 GÜG auf sie Anwendung finden; er habe daher (im § 23 Abs. 4) bestimmt, dass die Vorschriften der Absätze 1 und 2 auch dann gelten, wenn die Hinterbliebenen oder dritte Personen nach dem Ableben des Beamten im Genuss der ihnen zur Verfügung gestellten Dienst- oder Naturalwohnung belassen werden. Da Abs. 3 des § 23 in dessen Absatz 4 nicht genannt werde, sei die Bestimmung des § 23 Abs. 3 GÜG gegen die Hinterbliebenen nicht anzuwenden.
In Ausführung des zweiten Beschwerdegrundes (Unzuständigkeit der belangten Behörde) wird vorgebracht, dass die in Rede stehende Naturalwohnung seinerzeit vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau dem Gatten der Beschwerdeführerin zugewiesen worden sei, dass die Räumungsklage von der Finanzprokuratur im Auftrage dieses Bundesministeriums eingebracht worden sei, die X-siedlung nicht militärischen Zwecken diene und daher nicht das Bundesministerium für Landesverteidigung, sondern das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau "für die durch dieses Ministerium zugewiesene Naturalwohnung ausschließlich zuständig" sei.
Das belangte Bundesministerium vertritt in seiner Gegenschrift die Auffassung, dass das mit dem angefochtenen Bescheid an die Beschwerdeführerin gestellte Verlangen, die Naturalwohnung zu räumen, mangels einer anderen Rechtsvorschrift auf § 23 Abs. 3 GÜG habe gestützt werden müssen, weil es sonst überhaupt nicht möglich wäre, einer Witwe gegenüber, die ohne Rechtstitel die Wohnung tatsächlich inne hat, das Verlangen, die Wohnung zu räumen, mittels eines vollstreckbaren Verwaltungsaktes auszusprechen. Dieses Verlangen habe gemäß § 23 Abs. 3 GÜG die Dienstbehörde zu stellen; Dienstbehörde (des verstorbenen Gatten der Beschwerdeführerin) sei aber das Bundesministerium für Landesverteidigung gewesen, so daß dieses zur Erlassung des angefochtenen Bescheides allein zuständig gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die Gegenschrift erwogen:
Von den Dienst- und Naturalwohnungen handelt § 23 GÜG, der mit "Naturalbezüge" überschrieben ist. "Naturalbezüge" sind, wie sich aus § 24 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54/1956, ergibt, Sachbezüge, die einem Beamten neben seinen Monatsbezügen - gegen ein angemessenes Entgelt - gewährt werden. Gleich den Monatsbezügen sind die Sachbezüge, zu denen Dienst- und Naturalwohnungen zählen, Leistungen, die vom Dienstgeber dem Beamten in Rücksicht auf sein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis oder in Rücksicht auf eine bestimmte Art seiner Dienstverwendung gewährt werden. Wird das Dienstverhältnis aufgelöst oder tritt eine Änderung der Dienstverwendung ein, so hat der Beamte gemäß § 23 Abs. 3 GÜG auf Verlangen der Dienstbehörde die Dienst- oder Naturalwohnung zu räumen. Dieses Verlangen wird nach ständiger, vom Verwaltungsgerichtshof gebilligter Verwaltungspraxis in Form eines der Rechtskraft fähigen Bescheides der Dienstbehörde an den Beamten gestellt. Nun wird das Dienstverhältnis auch durch den Tod des Beamten aufgelöst. In diesem Falle kann an den Beamten eine Aufforderung zur Räumung der Dienst- oder Naturalwohnung nicht gerichtet werden. Durch die Zuweisung einer Dienst- oder Naturalwohnung an einen Beamten erlangt nur dieser einen (öffentlich-rechtlichen) Benützungstitel, nicht aber auch dessen Angehörige. Die Hinterbliebenen oder dritte Personen, die nach dem Tod des Beamten (faktisch) in der Dienst- oder Naturalwohnung belassen werden, erlangen auch dadurch keinen dem öffentlichen Recht zugehörigen Rechtstitel auf Benützung dieser Wohnung. Folgerichtig wird daher zwar im Abs. 4 des § 23 GÜG bestimmt, dass die Vorschriften des Abs. 2 u. a. auch dann gelten, wenn die Hinterbliebenen oder dritte Personen nach dem Tod des Beamten im Genusse der ihm zur Verfügung gestellten Dienst- oder Naturalwohnung belassen werden, nicht aber, dass auch die Vorschriften des Abs. 3 in Bezug auf diese Personen gelten, so daß an diese Personen ein auf die Vorschrift des § 23 Abs. 3 GÜG gestützter bescheidmäßiger Auftrag zur Räumung der Dienst- oder Naturalwohnung nicht gerichtet werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass gegen die Person, die nach dem Tode des Beamten in der ihm zugewiesenen Dienst- oder Naturalwohnung belassen wurden, ein gesetzlicher Zwang zur Räumung der von ihnen ohne Rechtstitel benützten Wohnung nicht ausgeübt werden könnte. Der Titel zur zwangsweisen Räumung der Dienst- oder Naturalwohnung kann in diesem Fall aber nicht ein verwaltungsbehördlicher Bescheid sein, sondern nur ein gegen die genannten Personen im Zivilrechtsweg erwirktes Räumungsurteil oder gerichtlicher Vergleich. (Vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1966, Zl. 604/66.)
Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zur Schaffung eines verwaltungsbehördlichen Räumungstitels gegen die Beschwerdeführerin in Bezug auf die seinerzeit dem Gatten der Beschwerdeführerin zugewiesene Naturalwohnung nicht zuständig war, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben werden. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Ersatz des Aufwandes der Beschwerdeführerin gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Artikel I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4, das Mehrbegehren war als im Gesetz nicht begründet abzuweisen.
Wien, am 19. Oktober 1966
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1966:1966000831.X00Im RIS seit
08.02.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008