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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §148 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde des NP in W, vertreten durch Dr. Bronislaw Bardasz, Rechtsanwalt in Wien III, Dannebergplatz 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom 26. November 1964, Zl. VI-2839/64, betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1958 bis 1960, Vermögensteuer und Einheitsbewertung zum 1. Jänner 1959, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Bronislaw Bardasz, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrates Dr. LS, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt den Handel mit Juwelen und Uhren. Im März 1962 fand in seinem Betrieb eine Betriebsprüfung statt, die die Jahre 1958 bis 1960 umfasste. Im Zuge der Betriebsprüfung wurden von den Prüfern drei Notizbücher gefunden, die nach Meinung der Prüfer verschlüsselte Aufzeichnungen über die Tageslosungen in den jeweils letzten Monaten der Jahre 1958, 1959 und 1961 enthielten. Da die aus den entschlüsselten Aufzeichnungen sich ergebenden Ziffern die gebuchten Erlöse überstiegen, nahmen die Prüfer eine Schätzung vor, wobei sie im einzelnen zu Umsätzen von S 150.000,--, S 490.000,-- und S 605.000,--, zu Gewinnen von S 16.354,--, S 20.000,-- und S 75.000,-- und zu einem Betriebsvermögen am 1. Jänner 1959 von S 300.000,-- gelangten. Die Prüfungsfeststellungen wurden vom Beschwerdeführer und seinem Steuerberater durch Rechtsmittelverzicht anerkannt. In der Folge zog der Beschwerdeführer seine Unterschrift unter die bezügliche Erklärung mit der Begründung zurück, er sei in der Zeit der Rekonvaleszenz nach einer Spitalsbehandlung noch nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen und habe, nur um Ruhe und Abstand zu gewinnen, vorerst einmal unterschrieben. Der bei der Abgabe des Rechtsmittelverzichtes anwesend gewesene Steuerberater des Beschwerdeführers gab dazu an, dass er die Entscheidung über den Rechtsmittelverzicht dem Beschwerdeführer selbst überlassen und durch seine Unterschrift lediglich deren Vertretbarkeit im Rahmen seiner beruflichen Verantwortlichkeit deklariert habe. Die Finanzlandesdirektion billigte danach dem Beschwerdeführer zu, dass der abgegebene Rechtsmittelverzicht keine Rechtswirkung ausgelöst habe. Sie nahm die Berufung, die der Beschwerdeführer erhoben hatte, in meritorische Behandlung. In der Berufung wurde auf die erklärten Ziffern hingewiesen und überdies vorgebracht, dass 1960 eine Überbewertung des Warenlagers vorliege. Dukaten seien statt mit S 99,70 mit S 114,-- und 4418 g Gold sei mit dem Tageskurs von S 17,15 bewertet worden. Bei den aufgefundenen Notizbüchern habe es sich um rein private Aufzeichnungen gehandelt, die mit den Umsätzen nichts zu tun hätten. Die belangte Behörde führte eine Verhandlung durch. Nachdem der Beschwerdeführer bereits auf eine an ihn im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen ergangene Aufforderung erklärt hatte, die drei erwähnten Notizbücher nicht mehr vorlegen zu können, weil er sie am Tage ihrer Rückhändigung weggeworfen habe, gab er in der Verhandlung an, diese Notizbücher verbrannt zu haben, weil sie ihm Verdruss gemacht hätten. Einige der Eintragungen in den Notizbüchern seien Vorarbeiten für die Inventur, die übrigen privater Natur gewesen.
Die belangte Behörde gab der Berufung insoweit statt, als sie unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer eingewendeten Überbewertung der Warenvorräte zum 31. 12. 1960 den Gewinn des Jahres 1960 auf S 65.000,-- und die darauf entfallenden Steuern entsprechend verminderte. Im übrigen wies sie aber die Berufung ab. Die Prüfer hätten mit dem Beschwerdeführer im Gegenstand eine Niederschrift aufgenommen, nach deren Inhalt es nicht ausgeschlossen erscheine, dass die Notizbücher zum Teil Aufzeichnungen über Umsätze enthielten. Die Notizbücher hätten, auch wenn es sich um private Aufzeichnungen handelte, gemäß § 166 BAO als Beweismittel herangezogen werden können. Der Senat habe davon ausgehen können, dass die Ermittlungen der Betriebsprüfung auf diesem Gebiet ihre Richtigkeit hatten. Dass der Beschwerdeführer dadurch in Beweisnotstand gerate, dass er sich der Beweismittel entledigt habe, müsse er selbst vertreten. Bei der Bewertung des Warenlagers hätten sich geringere Differenzen gezeigt, als der Beschwerdeführer behaupte. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung habe der durchschnittliche Preis bei den Dukaten S 107,80 betragen. Bei Bruchgold schwanke der Einkaufspreis zwischen S 16,50 und S 17,50. Unter Berücksichtigung einer durch die Betriebsprüfung ziffernmäßig mit S 7.196,-- festgestellten Überbewertung habe der Senat die eingewendete Überbewertung mit S 10.000,-- in Anschlag gebracht.
In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird der Standpunkt der belangten Behörde als rechtswidrig bekämpft und der Vorwurf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:
In der vorliegenden Beschwerde wird vor allem die Art der Durchführung der Betriebsprüfung gerügt und eine Verletzung von aus der Bundesabgabenordnung sich ergebenden sowie von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht.
Es überschreite die Befugnisse einer Betriebsprüfung - so wird in der Beschwerde ausgeführt -, wenn der Prüfer in Schubladen, in denen sich Privatkorrespondenz und sonstige Schriftstücke befinden, die nicht Unterlagen für die dem Prüfer vorgelegten Bücher darstellen, herumsuche. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer einmal darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über behauptete Rechtsverletzungen durch faktische Amtshandlungen nicht berufen ist. (Vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1956, Slg. Nr. 4146/A.) Soweit aber damit der gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Vorwurf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet und dazu noch eine Verletzung von aus den Bestimmungen des § 148 Abs. 5 BAO sich ergebenden Rechten geltend gemacht wird, weil die Betriebsprüfung ohne vorherige Ankündigung durchgeführt worden sei, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass eine Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen kann, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Handelt es sich aber bei den gegenständlichen Notizbüchern um zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignete Beweismittel, dann kann gegen den unter Verwertung dieser Beweismittel ergangenen Bescheid nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass der Prüfer, hätte er sich an den Umfang seiner rechtlichen Befugnisse gehalten, niemals zur Heranziehung der Notizbücher und folglich zur Annahme von Mehrerlösen gekommen wäre. Die Bestimmungen des § 148 Abs. 5 BAO, deren Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, stellen lediglich sanktionslose Vorschriften dar. Die Beschwerde vermag auch auf keine Bestimmung hinzuweisen, die eine rechtliche Handhabe dafür bieten könnte, den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel gemäß § 166 BAO gegenüber Beweismitteln nicht anzuwenden, gegen deren Sicherstellung Vorwürfe der vorliegenden Art erhoben werden und bei der Erforschung der materiellen Wahrheit solche Beweismittel außer acht zu lassen.
Die Beschwerde erhebt auch Einwendungen gegen die Eignung der gegenständlichen drei Notizbücher als Beweismittel im Sinne des behördlichen Standpunktes. Die Annahme, sie enthielten Aufzeichnungen von Umsätzen in verschlüsselter Form, sei eine nicht begründete Vermutung. Der Beschwerdeführer habe durch Zufall zwei der Notizbücher wieder gefunden. Daraus ergebe sich, dass die Annahme, es handle sich um die Aufzeichnung von Tagesumsätzen bzw. Losungen, ungerechtfertigt sei. In dem Notizbuch für das Jahr 1959 fänden sich Aufzeichnungen ab dem 1. Dezember. Es wäre merkwürdig, dass der Beschwerdeführer nur im Dezember Aufzeichnungen über Tageslosungen geführt hätte.
Soweit in diesen Einwendungen die Wiederauffindung von zwei der gegenständlichen drei Notizbücher geltend gemacht wird, handelt es sich um ein gemäß § 41 VwGG 1965 unbeachtliches Neuvorbringen, sodass auf die daran anknüpfenden Ausführungen nicht weiter einzugehen war. Zu prüfen ist danach lediglich, ob die Behörde in der Annahme des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalts und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen Rechte des Beschwerdeführers verletzt hat. Wenn die Behörde von der Annahme ausging, dass es mit den unter Heranziehung der aufgefundenen Notizbücher angestellten Ermittlungen der Prüfer seine Richtigkeit habe, so konnte sie sich dabei jedenfalls auf den Bericht der Prüfer stützen, der u.a. eine am 21. März 1962 mit dem Beschwerdeführer aufgenommene Niederschrift enthält, wonach es sich bei den Eintragungen in den Notizbüchern um Vorarbeiten für die Inventur handle und der Beschwerdeführer über die weiteren Eintragungen mit Bestimmtheit nichts sagen könne. Desweiteren stand der Behörde aber auch die Anerkennung der Prüfungsergebnisse durch den Beschwerdeführer zur Seite, die dieser erst nach Ablauf eines Zeitraumes von vier Wochen widerrufen hat, sowie die dazu abgegebene Erklärung seines Steuerberaters. In dieser heißt es u. a.: "Die Prüfungsfeststellungen waren derartig, dass ich dem Steuerpflichtigen die Schwierigkeiten, die voraussichtlich lange Dauer und den völlig ungewissen Ausgang eines Rechtsmittelverfahrens vor Augen geführt habe. Auf seine Entscheidung, nämlich einen Rechtsmittelverzicht abzuschließen, habe ich keinen direkten Einfluss genommen, sondern ihm im Gegenteil in Anwesenheit des Prüfers die Entscheidung selbst überlassen, wobei ich deren Vertretbarkeit im Rahmen meiner Berufsverantwortlichkeit durch meine Unterschrift auf der Verhandlungsniederschrift dokumentiert habe". Da aber die Grundlage der Schätzungen der Prüfer die Entschlüsselungsergebnisse aus den aufgefundenen Notizbüchern waren, zeigt diese Erklärung mit aller Deutlichkeit, dass die aus den Feststellungen der Prüfer sich ergebenden Schätzungsergebnisse vom Steuerberater als vertretbar angesehen wurden. In der grundsätzlichen Bestätigung der von den Prüfern aus den aufgefundenen Notizbüchern gezogenen und von der ersten Instanz übernommenen steuerrechtlichen Folgerungen durch die belangte Behörde kann daher eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden.
Die Beschwerde wendet sich schließlich dagegen, dass die belangte Behörde bei der Berücksichtigung der geltend gemachten Überbewertung der Warenvorräte zum 30. Dezember 1960 bei den Dukaten von einem durchschnittlichen Einkaufspreis von S 107,80 und nicht von dem beantragten Wert von S 99,70 ausgegangen ist. Dazu beruft sich der Beschwerdeführer auf den Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 9. Februar 1957, Zl. 15119/15 A/57, wonach der Kassenwert für einen Dukaten mit S 99,70 festgesetzt wurde. Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil es sich bei dem bezogenen Erlass nicht um rechtsverbindliche Normen handelt, aus denen vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechte abgeleitet werden können und der Beschwerdeführer die Verletzung eines aus den maßgeblichen Bestimmungen des § 6 EStG sich ergebenden Rechtes nicht dargetan hat.
Somit erweisen sich die Beschwerdeeinwendungen nicht als geeignet, die behaupteten Rechtsverletzungen darzutun. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG 1965 und Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965, wobei der begehrte Aufwandersatz nur in einfacher Höhe zuzusprechen war, weil lediglich ein Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof angefochten wurde.
Wien, am 20. Jänner 1967
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1967:1965000564.X00Im RIS seit
13.08.2001Zuletzt aktualisiert am
18.05.2015