TE Vwgh Beschluss 1967/4/10 0279/67

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Veröffentlicht am 10.04.1967
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
B-VG Art132;
VwGG §27 idF 1946/212;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden in der Beschwerdesache des EG in W gegen die Niederösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit der Straßenverkehrsordnung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

In der vorliegenden Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird im wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer mit dem rechtskräftigen Straferkenntnis des Polizeikommissariates Wr. Neustadt vom 15. Juli 1964 gemäß §§ 5 und 99 Abs. 1 lit a Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 (StVO), bestraft worden sei. Diesem Straferkenntnis sei die Annahme zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 14. Juni 1964 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand sein Fahrzeug gelenkt habe, weil nach dem Ergebnis einer Blutalkoholuntersuchung durch Rückrechnung vom Zeitpunkt der Blutabnahme ein Blutalkoholwert für den Unfallszeitpunkt von 1,35 %o ermittelt worden sei. Der Beschwerdeführer habe zunächst wegen des Verkehrsunfalles am 14. Juni 1964 vom Kreisgericht Wr. Neustadt mit Urteil vom 23. November 1964 wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach §§ 335 und 337 lit. b StG eine Arreststrafe in der Dauer von vier Monaten erlitten, sei jedoch nach Erhebung einer Berufung schließlich mit dem Urteil des gleichen Gerichtes vom 23. Februar 1965 nur mehr wegen Vergehens nach § 337 lit. a StG bestraft worden. Letzterer Verurteilung sei eine Begutachtung durch den Sachverständigen Primarius Dr. AE. vorangegangen, welche unter der Voraussetzung der vom Gericht als erwiesen angenommenen Umstände einem Blutalkoholwert im Unfallszeitpunkt von 0,6 %o ermittelt habe. Inzwischen habe der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt, um die offenbar zu Unrecht erfolgte Bestrafung nach §§ 5 und 99 Abs. 1 lit. a StVO zu beseitigen. Diesen Antrag habe dass Polizeikommissariat Wr. Neustadt mit Bescheid vom 12. Oktober 1964 wegen Verspätung zurückgewiesen; doch sei dem Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter nach dem weiteren Beschwerdevorbringen wiederholt in Aussicht gestellt worden, das Verfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen, sobald die gerichtliche Verurteilung nach § 337 lit. b StG durch eine rechtskräftige Entscheidung weggefallen sei. Als nun der Beschwerdeführer schließlich nur mehr wegen § 337 lit. a StG gerichtlich bestraft worden sei, habe er am 3. März 1965 beim Bundespolizeikommissariat Wr. Neustadt den Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Wie sich aus den eingeholten Verwaltungsakten ergibt, verwies der Beschwerdeführer in einer weiteren am 7. Mai 1965 bei der vorgenannten Behörde eingelangten Eingabe darauf, dass über den Wiederaufnahmeantrag vom 3. März 1965 bisher nicht entschieden worden sei, weil zunächst das Ergebnis der Berufung im gerichtlichen Strafverfahren abgewartet werden sollte; inzwischen habe aber das Gericht in seinem Urteil vom 23. Februar 1965 festgestellt, dass der Blutalkoholwert des Beschwerdeführers am 14. Juni 1964 nur 0,6 %o betragen habe, weshalb er neuerlich den Antrag stelle, die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens "zu verfügen". Da das Polizeikommissariat Wr. Neustadt in der Folge eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nicht verfügte, beantrage der Beschwerdeführer am 2. November 1965 bei der Niederösterreichischen Landesregierung den Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950. Mit der vorliegenden Beschwerde machte der Beschwerdeführer Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 132 B-VG, bzw. § 27 VwGG 1965 geltend, weil eine bescheidmäßige Erledigung auch durch die belangte Behörde nicht erging.

Dieser Beschwerde steht aus folgenden Gründen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen:

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Artikel 132 B-VG erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antragen auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist, und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Für die Zulässigkeit einer gemäß Artikel 132 B-VG erhobenen Beschwerde ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungegeriehtshofes (vgl. z. B. die Beschlüsse von 11. Juni 1947, Slg. N. F. Nr. 103/A und vom 27. September 1947, Slg. N. F. Nr. 147/A) ferner Voraussetzung, dass die solcherart angerufene Behörde verpflichtet ist, über das Parteibegehren des Beschwerdeführers eine Sachentscheidung zu treffen. Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall, wie sich aus folgenden ergibt, nicht gegeben:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und die in lit.a), b) oder c) angeführten Voraussetzungen vorliegen. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat (§ 69 Abs. 2 AVG.). Nach § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden; nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 lit. a stattfinden. Es bedarf demnach nur ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 AVG einer Bewilligung während die amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 3 AVG verfügt wird. Daraus ergibt sich, dass ein Anspruch auf Entscheidung - Bewilligung oder Versagung der Wiederaufnahme - nur dann in Frage kommen kann, wenn ein Antrag im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG gestellt wurde, nicht aber bei Vorliegen einer Anregung, die Behörde möge die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens verfügen. Der Gerichtshof hat auch in diesem Zusammenhang schon mehrfach, insbesondere im Beschluss vom 4. April 1957, Slg. N. F. Nr. 4323/A, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, ausgesprochen, dass - ebenso wie hinsichtlich der Handhabung des Abänderungsrechtes nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG - die Behörde in der Frage, ob ein durch einen rechtskräftigen Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen ist, völlig freie Hand hat, weshalb der Partei keinerlei Einflussnahme darauf zusteht, dass die Behörde von der ihr im § 69 Abs. 3 AVG eingeräumten Befugnis Gebrauch macht. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass jeder Antrag auf amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens begrifflich auch den Antrag auf "Erledigung zufolge Parteiantrages" in sich schließe, kommt keine Berechtigung zu, weil die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens zu der Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag gemäß § 69 Abs. 1 AVG im Gegensatz steht. Da der Beschwerdeführer durch seinen anwaltlichen Vertreter ausdrücklich nur beantragt hat, die Behörde wolle die amtswegige Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens verfügen, kann der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG auf dessen Erledigung dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch zugestanden wäre, nicht vorgelegen ist, sondern nur eine die Behörde in keiner Weise verpflichtende Anregung zur amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens.

Da demnach die Behörde keine Verpflichtung traf, über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag eine Sachentscheidung zu treffen, war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 10. April 1967

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1967:1967000279.X00

Im RIS seit

08.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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