TE Vwgh Beschluss 1967/10/18 1191/66

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Veröffentlicht am 18.10.1967
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1859 §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Beschwerdesache der S-KG und des KS, beide in I, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 23. Mai 1966, Zl. 156.661-IV-22 BA/66, betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-

- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem namens des Bürgermeisters gefertigten Bescheid vom 11. Mai 1965 hatte der Stadtmagistrat I, der gleichzeitig als Bau- und Gewerbebehörde eingeschritten war, A G in I, der mitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt, im Erdgeschoß des Fabriksgebäudes K-gasse auf den Parzellen n1 und n2 der Katastralgemeinde W eine der Ausübung des Wäschergewerbes dienende Betriebsanlage errichten zu dürfen. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung an Ort und Stelle vom 5. März 1965 geht hervor, dass als Liegenschaftseigentümer die Fa. M, vertreten durch RH, beigezogen war. Außerdem war der Zweitbeschwerdeführer beigezogen. In der Verhandlungsschrift wird er als Anrainer bezeichnet.

Mit Schriftsatz vom 10. September 1965 erhob der Zweitbeschwerdeführer - dem dieser Bescheid in seiner Eigenschaft als Nachbar der Betriebsanlage zwecks Behebung ursprünglich unterlaufener Zustellungsmängel nachträglich zugestellt worden war, während eine Zustellung an die Erstbeschwerdeführerin nach der Aktenlage nicht stattgefunden hatte - im eigenen Namen sowie im Namen der Erstbeschwerdeführerin Berufung. Der Zweitbeschwerdeführer begründete seine Legitimation zur Einbringung der im eigenen Namen erhobenen Berufung mit dem Hinweis auf seinen Eigentumsanteil an der der Anlage benachbarten Liegenschaft EZ. n3 des Grundbuches der Katastralgemeinde W. Hingegen leitete er die Parteistellung der Erstbeschwerdeführerin aus dem Umstand ab, dass sie, wie aus dem Briefkopf (gemeint: der Berufungsschrift) und den bei der Behörde aufliegenden gewerberechtlichen Unterlagen ersichtlich sei, die Berechtigung zum Betriebe des Gewerbes "fabriksmäßige Erzeugung von Lebens- und Genussmitteln" im Standort H-straße mit weiteren Betriebsstätten, u. a. in I, K-gasse, besitze. Die Eigentumsverhältnisse an dem Betriebsgrundstück des Mitbeteiligten seien noch nicht endgültig zu dessen Gunsten entschieden. In sachlicher Hinsicht wurden in Ausführung der Berufung Einwendungen gegen die Genehmigung der Betriebsanlage erhoben.

Den durch das Amt der Tiroler Landesregierung in Erledigung dieser Berufung namens des Landeshauptmannes erlassenen abweislichen Bescheid vom 27. Dezember 1965 focht der Zweitbeschwerdeführer lediglich im Namen der Erstbeschwerdeführerin, nicht aber auch im eigenen Namen mittels neuerlicher Berufung an. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 1966 gab das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau dieser Berufung aus den im wesentlichen für zutreffend erachteten Gründen des vorinstanzlichen Bescheides keine Folge.

Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

Der Zweitbeschwerdeführer hatte, wie schon in der Darstellung des Sachverhaltes erwähnt worden ist, den Bescheid des Amtes der Landesregierung im eigenen Namen nicht bekämpft. Die vorliegende Beschwerde konnte der Verwaltungsgerichtshof demnach insoweit, als sie durch den Zweitbeschwerdeführer erhoben worden ist, schon deshalb nicht zur Entscheidung annehmen, weil es an der im Art. 131 Abs. 1 Einleitungssatz B-VG festgelegten Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges fehlt.

Die Erstbeschwerdeführerin hingegen hat den Instanzenzug erschöpft, sodass die Beschwerde insoweit unter der Voraussetzung zulässig und in sachliche Behandlung zu ziehen wäre, als die Erstbeschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt sein könnte. Dies ist indessen nicht der Fall.

Die Ansicht der Behörde zweiter Instanz, dass die Erstbeschwerdeführerin im Verfahren wegen der Genehmigung der Betriebsanlage Parteistellung besitze, deshalb ihre Berufung zulässig und demnach darüber sachlich abzusprechen sei, beruht offenbar auf der Erwägung, dass sie die Eigenschaft eines Anrainers besitze, und zwar deshalb, weil sie im Standort der Betriebsanlage eine Gewerbeberechtigung innehabe. In der Gegenschrift heißt es zwar, sie sei auf Grund der Gewerbeberechtigung zur fabriksmäßigen Erzeugung von Lebens- und Genussmitteln für den Standort I, H-straße und K-gasse, berechtigt, es wird aber zugleich darauf verwiesen, dass ein derartiger Betrieb am Standort K-gasse überhaupt nicht existent sei. Schon in der Berufungsentscheidung des Amtes der Landesregierung ist davon die Rede, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung ein solcher Betrieb nicht bestand. Dieser Feststellung war auch die Erstbeschwerdeführerin in ihrer weiteren Berufung nicht entgegengetreten. Die Beurteilung des eben umschriebenen Sachverhaltes im Sinn der Partei- und Anrainerstellung durch das Amt der Landesregierung war rechtsirrig. Ein in der realen Wirklichkeit nicht in Erscheinung getretenes Gewerberecht vermag eine solche Rechtswirkung nicht zu erzielen, denn es fehlt das für den Anrainer charakteristische Naheverhältnis zur Betriebsanlage. Richtigerweise hätte schon die Berufung durch das Amt der Landesregierung zurückgewiesen werden müssen; jedenfalls hätte dies durch die belangte Behörde geschehen müssen. Dies ist ebenso nicht geschehen, weil auch die belangte Behörde von der Partei- und Anrainerstellung der Erstbeschwerdeführerin ausgegangen ist. Ansonsten wäre ja die Aufrechterhaltung der Abweisung der Berufung durch das Amt der Landesregierung unverständlich.

Für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin durch den Verwaltungsgerichtshof ergibt sich nun folgendes.

Die Rechtsstellung als Anrainerin der Betriebsanlage des Mitbeteiligten und damit ihre prozessrechtliche Stellung als Partei des Verwaltungsverfahrens hat die Erstbeschwerdeführerin, wie bereits dargetan wurde, mit einer ihr zukommenden Berechtigung zur Ausübung eines Gewerbes im Standort der Betriebsanlage begründet. Dass sie im Bereiche der Betriebsanlage auch über eine eigene Betriebsstätte verfüge oder das Gewerbe, zu dem sie berechtigt ist, tatsächlich ausübe oder aber auch nur über irgendwelche Räumlichkeiten verfüge, hat sie nicht behauptet. Dies ungeachtet des Umstandes, dass schon im Bescheid der Behörde zweiter Rechtsstufe festgestellt worden war, ein Betrieb der Erstbeschwerdeführerin bestehe nicht, und dass auch die belangte Behörde sowohl in der Begründung ihres Bescheides als auch in der Gegenschrift auf das Fehlen jeglichen Betriebes hingewiesen hatte. Eine bloß rechtliche, aber nicht auch tatsächliche, als ein örtliches Naheverhältnis zu umschreibende Beziehung zu einer gewerblichen Betriebsanlage kann allerdings die Rechtsstellung eines Nachbarn nicht begründen. Ist es doch hiefür, wie der Gerichtshof schon mehrfach, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 1959, Slg. N. F. Nr. 5154/A, ausführlich dargelegt und begründet hat, Voraussetzung, dass die Betriebsstätte, der gegenüber ein Nachbarschaftsverhältnis entstehen soll, geeignet ist, auf die Person oder das Eigentum des potenziellen Nachbarn schädliche Einwirkungen auszuüben. Nach dem in dieser Hinsicht unwidersprochenen Inhalt der Verwaltungsakten besteht indes, wie gesagt, eine solche Beziehung zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Betriebsanlage des Mitbeteiligten nicht. Es fehlt der Ersteren sohin an der Rechtsstellung eines Nachbarn. Durch den angefochtenen Bescheid kann sie daher ungeachtet des Umstandes, dass die belangte Behörde diese rechtliche Situation nicht erkannt und keine Entscheidung über die Berufung in dem vorhin aufgezeigten Sinn getroffen hat, als sie namens der Erstbeschwerdeführerin erhoben worden war, in ihren Rechten nicht verletzt sein (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 13. Oktober 1953, Slg. N. F. Nr. 3136/A).

Der Mangel einer Rechtsverletzungsmöglichkeit führt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Anhang Nr. 9/1948 zur Amtlichen Sammlung seiner Entscheidungen) zur Zurückweisung der Beschwerde, weshalb auch die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47, 48 und 51 VwGG 1965 sowie auf Art. I, Abschnitt B, Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, am 18. Oktober 1967

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1967:1966001191.X00

Im RIS seit

04.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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