TE Vwgh Erkenntnis 1968/12/20 1717/68

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Veröffentlicht am 20.12.1968
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
WRG 1959 §10 Abs2;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strau und die Hofräte Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Knoll und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissär Dr. Traxler, über die Beschwerde der XY AG. in X, vertreten durch Dr. Kurt Jaeger, Rechtsanwalt in Linz, Hauptplatz 21, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 24. Oktober 1968, Zl. 71.626-I/68, betreffend Devolutionsantrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin begehrte mit dem als "Säumnisbeschwerde" bezeichneten Antrag vom 17. bzw. 26. Juli 1968, das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft möge wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Landeshauptmannes von Oberösterreich als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über das Ansuchen der Firma M Ges. m.b.H. in W um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Abwasserbeseitigung der Tankstelle in L entscheiden. Diesem Antrag gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 73 AVG 1950 unter anderem mit der Begründung keine Folge, dass über das Ansuchen der Firma M Ges.m.b.H. (kurz: Firma M) um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Beseitigung der Ab- und Niederschlagswässer der auf den Parzellen nnn1, nnn2 und nnn3, Katastralgemeinde X, geplanten Tankstelle sowie zur dortigen Treibstofflagerung das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung am 6. September 1966 eine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. In dieser habe insbesondere der amtliche geologische Sachverständige eine Gefährdung der Brunnenanlage IV der XY-Werke durch Grundwasserverunreinigungen im Bereiche der geplanten Tankstelle bejaht, desgleichen durch die Einleitung ölgetränkter Abwässer in die ca. 200 m unterhalb der Kanaleinmündung in das Grundwasser einspeisende Ager. Die Tankstelle befinde sich zwar außerhalb des bescheidgemäß festgelegten Schutzgebietes, jedoch eindeutig im unmittelbaren Einzugsgebiet des Brunnens, wobei die Verweildauer des Grundwassers zwischen Tankstelle und Brunnen nur etwa zehn bis fünfzehn Tage betrage. Die bei der Tankstelle vorgesehenen Maßnahmen (Stahlbetonwanne und Leichtstoffabscheider) erschienen für einen entsprechenden Schutz des Grundwassers nicht ausreichend.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen habe die Beschwerdeführerin am 26. bzw. 27. Juli 1967 die Abweisung des gegenständlichen Bewilligungsansuchen verlangt. Am 18. August 1967 hätten beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung zwei bevollmächtigte Vertreter der Firma M vorgesprochen und unter Hinweis auf ein noch einzuholendes Privatgutachten gebeten, mit der Bescheiderlassung zuzuwarten. Am 16. bzw. 26. Juli 1968 habe nunmehr die Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht des Landeshauptmannes gerügt und den Übergang der Zuständigkeit an die belangte Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde mit der Begründung geltend gemacht, dass die Beschwerdeführerin als Grundanrainerin und Wasserberechtigte Parteistellung genieße, die Behörde also damit auch ihr gegenüber zur Entscheidung verbunden sei, zumal eine derart wichtige Angelegenheit nicht so lange in Schwebe gelassen werden dürfe. Dass der Devolutionswerberin im gegenständlichen Verfahren an sich Parteistellung zukomme, sei unbestritten. Ob letztere aber so weit reicht, dass daraus für die Devolutionswerberin ein Anspruch auf Entscheidung über das seitens des Rechtgegners eingebrachte Bewilligungsansuchen binnen sechs Monaten abgeleitet werden könne, sei eine andere Frage. Die Devolutionswerberin habe jedenfalls nicht näher dargetan, dass die Verfahrensverzögerung in ihre wasserrechtlich geschützte Rechtssphäre (§ 12 WRG 1959) einzugreifen vermöge, insbesondere etwa, dass sie das Brunnengrundstück veräußern wolle und sich das schwebende Verfahren auf den Kaufpreis senkend auswirke. Das bloße Interesse an einer alsbaldigen Beruhigung und Klärung allein könne hier jedoch nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die Zuständigkeit der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde werde schließlich nur dann begründet, wenn die Behörde an der Überschreitung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist ein ausschließliches Verschulden treffe, was gegenständlich zu verneinen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in den Bestimmungen des § 73 Abs. 2 AVG 1950 und in ihren Parteienrechten im wasserrechtlichen Verfahren nach § 8 AVG und § 102 Abs. 1 WRG 1959 verletzt.

Die Beschwerde erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als unberechtigt:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt, so geht nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ihre Ergänzung finden die Bestimmungen über die Entscheidungspflicht in den Bestimmungen des Art. 132 B-VG über die Säumnisbeschwerde.

Die Beschwerdeführerin vermeint nun unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1949, Slg. N. F. Nr. 865/A, und vom 22. September 1949, Slg. N. F. Nr. 976/A, dass nicht nur dem Antragsteller, sondern auch dessen Gegner das Recht nach § 73 AVG 1950 zustehe. Bei den angeführten Erkenntnissen handelt es sich um Erledigungen von Säumnisbeschwerden. In dem Erkenntnis vom 31. Mai 1949, Slg. Nr. 865/A, wurde dazu wörtlich ausgeführt: "Zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht ist nach § 73 AVG nicht nur die Partei berechtigt, die einen Antrag gestellt hat, sondern auch die Partei, gegen die der Antrag gerichtet ist, im Rechtsmittelverfahren daher nicht nur der Rechtsmittelwerber, sondern auch der Rechtsmittelgegner. Daraus ergibt sich, dass auch der Partei, der im Verfahren bei der obersten Verwaltungsinstanz die Stellung des Berufungsgegners zugekommen ist, das verfassungsmäßig gewährleistete Recht zur Erhebung der Säumnisbeschwerde zusteht."

Der gegenständliche Fall ist aber wesentlich anders gelagert. In einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren kommt denjenigen, deren Rechte (§ 12 Abs. 2 WRG) berührt werden, wohl Parteistellung zu (§ 102 Abs. 1 lit. b WRG). So lange aber über das Ansuchen um Erteilung der Bewilligung ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird, in welchem die Beschwerdeführerin als Betroffene Einwendungen erhoben hat, ohne dass über das Ansuchen oder über die erhobenen Einwendungen ein Bescheid ergangen ist, kann nicht der Betroffene, sondern lediglich die Bewilligungswerberin die Verletzung der Entscheidungspflicht geltend machen. Auch ein Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen liegt insolange nicht vor, als die angestrebte Bewilligung nicht erteilt und über die Einwendungen abgesprochen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1958, Zl. 574/58, in diesem Sinne die Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde in einer Bausache verneint. Der angefochtene Bescheid entspricht daher dem Gesetz.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen, ohne dass es erforderlich erschien, auf die sonstigen Beschwerdeausführungen näher einzugehen.

Wien, am 20. Dezember 1968

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1968:1968001717.X00

Im RIS seit

13.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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