TE Vfgh Erkenntnis 1987/3/18 G253/86, G256/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.1987
beobachten
merken

Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0030 Bezüge, Bürgermeisterentschädigung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1
Tir BezügeG 1985 §14 Abs7

Leitsatz

untrennbare Einheit des §14 Abs7 Tir. BezügeG 1985; Aufhebung des §14 Abs7 aus den in VfSlg. 11309/1987 (betreffend die gleichartigen §39b Abs1 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967) genannten Gründen

Spruch

§14 Abs7 des Tir. Bezügegesetzes 1985, LGBl. Nr. 62, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Tir. Bezügegesetz 1982, LGBl. 20, ordnete in Abs1 seines unter der Rubrik "Sonderbestimmung für den Landtagspräsidenten" stehenden §17 folgendes an:

"(1) Für den Präsidenten des Landtages und seine Hinterbliebenen gilt §14 sinngemäß mit der Maßgabe, daß der Berechnung des Ruhebezuges und des Ruhebezugsbeitrages das Amtseinkommen eines Landesrates zugrunde zu legen ist."

Der hier verwiesene §14 des Gesetzes hat folgenden Wortlaut:

"(1) Wird ein Mitglied der Landesregierung, das nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 29. März 1960, LGBl. Nr. 17, der Landesregierung angehört hat oder angehört, wegen eines in Ausübung des Amtes eingetretenen Unfalles oder einer in Ausübung des Amtes zugezogenen Krankheit oder infolge eines solchen Unfalles oder einer solchen Krankheit später ganz oder mindestens 50 v.H. erwerbsunfähig, so erhält es für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit ab dem auf seinen Antrag, frühestens jedoch ab dem auf die Einstellung des Amtseinkommens folgenden Monatsersten, einen monatlichen Ruhebezug.

(2) Nach einer achtjährigen Amtstätigkeit gebührt auch ohne Zutreffen der Voraussetzungen des Abs1 ein Ruhebezug.

(3) Bei unverschuldeter wirtschaftlicher Notlage eines ausgeschiedenen Mitgliedes ist bereits nach einer Amtstätigkeit von mindestens fünf Jahren ein Ruhebezug zu gewähren, der 20 v.H. der Ruhebezugsbemessungsgrundlage beträgt und sich für jedes weitere Jahr der Amtstätigkeit um 6 v.H. der Ruhebezugsbemessungsgrundlage erhöht.

(4) Für den Ruhebezug, den Todesfall-, Bestattungs- und Pflegekostenbeitrag gelten die pensionsrechtlichen Bestimmungen für Landesbeamte sinngemäß. An die Stelle der ruhebezugsfähigen Gesamtdienstzeit treten alle Zeiträume der Ausübung der Amtstätigkeit als Mitglied der Landesregierung. Die Ruhebezugsbemessungsgrundlage beträgt 80 v.H. des letzten Amtseinkommens (§10). Nach einer achtjährigen Amtszeit gebühren 60 v. H., für jedes weitere Jahr 6 v.H. bis zum Höchstausmaß von 100 v. H. der Ruhebezugsbemessungsgrundlage. Eine Haushaltszulage gebührt nicht.

(5) §8 Abs5 und 6 gilt sinngemäß mit der Maßgabe, daß für die Begründung des Anspruches und die Bemessung des Ruhebezuges auch Zeiten als Mitglied des Landtages oder des Bundesrates zur Hälfte einzurechnen sind.

(6) Wird der Empfänger eines Ruhebezuges neuerlich Mitglied der Landesregierung, so erlischt der Ruhebezug mit dem Ablauf des Monats, der dem Beginn des Anspruches auf das Amtseinkommen vorangeht.

(7) Bezieht ein Mitglied der Landesregierung Ruhebezüge nach den Abs1 und 2, so darf die Gesamthöhe des Ruhebezuges die Ruhebezugsbemessungsgrundlage (Abs4) nicht übersteigen."

Das Tir. Bezügegesetz 1982 wurde durch die Nov. LGBl. 11/1985 geändert, die am 6. Feber 1985 kundgemacht wurde und nach ihrem ArtIII mit 1. Jänner 1985 in Kraft trat. Ihr ArtI Z8 bestimmte, daß der Abs7 des §14 zu lauten hat:

"(7) Besteht neben dem Anspruch auf Ruhebezug ein Anspruch auf

a)

einen Bezug nach §1,

b)

einen Ruhebezug nach §9,

c)

eine Entschädigung oder einen Ruhebezug nach dem Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85,

d)

Zuwendungen für die Tätigkeit als Mitglied des Nationalrates oder des Bundesrates, als Bundespräsident, Mitglied der Bundesregierung, Staatssekretär, Landeshauptmann, Präsident oder Vizepräsident des Rechnungshofes, Mitglied der Volksanwaltschaft, Bürgermeister, Mitglied eines Gemeinderates oder eines Gemeindevorstandes,

e)

ein Diensteinkommen oder einen Ruhe- bzw. Versorgungsbezug - ausgenommen eine Hilflosenzulage

-

aus einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft, zu einem Fonds, zu einer Stiftung oder zu einer Anstalt, die von Organen

einer

Gebietskörperschaft oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von Organen dieser Körperschaft bestellt wurden,

f)

ein Einkommen oder einen Ruhebezug aus der Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes oder als Geschäftsführer von Unternehmungen, die Gesellschaften, Unternehmungen oder Betriebe zum Gegenstand haben, die vom Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 168/1946, oder vom zweiten Verstaatlichungsgesetz, BGBl. Nr. 81/1947, erfaßt sind, oder von sonstigen

Unternehmen,

bei denen oberste Organe des Landes ein Bestellungs- oder Bestätigungsrecht hinsichtlich von Gesellschaftsorganen ausüben oder an denen das Land allein oder gemeinsam mit anderen Gebietskörperschaften mit wenigstens 50 v.H. beteiligt ist, sowie aus der Tätigkeit als Mitglied des Generalrates der Österreichischen Nationalbank,

g)

Vergütungen aus der Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates von Unternehmungen der in litf genannten Art,

h)

wiederkehrende Geldleistungen aus der gesetzlichen Pensions- und Unfallversicherung, ausgenommen ein Hilflosenzuschuß und Pensionsleistungen auf Grund einer freiwilligen Weiter- oder Höherversicherung,

so ist der Ruhebezug nur in dem Ausmaß auszuzahlen, um das die Summe der in lita bis h genannten Beträge hinter dem Amtseinkommen (§10) zurückbleibt. Für die erforderlichen Vergleichsberechnungen sind die Bruttobeträge heranzuziehen. Der Vergleichsberechnung hinsichtlich der Versorgungsbezüge sind bei der Witwe 60 v.H., einer Vollwaise 30 v.H. und bei einer Halbwaise 12 v.H. des letzten Amtseinkommens (§10) zugrunde zu legen. Bestehen aus verschiedenen politischen Funktionen Ansprüche auf Ruhebezüge gegenüber dem Land und einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband, so hat die Vergleichsberechnung das Land vorzunehmen."

Das Tir. Bezügegesetz 1982 wurde (unter Bedachtnahme auf diese Novelle) mit der Kundmachung der Tir. Landesregierung LGBl. 62/1985 unter der Bezeichnung "Tir. Bezügegesetz 1985" neu verlautbart.

2. Mit Bescheid vom 11. März 1985 sprach die Tir. Landesregierung aufgrund der geänderten Gesetzeslage aus, daß die Auszahlung des dem Beteiligten (Bf. des Anlaßbeschwerdefalles B263/85) als ehemaligem Landtagspräsidenten gebührenden Ruhebezugs mit Wirksamkeit vom 1. April 1985 eingestellt wird. Im einzelnen bezog sich die Landesregierung auf die litd und e im §14 Abs7 und den Umstand, daß dem Bf. als ehemaligem Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck sowie als im Ruhestand befindlichem Beamten der Landeshauptstadt jeweils ein Ruhebezug gebühre; da die Summe dieser Bezüge das Amtseinkommen eines Mitgliedes der Landesregierung übersteige, sei die Auszahlung des Ruhebezuges des ehemaligen Landtagspräsidenten einzustellen.

Gegen diesen Bescheid der Landesregierung richtet sich die unter B263/85 eingetragene Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

3. Aufgrund der geänderten Gesetzeslage sprach die Tir. Landesregierung ferner mit Bescheid vom 10. Mai 1985 aus, daß der Versorgungsbezug, welcher der Beteiligten (Bf. des Anlaßbeschwerdefalls B445/85) als Witwe nach einem Landesrat gebührt, mit Wirksamkeit vom 1. Juni 1985 in einer betragsmäßig angeführten verminderten Höhe ausbezahlt wird. Diese Maßnahme ist das Ergebnis einer unter Bezugnahme auf §14 Abs7 des novellierten Gesetzes vorgenommenen Vergleichsberechnung, in welcher der maßgebliche Kürzungsbetrag als Differenz zwischen der Summe von Versorgungsbezügen nach dem Tir. Bezügegesetz sowie des Gemeindeverbandes für das Pensionsrecht der Tir. Gemeindebeamten einerseits und 60 v.H. des Amtseinkommens eines Mitgliedes der Landesregierung andererseits ermittelt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter B445/85 protokollierte Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

II. Gemäß Art140 Abs1 B-VG faßte der VfGH in beiden Beschwerdesachen den Beschluß, von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §14 Abs7 im Tir. BezügeG 1985 einzuleiten. Er wies darauf hin, daß diese Vorschrift anscheinend eine nicht trennbare Einheit bilde, und legte seine Bedenken (vom Beschwerdefall B263/85 ausgehend) folgendermaßen dar:

"Aus der Sicht des Beschwerdefalles geht der Gerichtshof vorläufig davon aus, daß gegen eine Ruhensbestimmung der vorliegenden Art, welche insbesondere das Zusammentreffen des Ruhebezuges mit einem anderen aus einer politischen Amtstätigkeit resultierenden Ruhebezug oder mit einem Ruhebezug aus einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft erfaßt und im Hinblick auf eine festgelegte Höchstgrenze die teilweise oder gänzliche Stillegung des Ruhebezugs verfügt, im grundsätzlichen keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes bestehen. (Siehe zu vergleichbaren Regelungen VfSlg. 7453/1974, betreffend das Kärntner Bezügegesetz, und VfSlg. 9292/1981, betreffend das (Bundes-)Bezügegesetz.) Auch der Umstand, daß der Gesetzgeber durch die Neueinführung von Ruhensbestimmungen nicht bloß die Lage künftiger Empfänger von Ruhebezügen gestaltet, sondern darüber hinaus in Rechte eingreift, die schon längst und auf eine einwandfreie Weise erworben wurden, führt aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdesache zu keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gerichtshof hat in der Frage der sogenannten wohlerworbenen Rechte in ständiger Rechtsprechung (s. etwa Erk. VfSlg. 3836/1960) daran festgehalten, daß der Gesetzgeber solche Rechte verändern kann, hat aber in diesem Zusammenhang ebenfalls stets betont, daß der Gesetzgeber hiebei im besonderen das Gleichheitsgebot zu beachten hat. Zu den Beweggründen des Gesetzgebers, auch in bereits entstandene Rechtspositionen rechtsmindernd einzugreifen, zählt gewiß das Bestreben, gleiche sachliche Voraussetzungen aufweisende Anspruchsberechtigte gleich zu behandeln. Daß dieses Motiv unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes ins Gewicht fällt, ist wohl nicht zu bezweifeln, doch vermag es - wie der Gerichtshof vorläufig annimmt - nicht, die Minderung wohlerworbener Rechte jedweder Art in jedweder Intensität sachlich zu begründen.

Der Anspruch auf Ruhebezüge, die von der durch §14 vorgesehenen Kürzung betroffen sind, wird durch eine langjährige Amtstätigkeit erworben. Bei gebotener Durchschnittsbetrachtung ist nun anzunehmen, daß die Aussicht auf einen aus der Amtstätigkeit resultierenden Ruhebezug (der mit die Funktion hat, ein erhebliches Absinken unter einen einmal erzielten Standard der Lebensführung nicht eintreten zu lassen) - wenngleich keineswegs ein ausschlaggebendes, so doch - ein mitbestimmendes Moment für den Willensentschluß bildet, sich für die öffentliche Funktion zur Verfügung zu stellen und sie längerwährend auszuüben. Vergleicht man nun die Situation desjenigen Amtsträgers, der - wenn auch nicht mit allen erst künftig in Erscheinung tretenden Details, aber doch in den wesentlichen Umrissen - Kenntnis davon hat, daß ein späterer Ruhebezug einem verhältnismäßig strengen Kürzungssystem unterworfen ist, mit demjenigen, der dieses (sein Verhalten mitbestimmende) Wissen nicht haben konnte, so werden gravierende Unterschiede im Tatsachenbereich deutlich, die anscheinend einer schematischen Gleichbehandlung der Betroffenen entgegenstehen. Der VfGH neigt daher zur Meinung, daß die durch §14 Abs7 des Tir. Bezügegesetzes 1985 herbeigeführte undifferenzierte Behandlung von Ruhebezugsempfängern ohne irgendwelche Rücksichtnahme auf Modalitäten des Anspruchserwerbs mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar ist, der bei einer solchen Lage wohl eine Übergangsregelung im Gesetz erfordert hätte."

III. Die Tir. Landesregierung erstattete (im wesentlichen gleichlautende) Äußerungen, in denen sie insbesondere (- in der nachstehenden Wiedergabe auf den erstangeführten Fall bezogen -) ausführte:

"1. Im §14 Abs7 des Tir. Bezügegesetzes 1985 wird bestimmt, daß der Ruhebezug eines Mitgliedes der Landesregierung zu kürzen ist, wenn neben dem Anspruch auf Ruhebezug ein Anspruch auf andere, in den lita bis h näher bestimmte Bezüge, Zuwendungen, Einkommen usw., insbesondere auch Ruhebezüge, besteht. §14 und damit auch dessen Abs7 gilt nach §17 Abs1 sinngemäß für den Präsidenten des Landtages, wobei als Höchstgrenze des Ruhebezuges das Amtseinkommen eines Landesrates festgelegt wurde. Bezieht der Anspruchsberechtigte somit Ruhebezüge, die nach §14 Abs7 bei der Berechnung des Ruhebezuges als Mitglied der Landesregierung bzw. als Landtagspräsident zu berücksichtigen sind, so kann dies, wenn die Ruhebezüge die Höhe des Amtseinkommens eines Landesrates erreichen, - wie im Anlaßfall - dazu führen, daß der Anspruch auf Ruhebezug nach §14 des Tir. Bezügegesetzes 1985 nicht ausbezahlt wird.

Gegen Kürzungsbestimmungen für Ruhebezüge aus öffentlichen Mitteln bestehen beim VfGH grundsätzlich keine Bedenken. Ebenso erscheint es dem VfGH verfassungsrechtlich vertretbar, auch bereits erworbene Rechte in Kürzungsbestimmungen einzubeziehen. Der Landesgesetzgeber hat im Rahmen seines Zuständigkeitsbereiches entsprechende Kürzungsbestimmungen erlassen. Er hat sich dabei inhaltlich an der entsprechenden Regelung des Bezügegesetzes (des Bundes), BGBl. Nr. 273/1972, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. Nr. 489/1984, orientiert.

Der Abs7 des §14 des Tir. Bezügegesetzes 1985 hat seine derzeit geltende Fassung durch ArtI Z. 8 des Gesetzes LGBl. Nr. 11/1985 erhalten. Dieses Gesetz ist mit 1. Jänner 1985 in Kraft getreten.

Die Bedenken des VfGH richten sich somit - wie bereits dargelegt - nicht gegen die Kürzungsbestimmungen im Bezügerecht an sich, - der Gerichtshof verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Erkenntnisse VfSlg. 7453/1974 und 9292/1981 -, sondern gehen dahin, daß durch §14 Abs7 des Tir. Bezügegesetzes 1985 Ruhegenußempfänger insofern undifferenziert behandelt werden, als nicht darauf Rücksicht genommen wird, ob ein Amtsträger bei Übernahme eines öffentlichen Amtes vom Bestehen eines strengen Kürzungssystems gewußt hat oder ob er davon keine Kenntnis haben konnte. Die im Hinblick auf den Gleichheitssatz gebotene Rücksichtnahme auf Modalitäten des Anspruchserwerbs hätte eine Übergangsregelung im Gesetz erfordert.

2. Nach Ansicht des VfGH ist die Aussicht auf einen aus der Amtstätigkeit resultierenden Ruhebezug ein

mitbestimmendes Moment für die Entscheidung einer Person, sich für eine öffentliche Funktion zur Verfügung zu stellen und diese Funktion längere Zeit hindurch auszuüben. Weiters verweist der VfGH darauf, daß der für eine Amtstätigkeit gewährte Ruhebezug auch die Funktion hat, ein erhebliches Absinken unter einen einmal erzielten Standard der Lebensführung nicht eintreten zu lassen.

Die Ruhebezüge der öffentlichen Funktionäre dienen dem Ausgleich der erheblichen, sich auf die Zukunft auswirkenden Einbuße in ihrem beruflichen Fortkommen, die sie dadurch auf sich nehmen, daß sie eine öffentliche Funktion übernehmen. Der wesentliche Grund für die Gewährung des besonderen Ruhebezuges politischer Funktionäre ist also dann nicht gegeben, wenn auf Grund anderer Vorschriften ein gleichwertiger öffentlicher Bezug gewährt wird. Im Lichte dieses Ordnungssystems scheint es nicht von Bedeutung zu sein, ob der Amtsträger bei der Übernahme der öffentlichen Funktion von Kürzungsregelungen bei Zusammentreffen mehrerer Ruhebezüge Kenntnis gehabt hat oder nicht. Der Gesetzgeber hat nämlich durch die Art der Kürzungsregelungen - es werden Höchstgrenzen festgelegt und die Ruhebezüge nur in dem Ausmaß ausbezahlt, als die Gesamtsumme der zu berücksichtigenden Beträge hinter dieser Höchstgrenze zurückbleibt - sichergestellt, daß der Amtsträger jedenfalls einen angemessenen Ruhebezug erhält. Die im Gesetz festgelegte Höchstgrenze für den Ruhebezug des Landtagspräsidenten ist das Amtseinkommen eines Landesrates. Dieses beträgt nach §10 Abs1 des Tir. Bezügegesetzes 1985 180 v.H. des jeweiligen Gehaltes eines Landesbeamten des Dienststandes der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse IX, Gehaltsstufe 6, zuzüglich allfälliger Teuerungszulagen. Diese Obergrenze läßt die Ansicht vertretbar erscheinen, daß ein erhebliches Absinken unter einen einmal erzielten Standard der Lebensführung auch bei Kürzung von darüber hinausgehenden Ruhebezügen nicht eintritt. Auch dürfte damit eine allfällige Einbuße im beruflichen Fortkommen - was bei einem öffentlich Bediensteten auf Grund der bestehenden gesetzlichen Vorschriften ohnehin nicht angenommen werden kann - ausgeglichen sein. Die Person, die eine oder mehrere öffentliche Funktionen übernimmt, kann jedenfalls damit rechnen, daß ihr ein ausreichender Ruhebezug gewährt wird. Es erscheint in Anbetracht der Tatsache, daß Kürzungsregelungen im Bezügerecht schon seit langem bestehen, sachlich durchaus gerechtfertigt und damit unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes unbedenklich, eine Höchstgrenze für Ruhebezüge aus öffentlichen Ämtern zu bestimmen und in Anbetracht der Höhe dieser Höchstgrenze und des Systems der Ruhebezugskürzung auf eine Differenzierung zwischen Ruhegenußempfängern durch Rücksichtnahme auf Modalitäten des Anspruchswerbers zu verzichten.

3. In diesem Zusammenhang ist besonders auf das Erkenntnis des VfGH Slg. 7453/1974 (S. 458 f.) zu verweisen, in dem auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der geleisteten Pensionsbeiträge und der Höhe des Ruhebezuges eingegangen wird. Der VfGH vertritt darin die Ansicht, daß die Verpflichtung zur Leistung von Pensionsbeiträgen lediglich einer besonderen Vorsorge für die Bedeckung des Pensionsaufwandes dient, nicht aber dem Beitragspflichtigen für sich allein schon einen Anspruch auf Ruhegenuß in bestimmter Höhe oder auch nur auf einen Ruhegenuß überhaupt vermittelt. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der Amtsträger bei Übernahme der öffentlichen Funktion und durch die Leistung von Beiträgen damit rechnen kann, daß ihm nach dem Ende einer längeren Ausübung der öffentlichen Funktion ein ausreichender Ruhebezug zusteht, der ein erhebliches Absinken seines Lebensstandards verhindert. Der Amtsträger hat aber keinen Anspruch darauf, bei Ausübung mehrerer Funktionen auch mehrere Ruhebezüge in voller Höhe zu erhalten. Diesen Überlegungen wird die in Prüfung gezogene Bestimmung des Tir. Bezügegesetzes 1985 gerecht. Insofern ist aus den dargelegten Gründen eine schematische Gleichbehandlung der Betroffenen zulässig.

4. Abgesehen davon hat der Landesgesetzgeber bei der Einführung der nunmehr in Prüfung gezogenen Kürzungsregelung durch das Gesetz LGBl. Nr. 11/1985 durchaus eine differenzierte Behandlung der Empfänger von Ruhebezügen vorgesehen. Der Landesgesetzgeber hat nämlich im ArtII des Gesetzes LGBl. Nr. 11/1985 - soweit dies der Kompetenzbereich des Landesgesetzgebers ermöglichte - eine Übergangsbestimmung geschaffen: Er hat in bestimmt gearteten Fällen die Rückzahlung geleisteter Pensionsbeiträge vorgesehen. Die Abgrenzung erfolgte in der Weise, daß ein Rückzahlungsanspruch besteht, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes LGBl. Nr. 11/1985 - das war der 1. Jänner 1985 - ein Ruhe- oder Versorgungsbezug nicht bezogen wurde. Wurde in diesem Zeitpunkt ein Ruhe- oder Versorgungsbezug bezogen, so kommt die Rückzahlung von Pensionsbeiträgen nicht in Betracht. Dies hat seinen Grund darin, daß eingehobenen Pensionsbeiträgen ausbezahlte Pensionsleistungen gegenüberstehen. Auf die oben zitierten Ausführungen des VfGH im Erkenntnis Slg. 7453/1974 wird in diesem Zusammenhang nochmals hingewiesen. Es wurde somit eine Differenzierung im vorhin aufgezeigten Sinn getroffen.

5. Trotz der Übergangsbestimmung im ArtII des Gesetzes LGBl. Nr. 11/1985 kann es theoretisch zu Härtefällen kommen, etwa dann, wenn ein Ruhe- und Versorgungsbezug nur einen Monat bezogen wird. Im Zusammenhang mit allfälligen Härtefällen dieser Art sei nochmals auf die Ausführungen im Erkenntnis VfSlg. 7453/1974 verwiesen. Zudem ist davon auszugehen, daß ein Gesetz nicht schon dann gleichheitswidrig ist, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen werden kann. Nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich angesehen werden (vgl. Slg. 9645/1983, VfGH Erk. vom 15. Juni 1985, B84, 85/84). Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber in dem ihm zukommenden Rahmen rechtspolitischer Überlegungen gehandelt. Einerseits wurde sichergestellt, daß trotz Kürzungsbestimmungen der Ruhebezug eines öffentlichen Funktionärs in ausreichendem Umfang gewährt und sichergestellt wird, andererseits wurde eine Höchstgrenze für Ruhebezüge aus öffentlichen Mitteln festgelegt. Eine Gleichheitswidrigkeit kann darin nach Ansicht der Tir. Landesregierung nicht erblickt werden. Dabei ist auch zu beachten, daß der dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrunde liegende Anlaßfall nicht als ein solcher Härtefall angesehen werden kann.

6. Auch im Lichte von vergleichbaren Anlaßfällen, die an den VfGH herangetragen wurden, erscheint die im §14 Abs7 des Tir. Bezügegesetzes 1985 getroffene Kürzungsbestimmung nicht verfassungswidrig. Sowohl dem Erkenntnis Slg. 7453/1974 als auch dem Erkenntnis Slg. 9292/1981 lagen vergleichbare gesetzliche Regelungen zugrunde. In beiden Fällen hat der VfGH keine Zweifel an der im Gesetz getroffenen Kürzungsbestimmung geäußert. Auch in diesen beiden Fällen wurde im Gesetz nicht näher differenziert in wohlerworbene Rechte eingegriffen."

IV. Der VfGH hat - nach Verbindung der beiden Gesetzesprüfungssachen zur gemeinsamen Entscheidung - erwogen:

1. In beiden Anlaßbeschwerdefällen hätte der Gerichtshof meritorisch zu entscheiden und hiebei Abs7 im §14 des Tir. BezügeG 1985 anzuwenden, der - wie insbesondere aus der im letzten Teil des ersten Satzes enthaltenen Vorschrift über die Bildung einer Summe folgt - eine nicht trennbare Einheit bildet. Außer der Präjudizialität sind - was von der Tir. Landesregierung nicht in Zweifel gezogen wurde - auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen der eingeleiteten Prüfungsverfahren gegeben.

2. Die zu prüfende Gesetzesbestimmung entspricht in allen wesentlichen Belangen dem Absatz 1 im §39b des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 (in novellierter Fassung), gegen den der Gerichtshof wegen der gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken ein Gesetzesprüfungsverfahren einleitete. Mit dem heute gefällten Erkenntnis G255/86 (und Folgezahlen) hob der VfGH diese Gesetzesstelle im Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 als verfassungswidrig auf. Die in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses dargelegten Erwägungen treffen im Hinblick auf die erwähnte Übereinstimmung der Gesetzesvorschriften auch für den vorliegenden Gesetzesprüfungsfall zu; es ist demnach §14 Abs7 des Tir. Bezügegesetzes 1985 als verfassungswidrig aufzuheben, zumal auch die Einwände der Tir. Landesregierung nicht durchgreifen. Zu ihnen ist - soweit sie der Sache nach nicht bereits in den Entscheidungsgründen des bezogenen Erkenntnisses beantwortet sind - noch folgendes zu bemerken: Der Übergangsbestimmung des ArtII der Nov. LGBl. 11/1985 über die Refundierung von Pensionsbeiträgen kommt wegen ihres sehr engen zeitlichen Anwendungsbereiches (nämlich bloß während des Kalenderjahres 1985) im gegebenen Zusammenhang überhaupt keine Bedeutung zu. Auf den von der Landesregierung hervorgehobenen Umstand, daß ein Amtsträger infolge einer besonderen, als außergewöhnlich zu bezeichnenden Konstellation aus zwei betragsmäßig hohen Amtseinkommen Ruhebezüge ableiten kann, war hier nicht einzugehen; eine diese Lage speziell erfassende Kürzungsvorschrift, die verfassungsrechtlich unter dem Aspekt einer zulässigen Einkommensminderung vor dem Hintergrund der Sicherung des Lebensstandards möglicherweise anders zu beurteilen wäre, besteht nämlich nicht.

3. Die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

Hinsichtlich der übrigen Entscheidungen wird ebenfalls auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses G255/86 (und Folgezahlen) verwiesen.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, Bezüge, Mandatare, Rechte wohlerworbene

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G253.1986

Dokumentnummer

JFT_10129682_86G00253_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten