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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 0030/70Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Lehne, Dr. Leibrecht, Dr. Hrdlicka und Dr. Straßmann als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Magistratskommissär Dr. Macho, über die Beschwerde des F T in G, vertreten durch Dr. Frank Herold, Rechtsanwalt in Wien I, Fichtegasse 2 A, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. November 1969, Zl. MDR-B VI-869, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Beschwerdevorbringen und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Abschrift des angefochtenen Bescheides, war dem Beschwerdeführer mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 36, vom 25. September 1967 gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien ein Instandsetzungsauftrag erteilt worden. In der dagegen eingebrachten Berufung hatte der Beschwerdeführer die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Instandsetzungsarbeiten geltend gemacht. Mit dem Berufungebescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 17. Jänner 1968 war der Berufung keine Folge gegeben worden, weil der Beschwerdeführer nichts unternommen habe, was auf dessen Absicht, das Gebäude abzutragen, hingewiesen hätte.
Mit dem Schriftsatz vom 22. Februar 1968 beantragte der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 die Wiederaufnahme des mit dem angeführten Bescheid vom 17. Jänner 1968 abgeschlossenen Verfahrens. Der Antrag wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 1969 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:.
Wie der Begründung des angefochtenen Bescheides und dem Beschwerdevorbringen selbst zu entnehmen ist, bezeichnete der Beschwerdeführer im Wiederaufnahmeantrag als neu hervorgekommenes Beweismittel den Umstand, dass er im Oktober 1967 den Mietern seines Hauses wegen Unwirtschaftlichkeit der notwendigen Instandsetzungsarbeiten gerichtlich gekündigt habe. Die Kündigungen seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem sie der Beschwerdeführer nicht mehr habe vorbringen können, weil das Verfahren erster Instanz schon abgeschlossen gewesen sei und im Verfahren der Behörde zweiter Instanz kein Ermittlungsverfahren durch Anhören des Beschwerdeführers stattgefunden habe. Der Antrag sei fristgerecht eingebracht worden, da er erst am 9. Februar 1968 durch Zustellung des Berufungsbescheides von der Rechtskraft Kenntnis erhalten habe. Im Wiederaufnahmeantrag werde begehrt, dass nach Bewilligung der Wiederaufnahme der Instandsetzungsauftrag in einen Räumungs- und Abbruchauftrag abgeändert werde.
In der Beschwerde hält der Beschwerdeführer der Rechtsansicht der belangten Behörde, die Einleitung des gerichtlichen Kündigungsverfahrens sei keine Tatsache und kein neues Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950, weil der Beschwerdeführer die Tatsache der Kündigung jederzeit im Berufungsverfahren hätte vorbringen können, entgegen, die Behörde wäre auf Grund der für das Verwaltungsverfahren geltenden Offizialmaxime verpflichtet gewesen, von sich aus Ermittlungen vorzunehmen, um die Ernsthaftigkeit seines Abbruchwillens festzustellen. Er selbst sei nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, "in welcher Richtung und durch welche Beweismittel die belangte Behörde seinen Abbruchwillen zu überprüfen für notwendig halten würde, weshalb er den Nachweis der Einbringung der Aufkündigungen vor Rechtskraft des Verfahrens ohne sein Verschulden nicht habe geltend machen können".
Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Wie das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen zeigt, sei nach Meinung des Beschwerdeführers der eigentliche Wiederaufnahmegrund in dem Umstand gelegen gewesen, dass er nicht habe wissen können, dass die Behörde eine weitere Prüfung seiner Abtragungsabsicht für notwendig halte. Die Behörde sei, so ist das Beschwerdevorbringen offenbar zu verstehen, auf Grund der Offizialmaxime verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer eine entsprechende Rechtsbelehrung zu erteilen. Der Beschwerdeführer verkennt die Rechtslage. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1968, Zl. 528/68) mangelt es an einem Verschulden, das die Bewilligung der Wiederaufnahme ausschließt, keinesfalls allein schon deshalb, weil die Partei nicht darüber belehrt worden ist, was alles sie zur Wahrung ihrer Rechte unternehmen könne und welche Beweisanträge sie zweckmäßigerweise zu stellen habe. Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Dem Beschwerdeführer war es unbenommen, noch im Berufungsverfahren alle ihm geeignet erscheinenden Beweismittel geltend zu machen. Dass er hinsichtlich der Notwendigkeit einer bestimmten Beweisführung nicht mit der Rechtsansicht der Behörde übereinstimmte, stellte keinen Hinderungsgrund im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1950, Slg. N. F. Nr. 2255/A, ausgesprochen, dass ein Rechtsirrtum über die rechtliche Bedeutung einer Tatsache keinen Wiederaufnahmegrund bildet. Dies gilt aber in gleicher Weise hinsichtlich eines Rechtsirrtums über die rechtliche Bedeutung eines Beweismittels.
Ob das Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wurde - etwa deshalb, weil die belangte Behörde nicht von Amts wegen das Vorliegen des Abbruchwillens des Beschwerdeführers geprüft habe -, mangelhaft durchgeführt worden war, hatte die belangte Behörde nicht zu prüfen. Gegenstand des der Beschwerde zu Grunde gelegenen Verfahrens war allein die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Beschwerdeführer hätte einen rechtlich erheblichen Mangel, der nach seiner Meinung im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nach § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien unterlaufen sei, vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Beschwerde gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 17. Jänner 1968 geltend machen können. Dies kann aber nicht in einem Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 69 AVG 1950 nachgeholt werden.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Da dies schon aus dem Inhalt der Beschwerde selbst zu erkennen war, konnte diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abgewiesen werden.
Über den unter einem gestellten Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde in Ansehung des Instandsetzungsauftrages die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war ohne nähere Prüfung der Frage, ob dieser Antrag zulässig ist, schon deshalb nicht abzusprechen, weil der Antrag durch die vorliegende Entscheidung jedenfalls gegenstandslos geworden ist.
Wien, am 2. Februar 1970
Schlagworte
Entscheidung über den Anspruch Verschulden Andere rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1970:1970000029.X00Im RIS seit
17.06.2002Zuletzt aktualisiert am
26.08.2008