TE Vwgh Erkenntnis 1970/6/23 1593/69

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Veröffentlicht am 23.06.1970
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
33 Bewertungsrecht;
39/03 Doppelbesteuerung;

Norm

ABGB §6;
ABGB §7;
BewG 1955 §65 Abs1;
BewG 1955 §69 Z1;
BewG 1955 §79 Abs2 Z7;
DBAbk Liechtenstein 1956 Art4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Reichel, DDr. Heller, Dr. Karlik und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde der I in V, vertreten durch Dr. Fritz Leon, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom 15. Juli 1969, Zl. 3134/68, betreffend Vermögensteuer und Erbschaftsteueräquivalent, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Eva Zahlbruckner (für Rechtsanwalt Dr. Fritz Leon), und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrat Dr. FP, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschränkt vermögensteuerpflichtige Beschwerdeführerin ist eine nach liechtensteinischem Recht errichtete Anstalt und an einem österreichischen Unternehmen mit einer Kapitaleinlage als "echter" stiller Gesellschafter beteiligt. Bei der Festsetzung der Vermögensteuer und des Erbschaftsteueräquivalentes zu den Stichtagen 1. Jänner 1963, 1. Jänner 1964, 1. Jänner 1965 und 1. Jänner 1966 unterzog das Finanzamt nicht nur den Wert der Einlage der Besteuerung, sondern es behandelte als steuerpflichtigen Vermögenswert auch jene Gewinnanteile aus der Beteiligung, die jeweils nach den genannten Stichtagen für die davor liegenden Kalenderjahre gutgeschrieben worden sind. Darüber hinaus hat das Finanzamt auch jene Gewinnerhöhungen in die Bemessungsgrundlage, zu den genannten Stichtagen einbezogen, die auf Grund von zwei Betriebsprüfungen für das diesen Stichtagen jeweils vorangegangene Kalenderjahr ermittelt worden sind. Schließlich wurden auch die über den nächsten Bilanzstichtag hinaus stehen gelassenen Gewinnanteile des jeweils vorletzten Geschäftsjahres besteuert.

Die Beschwerdeführerin berief. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag mit der Firma E. vom 1. April 1957 habe diese den jeweiligen Jahresabschluss bis zum Ende des vierten Monates des folgenden Kalenderjahres zu erstellen und den Gewinnanteil binnen eines weiteren Monates auszuzahlen. Die Lehre sei sich darüber einig, dass der stille Gesellschafter erst in dem Moment einen unbedingten und fälligen Anspruch auf den Gewinnanteil habe, in dem die Bilanz erstellt und dadurch die Berechnung des Gewinnanteiles überhaupt erst möglich sei. Die Firma E. habe zwar in ihren Büchern den Gewinnanteil jeweils schon unter dem 31. Dezember des Geschäftsjahres, auf das der Gewinnanteil entfiel, gutgeschrieben. Dies könne jedoch kein Grund sein, diese Gewinnanteile schon am 1. Jänner des Folgejahres der Vermögensbesteuerung zu unterziehen. Diese Gutschriften hätten nur rückwirkend erfolgen können. Denn der Anspruch auf den Gewinnanteil und dessen Gutschrift sei nach Handelsrecht und Gesellschaftsvertrag jeweils erst im Laufe der ersten vier Monate des Folgejahres entstanden. Die Forderung des echten stillen Gesellschafters könne zu einem bestimmten Stichtag nur mit dem Betrag besteuert werden, mit dem sie auf Grund der vertraglichen Beziehungen zu Recht bestanden habe. Zu Recht bestehe aber nur die durch Fertigstellung der Bilanz und Gutschrift existent gewordene Forderung. Ebenso wenig könne das Finanzamt die auf Grund der jeweiligen Betriebsprüfung bei der Firma E. erst nachträglich festgestellten Erhöhungen der Gewinnanteile der Beschwerdeführerin rückwirkend der Vermögensbesteuerung unterziehen. Weder die Firma E., die ordnungsgemäß bilanziert habe, noch die Beschwerdeführerin, die diese Bilanzen genehmigt habe, hätten vor der Betriebsprüfung überhaupt die rechtliche Möglichkeit gehabt, "diese nachträglich festgestellten Ansprüche ins Leben zu rufen". Schließlich sei es auch verfehlt, die über den nächsten Bilanzstichtag hinaus stehen gelassenen Gewinnanteile zu besteuern. Zwar sei der Anspruch auf diese Gewinnanteile am "Bewertungsstichtag" zweifellos existent gewesen. Artikel 4 Abs. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Liechtenstein sage jedoch nichts darüber aus, dass auch die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung der Betriebsstättenregel unterlägen.

Die belangte Behörde hat die Berufung abgewiesen.

§ 69 Z. 1 BewG 1955 unterscheide nicht zwischen fälligen

Forderungen, das sind solche, bei denen der Gläubiger einen Rechtsanspruch auf sofortige Begleichung habe, und nicht fälligen; dieser Unterschied sei bloß für das Zivilrecht von Bedeutung. An dem Stichtag, zu dem der entsprechende Betrag dem Gläubiger gutgeschrieben werde, sei die Forderung entstanden. Nach österreichischem Recht würden alle Forderungen, die der Steuerpflichtige am jeweiligen Stichtag - dem 1. Jänner - habe, bei beschränkt Steuerpflichtigen jedoch bloß die zum Inlandvermögen zählenden, zur Ermittlung des Rohvermögens herangezogen. Nach dem Vertrage zwischen der Beschwerdeführerin und der Firma E. gelte für die Ermittlung des Gewinnes - auch aus der stillen Beteiligung - die jeweilige Steuerbilanz; als solche sei klarerweise nur diejenige anzusehen, die der letztlich rechtskräftigen Veranlagung des betreffenden Wirtschaftsjahres zu Grunde gelegt würde, d. h. diejenige, die nach Auswertung der Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung errichtet würde. Der von der Behörde ermittelte Gewinnanteil der Vorjahre müsse daher, soweit er nicht ins Ausland überwiesen worden sei, am nächsten 1. Jänner als inländische Forderung (sonstiges steuerpflichtiges Vermögen) der Beschwerdeführerin ausgewiesen werden. Gemäß Art. 4 Abs. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Liechtenstein seien stille Beteiligungen im Staate der Betriebsstätte des Schuldnerunternehmens vermögensteuerpflichtig. Diese Bestimmung könne nun nicht derartig einschränkend ausgelegt werden, dass bloß die Stammeinlage damit erfasst werden dürfe, während stehen gelassene Gewinnanteile unbesteuert blieben; diese teilten selbstverständlich steuerlich das Schicksal der Haupteinlage, da sie als stillschweigende Erhöhung der ursprünglichen Einlage anzusehen seien. Darüber hinaus habe ja die Beschwerdeführerin ihre ursprüngliche Einlage 1967 sogar vertraglich um das Fünffache erhöht, was dafür spreche, dass immer schon an eine weitere Aufstockung der Einlage gedacht gewesen sei. Der Beschwerdeführerin wäre es jederzeit freigestanden, sich die ihr gutgebuchten Anteile ins Ausland überweisen zu lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Bevor auf die durch die beschränkte Vermögensteuerpflicht der Beschwerdeführerin bedingten besonderen Rechtsfragen des Beschwerdefalles einzugehen ist, bedarf es der Lösung der allgemeinen Frage, ob die Ansicht der belangen Behörde richtig ist, dass die einem stillen Gesellschafter gutgebuchten Gewinnanteile eines Kalenderjahres bereits zu Beginn des auf das Gewinnjahr unmittelbar folgenden Kalenderjahres steuerpflichtiges Vermögen darstellen. § 69 Z. 1 BewG 1955 bestimmt, dass zum sonstigen Vermögen verzinsliche und unverzinsliche Kapitalforderungen jeder Art gehören, soweit sie nicht unter Z. 2 dieser Gesetzesstelle fallen. Zu den Kapitalforderungen im Sinne der Z. 1 leg. cit. gehören - und das ist im vorliegenden Fall unbestritten - auch die Einlagen des "echten" stillen Gesellschafters, d. h. seine Forderung aus der geleisteten Einlage gegen den Inhaber des Handelsgewerbes. Nun erwirbt der stille Gesellschafter auf Grund des Gesetzes oder auf Grund ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarungen gegen den Unternehmer, an dessen Geschäftsbetrieb er sich beteiligt, den Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Rechtsgrund für diesen Anspruch ist einerseits die Begründung des Gesellschaftsverhältnisses, anderseits die Erwirtschaftung eines Gewinnes durch den Geschäftsherrn im einzelnen Geschäftsjahr. Dass der Anspruch auf Auszahlung des Gewinnanteiles erst nach dem Ablauf des Geschäftsjahres entsteht, weil ja erst in der Folge durch die Bilanzerstellung ermittelt werden kann, wie hoch der Gewinnanteil des "Stillen" ist, ergibt sich aus der rechtlichen Konstruktion der stillen Gesellschaft. Allein darauf kann es bei der Erfassung der Vermögenswerte des stillen Gesellschafters im Veranlagungszeitpunkt nicht ankommen, denn ebenso wie für den Unternehmer, für dessen Handelsgewerbe die Einlage eines stillen Gesellschafters geleistet wurde, gemäß § 65 Abs. 1 BewG 1955 der abgereifte Gewinnanspruch des stillen Gesellschafters bereits zum Bewertungsstichtag eine abzugsfähige Betriebsschuld ist, so ist auch für den stillen Gesellschafter zum gleichen Stichtag ein entsprechender aktiver Vermögenswert entstanden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung und Lehre (vgl. das hg: Erkenntnis vom 11. Jänner 1963, Zl. 1429/62, in dem ausdrücklich festgestellt worden ist, dass es für die vermögensteuerrechtliche Beurteilung des Gewinnanteiles des stillen Gesellschafters nicht darauf anzukommen hat, wann ihm der Gewinnanteil im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen ist. Ferner Krekeler, "Bewertungsgesetz", 6. Aufl., S. 534, der auch den im wesentlichen gleichartigen Tantiemanspruch auf das vergangene Jahr zurückbezieht, wenn er nur vertraglich gesichert ist). Daran ändert auch der Hinweis der Beschwerde auf einen möglichen Verlustfall nichts. Denn entsprechend dem dargestellten Grundsatz würde die vom stillen Gesellschafter für ein bestimmtes Kalenderjahr zu tragende Beteiligung am Geschäftsverlust sein Vermögen zu dem auf das Ende des Kalenderjahres folgenden Stichtag mindern, wobei es ebenso wenig darauf anzukommen hat, in welchem Zeitpunkt das Ausmaß des Anteiles am Verlust festgestellt worden und dementsprechend der Verlust vom Einlagekonto des stillen Gesellschafters abgeschrieben worden ist. Diese Grundsätze müssen aber gleichermaßen gelten, mag nun der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters auf Grund der ursprünglichen Unternehmerbilanz ermittelt worden oder nachträglich für abgelaufene Jahre - aus welchen Gründen immer - berichtigt worden sein. Letzteres ist im Beschwerdefall auf Grund der Ergebnisse von Betriebsprüfungen geschehen. Auch die bei diesen Prüfungen nachträglich festgestellten erhöhten Gewinnansprüche der Beschwerdeführerin gehörten nach dem Vorgesagten zum Vermögen der Beschwerdeführerin bereits zu den einzelnen für die Besteuerung maßgebenden und auf die jeweiligen Gewinnjahre folgenden Stichtagen. Eine andere Beurteilung wäre nur dann denkbar, wenn aus zivilrechtlichen Gründen die Geschäftspartner nicht der von der Abgabenbehörde vorgenommenen Gewinnerhöhung und -aufteilung gefolgt wären. Das ist aber nach der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen nicht der Fall. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin und die Firma E. auch die den abgabenbehördlichen Feststellungen entsprechenden privatrechtlichen Folgerungen gezogen. Die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1954, Zl. 551/51, muss ohne Erfolg bleiben; denn mit dem Hinweis, dass die Forderung des stillen Gesellschafters am Bewertungsstichtag nur mit dem Betrag anzusetzen war, mit dem sie auf Grund der vertraglichen Beziehungen zwischen den beiden "Gesellschaftern", damals, zu Recht bestand, hat der Gerichtshof lediglich begründet, dass die vor dem Stichtag 1. Jänner 1948 eingetretenen Verluste bei der Vermögensbesteuerung zu diesem Stichtag bereits zu berücksichtigen waren, ein Ergebnis, das gegen die Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin spricht und mit dem bereits zitierten Erkenntnis vom 11. Jänner 1963, Zl. 1429/62, übereinstimmt.

Was ferner die Behandlung der jeweils zum Jahresende entstandenen Ansprüche auf Gewinnanteile und die "stehen gelassenen" Gewinnanteile aus der Sicht der beschränkten Steuerpflicht der Beschwerdeführerin anlangt, so ist auf § 79 Abs. 2 Z. 7 BewG 1955 zu verweisen, wonach zum Inlandvermögen die Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter gehören, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Von diesen Voraussetzungen ist lediglich strittig, ob zu den Forderungen im Sinne der genannten Vorschrift nur der ausdrücklich als Einlage vereinbarte Kapitalbetrag zählt oder ob darunter auch die Forderungen des stillen Gesellschafters aus seinen Gewinnanteilen gehören. Auch hier vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, dass die Rechtsansicht der belangten Behörde mit dem Gesetz nicht vereinbar wäre. Denn der Gerichtshof hat in dem Erkenntnis vom 11. Jänner 1963, Zl. 1429/62, ausdrücklich auf den Wortlaut des § 79 Abs. 2 Z. 7 BewG 1955 Bezug genommen, aus dem hervorgeht, dass alle Forderungen des stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung Inlandsvermögen darstellen. Der Verwaltungsgerichtshof findet keinen Anlass, von dieser, auch wirtschaftlich gerechtfertigten, Auslegung abzugehen, da jedenfalls zutrifft, dass jede noch nicht getilgte Schuld des Unternehmers an den stillen Gesellschafter die Mittel des Unternehmens stärkt und somit letztlich zumindest mittelbar dem stillen Gesellschafter von Nutzen ist.

Die Beschwerdeführerin beruft sich schließlich auf Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein vom 7. Dezember 1955, BGBl. Nr. 214/1956, wo vorgesehen ist, dass auch stille Beteiligungen in dem Staat, in dem das Unternehmen seine Betriebsstätte unterhält, zu besteuern sind. Sie zieht daraus den Schluss, dass die Gewinnanteile nicht dem Begriff "Beteiligung" zugeordnet werden könnten, weshalb sie mit Vermögensteuer auf Grund der Generalklausel des Art. 2 Abs. 1 des Abkommens nur im Wohnsitzstaat besteuert werden dürften. Auch diese Argumentation vermag der Beschwerde zu keinem Erfolg zu verhelfen; denn der Gerichtshof schließt sich der von der belangten Behörde in ihrem Ergänzungsschriftsatz zur Gegenschrift vertretenen Rechtsauffassung an, dass, da das genannte Abkommen selbst keine Bestimmung des Begriffes "Beteiligungen" enthält, zur Auslegung das innerstaatliche Recht heranzuziehen ist. Daraus folgt aber - wie oben dargelegt -, dass der angefochtene Bescheid mit dem Gesetz im Einklang steht.

Die Beschwerde erweist sich somit als nicht gerechtfertigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, am 23. Juni 1970

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1970:1969001593.X00

Im RIS seit

14.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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