Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Schmid, Dr. Schmelz, und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Weinke, über die Beschwerde des H W in L, vertreten durch Dr. Hans Lesigang, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 36, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 1. Oktober 1969, Zl. VerkR - 41.519/5 - 1969, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bundespolizeidirektion in Linz hatte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 20. September 1968 der Übertretung nach § 64 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267, schuldig erkannt und gegen ihn eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe 21 Tage) und eine Arreststrafe von 7 Tagen verhängt. Da der Beschwerdeführer die Frist zur Einbringung der Berufung infolge eines Irrtums einer Kanzleikraft versäumt hatte, stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und holte gleichzeitig damit die Berufung nach. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde von der Bundespolizeidirektion mit Bescheid vom 13. November 1968 abgewiesen; auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung bestätigte die belangte Behörde diese Entscheidung mit ihrem Bescheid vom 24. Dezember 1968 und wies gleichzeitig die Berufung gegen das Straferkenntnis selbst mit Bescheid vom selben Datum als verspätet eingebracht zurück. Eine Beschwerde wurde dagegen nicht eingebracht.
Mit der Eingabe vom 24. August 1969 an die Bundespolizeidirektion Linz beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 die Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens. Nach dem Einkommensteuerbescheid für 1967 habe er in diesem Jahr in seinem Gewerbebetrieb einen Verlust von über S 113.000,-- erlitten, sodass selbst bei Berücksichtigung seiner Einkünfte aus unselbständiger Arbeit noch immer ein Jahresverlust von über S 41.000,-- verbleibe. Auch im Jahre 1968 weise sein Gewerbebetrieb noch einen Verlust auf. Bei Berücksichtigung dieses Verlustes einerseits und bei seinem Pensionseinkommen andererseits verbleibe für das Jahr 1968 noch ein Einkommen von S 37.517,--, das noch durch gerichtliche Pfändungen bis auf ein Minimum belastet sei. Diese tristen Vermögensverhältnisse seien dem Beschwerdeführer erst im laufenden Jahr nach Aufarbeitung des Rückstandes seines verstorbenen (namentlich nicht genannten) Steuerberaters bekannt geworden und hätten daher weder von ihm vorgebracht, noch auch von der belangten Behörde ermittelt werden können. Die Einstellung eines Kraftwagenlenkers in Dauerstellung hatte eine weitere jährliche Belastung von rund S 40.000,-- bedeutet und ihn in den Konkurs getrieben.
Diese erst jetzt bekannt gewordenen Umstände würden eine mildere Beurteilung seiner Straftaten rechtfertigen. Möglicherweise sei bei der Strafbemessung davon ausgegangen worden, dass er ein Doppelverdiener sei.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1969 wurde diesem Wiederaufnahmeantrag keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, es hätte sowohl die Behörde erster Instanz als auch die Berufungsbehörde im vorliegenden Strafverfahren auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers Bedacht genommen. Es handle sich daher beim Vorbringen des Beschwerdeführers nicht um neue Tatsachen, die der belangten Behörde nicht bekannt gewesen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 4 AVG 1950 kommt die Entscheidung über die Wiederaufnahme jener Behörde zu, die den Bescheid, und zwar in der Sache selbst, in letzter Instanz erlassen hat. Infolge der verspätet eingebrachten Berufung und der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers war im vorliegenden Fall das Verwaltungsstrafverfahren mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz rechtskräftig abgeschlossen worden. Diese Behörde hatte somit den Bescheid in der Sache selbst in letzter Instanz erlassen. Somit wäre also über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 24. August 1969 in erster Instanz von der Bundespolizeidirektion Linz zu entscheiden gewesen. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat daher über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers unzuständigerweise in erster Instanz abgesprochen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1953, Slg. N. F. Nr. 3225/A).
Wohl wäre der Landeshauptmann aber dann zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zuständig gewesen, wenn der Beschwerdeführer diesen deshalb gestellt hätte, weil die Berufung seinerzeit durch den Landeshauptmann zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. In einem solchen Falle wäre Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages die Zurückweisung der Berufung, nicht aber Anlassfall selbst gewesen. Nur über diese "Sache" hätte demnach der Landeshauptmann in letzter Instanz zu entscheiden gehabt. (Vgl. das Erkenntnis vom 4. April 1962, Zl. 1436/60, abgedruckt bei Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren, Wien 1964, S. 944 unten.). Dies trifft aber für den Beschwerdefall nicht zu, weil der Beschwerdeführer, wie aus dem Inhalt seines Wiederaufnahmeantrages zu entnehmen ist, die Wiederaufnahme in der Sache selbst angestrebt hat.
Die Unzuständigkeit ist aber in jeder Lage des Verfahrens, auch wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wird, wahrzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Februar 1950, Slg. Nr.1232/A, zu § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG 1965)..
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß §42 Abs. 2 lit. b.VwGG 1965 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Bei dieser Sachlage hatte der Verwaltungsgerichtshof auf die Beschwerde selbst nicht weiter einzugehen.
Der Zuspruch der Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG 1965 in Zusammenhang mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 14. Jänner 1971
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1971:1969001637.X00Im RIS seit
04.07.2002Zuletzt aktualisiert am
26.08.2008