TE Vwgh Erkenntnis 1971/3/26 1607/70

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Veröffentlicht am 26.03.1971
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38 impl;
AVG §69 Abs1 litc impl;
BAO §116 Abs1;
BAO §303 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Dr. Gerhard über die Beschwerde des J und der I F in X, vertreten durch Dr. Gerald H. Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, Neugasse 38, gegen den Bescheid der F'inanzlandesdirektion für Steiermark vom 9. Juli 1970, Zl. B 89/3- -13/1970, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe - Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in vier Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Ausweis der Verwaltungsakten betreiben die Beschwerdeführer in X ein Sägewerk, eine Landwirtschaft und eine Tankstelle. Zwischen ihnen bestehen Ehepakte. Bei einer vom Finanzamt Graz-Umgebung für die Zeit vom l. Oktober 1964 bis 30. Juni 1967 durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde u. a. festgestellt, dass die Beschwerdeführer die Berechnung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe gemäß § 11 des Kinderbeihilfengsetzes von der gemeinsamen Lohnsumme aller Betriebe vorgenommen, jedoch nicht alle Bezüge im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in diese Berechnung einbezogen haben. Der darauf ergangene Nachforderungsbescheid des Finanzamtes vom 20. September 1967 über den Betrag von S 2.330,--, der ihnen am 27. September 1967 zugestellt worden war, ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 27. August 1968 brachten die Beschwerdeführer beim Finanzamt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. c der Bundesabgabenordnung (BAO) ein. Sie führten darin aus, dass das Finanzamt bei der Lohnsteuerprüfung die Ehegatten gemeinsam als Dienstgeber der Arbeitnehmer aller Betriebe angesehen habe, während es bei der Veranlagung der Einkommensteuer bei der Anwendung der Vorschriften des § 32 a EStG die Einkünfte der Tankstelle als Einkünfte der Zweitbeschwerdeführerin und die Einkünfte aus dem Sägewerk als Einkünfte des Erstbeschwerdeführers angesehen habe. Der die Anwendung des Kürzungsbetrages des § 32 a EStG abweisende Steuerbescheid betreffend die Veranlagung zur Einkommensteuer sei als Entscheidung über eine Vorfrage anzusehen. Die ihr zu Grunde liegende Rechtsansicht müsse auch für die Berechnung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe gelten. Darnach sei die Lohnsumme auf zwei Dienstgeber aufzuteilen und komme der Freibetrag von S 3.000,-- zur Anwendung. Die bereits rechtskräftige Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages sei nach Wiederaufnahme des Verfahrens um S 2.839,-- zu vermindern.

Das Finanzamt wies den Antrag ab. Der Bescheid über die Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages sei von keiner Vorfrage abhängig gewesen. Eine Änderung der Rechtsansicht bilde keinen Wiederaufnahmegrund. Überdies wäre eine Wiederaufnahme des Verfahrens schon deshalb nicht möglich, weil die im § 303 Abs. 3 BAO vorgesehene Antragsfrist versäumt worden sei. Die vom Finanzamt vertretene Rechtsansicht sei den Beschwerdeführern bereits durch den am 11. März 1968 zugestellten Steuerbescheid bekannt geworden.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wies die Finanzlandesdirektion mit Berufungsentscheidung vom 9. Juli 1970 ab. Die Beschwerdeführer stützten ihren Wiederaufnahmeantrag auf einen am 11. März 1968 zugestellten Steuerbescheid über die Veranlagung der Einkommensteuer, in dem ihnen die Verminderung des Kürzungsbetrages gemäß § 32 a EStG versagt worden sei. Sie schlössen daraus, dass auch der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe gemäß § 11 des Kinderbeihilfengesetzes bzw. § 41 des Familienlastenausgleichsgesetzes von der Lohnsumme jedes Betriebes getrennt und nicht von der Lohnsumme aller Betriebe zu berechnen sei. Nun richte sich die Berechnung des Dienstgeberbeitrages nach den Vorschriften des Beihilfenrechtes, die Anwendung des Kürzungsbetrages nach § 32 a EStG. Beide Vorschriften unterschieden sich nach Wortlaut, Sinn und Anwendungsgebiet. Für die Annahme, dass es sich bei der Entscheidung nach der einen der beiden gesetzlichen Bestimmungen um eine Vorfragenentscheidung für die andere gesetzliche Bestimmung handle, fehle jede Begründung. Damit fehle es an den Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Eine Prüfung, ob der Einkommensteuerbescheid den gesetzlichen Vorschriften entspreche, habe nicht Gegenstand des Verfahrens sein können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und .....

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Über die Beurteilung von Vorfragen bestimmt der § 116 BAO, dass die Abgabenbehörden, sofern die Abgabenvorschriften nichts anderes bestimmen, berechtigt sind, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen.

Wie sich aus dem Zusammenhalt dieser beiden Bestimmungen ergibt, kann von einer einen Wiederaufnahmegrund bildenden Entscheidung über eine Vorfrage immer nur dann die Rede sein, wenn eine Bindung der Behörde des einen Verfahrens an eine in einem anderen Verfahren zu lösende Hauptfrage zu bejahen ist (vgl. dazu die Ausführungen im Kommentar zur Bundesabgabenordnung von Reeger-Stoll, S. 957).

Diesbezüglich machen die Beschwerdeführer nur geltend, dass die Entscheidungen im Beihilfenrecht und im Einkommensteuerrecht, mögen sich die betreffenden Bestimmungen im Wortlaut und auch im Anwendungsbereich unterscheiden, in der Praxis miteinander abzustimmen seien, dass der Einkommensteuerveranlagung ein höheres Gewicht zukomme und dass das Veranlagungsreferat wohl als Behörde im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO anzusprechen sei. Mit diesen Ausführungen vermögen sie nicht aufzuzeigen, dass ihre Einkommensbesteuerung in der Frage des Bestandes einer Unternehmereinheit als Entscheidung in der Hauptfrage anzusehen und als solche in dem mit Bescheid vom 20. September 1967, mit dem u. a. der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe nachgefordert wurde, zu berücksichtigen ist. Wohl scheint es begreiflich, dass die Beschwerdeführer sich dagegen zur Wehr setzen, dass das für die Berechnung des Dienstgeberbeitrages vom Vorliegen einer Unternehmereinheit der Beschwerdeführer ausging, bei ihrer Einkommenbesteuerung aber einen anderen Standpunkt vertrat und sich daraus für sie nachteilige steuerrechtliche Auswirkungen ergeben. Der von ihnen beschrittene Weg, eine Wiederaufnahme des mit dem Nachforderungsbescheid vom 20. September 1967 abgeschlossenen Verfahrens mit der Begründung erreichen zu wollen, dieser Bescheid sei in der Frage des Bestandes einer Unternehmereinheit der Beschwerdeführer von der Beurteilung einer Vorfrage abhängig gewesen, die bei ihrer Einkommensbesteuerung von der hiefür zuständigen Behörde anders entschieden wurde, ist aber nicht zielführend.

Schon aus diesem Grunde konnte daher der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war sie gemäß § 42 Abs. 9 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Beschwerdeführer haben für diesen Fall den Antrag gestellt, die Beschwerde dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen, da sie sich in ihrem Recht auf Eigentum verletzt erachten. Dazu genügt es, darauf hinzuweisen, dass sie mit diesem Antrag nicht auf dem Boden des Verwaltungsgerichtshofgesetzes stehen, das eine "Vorlage" an den Verfassungsgerichtshof auf Antragstellung nicht vorsieht.

Der Kostenausspruch gründet sieh auf § 47, § 48 Abs. 2 und § 59 VwGG 1965 in in Verbindung mit Art. I B der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. 4.

Wien, am 26. März 1971

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1971:1970001607.X00

Im RIS seit

26.03.1971

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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