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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §3 Abs2 litb;Beachte
Fortgesetztes Verfahren:2241/74 E 18. Juni 1976; 1061/73 E 4. Juli 1974;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Kadecka, Dr. Frühwald, Dr. Riedel und Dr. reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde der LW in W, vertreten durch Dr. Gertrud Frohn, Rechtsanwalt in Wien I,. Schwarzenbergstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. November 1969, GZ. GA VIII-1486/174/69, betreffend Grunderwerbsteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Gertrud Frohn, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrat Dr. Felix Mokry, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren hinsichtlich eines Betrages von S 4.315,-- wird zurückgewiesen, im übrigen abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 21. Dezember 1964 von Dr. Elfriede V. die Liegenschaft EZ. nnnn, vorgetragen im Grundbuch der Katastralgemeincle M., zum vereinbarten Kaufpreis von S 2,500.000,--. Dieser Rechtsvorgang wurde dem zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit Begleitschreiben vom 4. Jänner 1965, eingegangen, beim Finanzamt am 7. Jänner 1965, angezeigt. Gemäß Punkt V des Kaufvertrages behielt sich die Beschwerdeführerin das Recht vor, "innerhalb von zwei Jahren, d. i. bis 2. Dezember 1966, von diesem Vertrag ohne Angabe von Gründen zurückzutreten".
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 27. Jänner 1965, ausgehend vom Kaufpreis die 8%ige Grunderwerbsteuer in Höhe von S 200.000,-- und, wegen verspäteter Anzeige des Kaufvorganges, einen Verspätungszuschlag im Betrage von S 2.000,-- fest. Auf Grund einer Eingabe der Beschwerdeführerin, die das Finanzamt als Berufung gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages wertete, sah die Erstinstanz mit Berufungsvorentscheidung vom 8. März 1965 diesen Zuschlag nach.
Mit Schriftsatz vom 5. April 1966 gab die Beschwerdeführerin dem Finanzamt bekannt, daß sie mit einem an die Verkäuferin der gegenständlichen Liegenschaft gerichteten Schreiben vom 15. März 1966 von ihrem vertraglich zustehenden Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht habe und daher die Rückerstattung der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer im Betrage von S 200.000;-- begehre. Gleichzeitig legte die Beschwerdeführerin die Durchschrift des bezogenen Schreibens vor.
Das Finanzamt gab diesem Antrag mit Bescheid vom 7. Juni 1966 "im Hinblick auf die Stornierung des Vertrages" - gemeint ist offenbar der Kaufvertrag vom 21. Dezember 1964 - gemäß § 20 Abs. 1 Z.1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, (GrEStG) statt.
Am 27. April 1967 setzte das Finanzamt, ohne die amtswegige Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194, (BAO) zu verfügen, die 8%ige Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang vom 21. Dezember 1964 im Betrage von S 200.000,-
- und einen Verspätungszuschlag diesmal in Höhe von S 20.000,-- mit der Begründung fest, daß die Grunderwerbsteuer "neuerlich festzusetzen" sei, weil die Beschwerdeführerin nicht vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, sondern "die Liegenschaft an die C...Baugesellschaft weiterverkauft" habe.
Die Beschwerdeführerin berief. Sie habe erkennen müssen, daß das Grundstück M. "tatsächlich nicht zu verwerten" gewesen sei. Deshalb habe sie noch vor Geltendmachung ihres vertraglichen Rücktrittsrechtes "einen geeigneten Käufer für das Grundstück M..." gesucht, weil es nicht zweckmäßig gewesen wäre, von der Verkäuferin der gegenständlichen Liegenschaft die Rückzahlung eines Betrages von S 2,500.000,-- zu verlangen, da diese über Geldbeträge in dieser Höhe nicht verfügt habe. Ihr Berater, Dr. J., habe "einen Kaufinteressenten in der C... Baugesellschaft" gefunden, die bereit gewesen sei, für die Liegenschaft S 2,500.000,-- zu bezahlen. "In der Folge" habe die Beschwerdeführerin, nachdem sie der Verkäuferin der Liegenschaft, der Dr.V., die "nach wie vor grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes M..." gewesen sei, schriftlich den Rücktritt vom seinerzeitigen Kaufvertrag erklärt habe, die Erstattung der Grunderwerbsteuer vom Finanzamt mit Erfolg verlangt.
Frau Dr. F., welche die Verkäuferin Frau Dr. V. vertreten habe, sei mit dem Kauf der Liegenschaft durch die C...Baugesellschaft einverstanden gewesen, habe aber zur Erleichterung der Kaufpreisrückzahlung vorgeschlagen, mit den einzelnen von der C...Baugesellschaft namhaft gemachten "Wohnungseigentumswerbern" "jeweils einzeln über die Parzellen" Kaufverträge abzuschließen. Dr. J. sei mit diesem Vorschlag und auch damit einverstanden gewesen, daß Frau Dr. V. auf Grund der einzelnen mit den Wohnungseigentumswerbern abgeschlossenen Kaufverträge den Kaufpreis erstatten könne. Die Beschwerdeführerin habe sohin mit der C...Baugesellschaft niemals einen Vertrag geschlossen, vielmehr diese Gesellschaft im eigenen Interesse und in dem der Verkäuferin nur "gesucht". Somit habe, da ein Kaufvertrag von ihr mit der C...Baugesellschaft nicht geschlossen worden sei, keine Verpflichtung bestanden, ein Rechtsgeschäft, das niemals geschlossen worden sei, der Finanzbehörde anzuzeigen. Es könne daher weder von einer rechtzeitigen noch von einer verspäteten Anzeige die Rede sein, sodaß die Festsetzung eines Verspätungszuschlages wegen "verspäteter Anzeige" unzulässig sei. Die dargelegte Vorgangsweise sei sohin weder geeignet, Grunderwerbsteuer vorzuschreiben noch einen Verspätungszuschlag festzusetzen.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich, und Burgenland hat mit Berufungsentscheidung vom 20. November 1969 dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben, den Verspätungszuschlag "mit Rücksicht auf die nur geringfügige Fristüberschreitung" von S 20.000,-- auf S 1.000,-- herabgesetzt, die Berufung aber im übrigen abgewiesen. Sie hat den abweisenden Teil ihrer Entscheidung damit begründet, daß "der am 21. Dezember 1964 abgeschlossene Kaufvertrag am 7. Jänner 1965 beim Finanzamt eingelangt" sei. Die Beschwerdeführerin habe dabei in ihrer "gegen die Vorschreibung eines Verspätungszuschlages" erhobenen Berufung selbst zugegeben, daß der Vertrag erst am 5. Jänner 1965 an das Finanzamt weitergeleitet" worden sei. Da die Beschwerdeführerin den Kaufvertrag aber fristgemäß "spätestens am 4. Jänner 1965 dem Finanzamt" hätte überreichen oder "zur Post" geben müssen, sei der Kaufvertrag verspätet angezeigt worden, weshalb die Bestimmung des § 20 GrEStG nicht anwendbar gewesen sei. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin den Erwerbsvorgang nicht im Sinne des § 20 leg. cit. rückgängig gemacht, sondern die gegenständliche Liegenschaft, wie die vom Finanzamt durchgeführten Ermittlungen ergeben hätten, "in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht" weiterverkauft.
Gegen diese Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. November 1969 richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, der schon aus dem Grunde Berechtigung zukommt, weil der Bescheid des Finanzamtes vom 27. April 1967 einen unzulässigen Eingriff in die Rechtskraft darstellt. Die Erstinstanz hat für den streitigen Erwerbsvorgang mit ihrem Bescheid vom 27. Jänner 1965 Grunderwerbsteuer festgesetzt und zugleich von der Beschwerdeführerin wegen der von ihr angenommenen verspäteten Anzeige des Kaufvertrages gemäß § 135 BAO einen Verspätungszuschlag angefordert. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zufolge des Bescheides vom 27. Jänner 1965 ist zunächst in Rechtskraft erwachsen. Die Vorschreibung des Verspätungszuschlages hat die Beschwerdeführerin nach Annahme des Finanzamtes mit Berufung bekämpft, in deren Erledigung die Erstinstanz mit ihrer Berufungsvorentscheidung vom 8. März 1965 die Festsetzung dieses Zuschlages zurückgenommen hat. Auch dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Antragsgemäß hat das Finanzamt sodann auch die der Beschwerdeführerin in Höhe von S 200.000,-- für den Erwerbsvorgang vom 21. Dezember 1964 vorgeschriebene Grunderwerbsteuer gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG vergütet. Auch dieser Bescheid ist formell in Rechtskraft erwachsen. Ein Eingriff in die so festgestellten formell rechtskräftigen Abgabenverhältnisse konnte bei aufrechtem Bestand der oben zitierten drei Bescheide weder von Seite der Beschwerdeführerin noch auch seitens der Abgabenbehörden erfolgen. Nun sieht allerdings die Bundesabgabenordnung solche Eingriffe in bestimmten im Gesetz näher umschriebenen Fällen vor. Eine dieser Möglichkeiten bildet die Wiederaufnahme eines formell rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahrens gemäß der §§ 303 ff BAO. Einen solchen Weg hat das Finanzamt offenbar beschreiten wollen. Es hat aber verabsäumt, seinen Willen, ein bestimmtes Abgabenverfahren wiederaufzunehmen, ausdrücklich zu erklären und damit den Weg für eine neue abgabenrechtliche Behandlung im Gegenstande freizumachen. Die Erstinstanz hat weder im Spruch des Bescheides vom 27. April 1967 noch auch in der Begründung zum Ausdruck gebracht, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt wurde, sondern in der Begründung einfach die Feststellung getroffen, daß die Abgaben neuerlich festzusetzen gewesen seien. In einer solchen Feststellung kann aber eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht erblickt werden. Eine solche wäre aber erforderlich gewesen, weil ohne sie infolge des aufrechten Bestandes der drei Vorbescheide ein neuer Bescheid nicht erlassen werden konnte. Schreibt doch § 307 Abs. 1 BAO ausdrücklich vor, daß mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheide, untergleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist. Ganz abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, welches der früheren rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren wieder aufgenommen werden sollte. Schließlich ist hinsichtlich des Verspätungszuschlages das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes gemäß § 303 BAO überhaupt nicht zu erkennen, denn der Sachverhalt, der der Berufungsvorentscheidung vom 8. März 1965 seitens des Finanzamtes zugrunde lag, gleicht dem, auf den sich der Bescheid vom 27. April 1967 stützt. Es darf im übrigen auch nicht übersehen werden, daß der Anspruch des Staates auf einen Verspätungszuschlag ein vom Steueranspruch durchaus selbständiger ist. Sohin rügt die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Beschwerde mit Recht, daß eine neuerliche Abgabenfestsetzung der Grunderwerbsteuer und des Verspätungszuschlages nicht durch das Gesetz gedeckt war. Dies hat die belangte Behörde nicht erkannt und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, welcher Umstand zu dessen Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Grunde des § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zu führen hatte. Bei dieser Sach- und Rechtslage war es entbehrlich, auf das übrige Vorbringen in der Beschwerde und in der von der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift sowie auf die Ausführungen der Parteien in der vor dem Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Verhandlung näher einzugehen.
Für den Fall ihres Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Beschwerdeführerin am Schluß der vor dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß durchgeführten Verhandlung folgenden Aufwandersatz angesprochen:
Für die Verfassung der Beschwerde
S
4.200,--
Stempelmarken hiezu
S
115,- -
Für den Verhandlungsaufwand
S
4.200,--
Fahrtkosten
S
10,--
S
125,--
S
8.400,--
50 % Einheitssatz
S
4.200,--
12.600,--
5,5 % Umsatzsteuer
S
693,--
Barauslagen
S
125,--
S
13.418,--
=
======
Gemäß den §§ 47 Abs. 1 und 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. c und d, 49 Abs.1 und 59 Abs. 1 und 2 lit. c VwGG 1965 im Zusammenhalt mit Art. I A Z. 2 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4, waren der Beschwerdeführerin Kosten nur in Höhe von S 1.260,-- (S 1.250,-- für den Verhandlungsaufwand und S 10,-- für Fahrtkosten) zuzuerkennen. Soweit die Beschwerdeführerin Kosten für die Einbringung der Beschwerde verzeichnet hat, war ihr nicht rechtzeitig gestellter Antrag zurückzuweisen (§ 59 Abs. 2 lit. a und d und Abs. 3 VwGG 1965); im übrigen war das Kostenmehrbegehren abzuweisen, weil der Verhandlungsaufwand pauschaliert ist und alle einschlägigen Aufwendungen darin ihre Deckung finden.
Die zweiwöchige Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs. 4 VwGG. 1965.
Wien, am 22. April 1971
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1971:1970000051.X00Im RIS seit
22.04.1971Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009