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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Kobzina, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Dr. Liska als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. König den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG 1965 wird dem Antrag des JP in W, vertreten durch Dr. Herbert Schaller, Rechtsanwalt in Wien IV, Margaretenstraße 28, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. April 1972, Zl. GA 4-496/9/1972 betreffend einen Antrag um Befreiung von der Beibringung des Tarifierungsnachweises, nicht stattgegeben. Gleichzeitig wird die Beschwerde gegen diesen Bescheid wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 zurückgewiesen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde gemäß seinem Vorbringen am 29. Juni 1972 zu Handen eines Rechtsfreundes der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. April 1972 zugestellt. Die Frist zur Erhebung der Beschwerde endete daher gemäß dem § 26 Abs. 1 VwGG 1965 am 10. August 1972. Mit dem am 11. Oktober 1972 zur Post gegebenen Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob unter einem Beschwerde gegen den bezeichneten Bescheid der Finanzlandesdirektion. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete der Beschwerdeführer wie folgt: "Die Frist für die Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (gegen den bezeichneten Bescheid der Finanzlandesdirektion) wurde im Fristenbuch unseres Anwaltes mit 7. August 1972 eingetragen. Einige Tage vor Ablauf dieser Frist, und zwar am 4. August 1972, machte die Sekretärin unseres ausgewiesenen Vertreters, Fräulein G.A., unseren Vertreter auf den bevorstehenden Fristablauf aufmerksam. Unser Vertreter konnte sich an diesem 4. August 1972 daran erinnern, dass nur zirka eine Woche vorher eine Zustellung in einer Beschwerdeangelegenheit betreffend die Finanzlandesdirektion zu seinen Handen erfolgte. Er hob daher den Akt 'P - Finanzlandesdirektion' aus und stellte fest, dass in der beim Verfassungsgerichtshof zur Geschäftszahl 150/72 anhängigen Beschwerdesache - belangte Behörde Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland - tatsächlich am 26. Juli 1972 eine Gegenschrift der Finanzlandesdirektion zugestellt worden war. Dadurch wurde unser Vertreter in Irrtum geführt, indem er also annahm, dass es sich bei der für 7. August 1972 eingetragenen Frist 'Verwaltungsgerichtshofbeschwerde P - Finanzamt' um die Gegenäußerungsfrist handelte, die in der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde - Angelegenheit der belangten Behörde eingeräumt worden war. Dieser Irrtum wäre unter normalen Umständen sicher noch rechtzeitig aufgeklärt worden, so aber ereignete sich noch am 4. August 1972 abends in der Familie unseres ausgewiesenen Vertreters ein Todesfall, sodass die sonst selbstverständliche nochmalige gründliche Überprüfung dieser Angelegenheit unterblieb. Nur so konnte es geschehen, dass die Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. April 1972 in der gegenständlichen Angelegenheit versäumt wurde. Dieser in der Kanzlei unseres Vertreters aufgetretene außergewöhnliche Umstand ist für uns als ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis zu werten, durch welches wir ohne unser Verschulden verhindert waren, die gegenständliche Frist einzuhalten. Erst durch einen Anruf der zuständigen Referentin der belangten Behörde am 27. 9. 1972 in der Kanzlei unseres Vertreters wurde dessen oben angeführtes Missverständnis aufgedeckt."
Über den solcherart ausgeführten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß dem § 46 Abs. 1 VwGg 1965 ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Der Beschwerdeführer beruft sich in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages auf einen Irrtum des Rechtsfreundes, der den im Fristenbuch für die Einbringung der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof vorgemerkten Termin vom 7. August 1972 mit dem der belangten Behörde für die Erstattung der Gegenschrift in einem vom Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig gemachten Verfahren verwechselte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ins einem Beschluss vom 7. Oktober 1946, Slg. Nr. 18/A, und seither in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, bildet ein dem Anwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann, wenn es für ihn, den Anwalt selbst, unvorhersehbar und unabwendbar war. Dies vermag jedoch rechtens von dem im Gegenstandsfall geltend gemachten Versehen nicht erkannt zu werden, zumal dieses - und dem kann auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht widersprechen - durch gehörige Sorgfalt des ausgewiesenen Rechtsanwaltes hätte abgewendet werden können. Solcherart aber ist auch das weitere im § 46 Abs. 1 leg. cit. - abweichend etwa vom § 146 ZPO - normierte Tatbestandselement eines fehlenden Verschuldens vorliegendenfalls von dem zur Stützung des eingebrachten Antrages vorgetragenen Sacherverhalt nicht umfasst. Da einerseits ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen ist (vgl. hiezu u. a. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1969, Slg. N. F. Nr. 7671/A) und anderseits, auch dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 9. April 1970, Zl. 263/70, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. 1965/45, hingewiesen wird -, ausgesprochen, selbst leichte Fahrlässigkeit die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt, reicht das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht aus, den gestellten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf einen sich am 4. August 1972 in der Familie des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers ereigneten Todesfall nichts zu ändern. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluss vom 9. Mai 1949, Slg. Nr. 811/A, dargetan hat, ist selbst eine Krankheit des Beschwerdeführers (oder dessen Rechtsvertreters) nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund zu erweisen, es sei denn, dass diese zur Dispositionsunfähigkeit des zur Setzung der Rechtshandlung Berufenen führte. Dass aber der drei Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist in der Familie des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers eingetretene Todesfall dessen Dispositionsunfähigkeit zur Folge gehabt hätte, wird selbst in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nicht behauptet.
Damit erweist sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als nicht gerechtfertigt. Diesem war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG 1965 im Grunde der bezogenen Gesetzesstelle nicht Folge zu geben.
Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Beschwerde gegen den im Spruch näher bezeichneten Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. April 1972 war sohin gemäß dem § 34 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit dem § 26 Abs. 1 leg. cit. wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuverweisen.
Wien, am 10. November 1972
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt UmfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1972:1972001625.X00Im RIS seit
10.11.1972Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009