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yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnenNorm
AmtssitzAbk IAEO 1958 Abschn38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Kadecka, Dr. Frühwald, Dr. Riedel und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde des A, des B, des C, des D, der E, der F, des G, des H, der I, der J, des K und des L, alle in W, alle vertreten durch Dr. Alexander Globocnik-Vojka, Rechtsanwalt in Wien I, Herrengasse 6-8, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 29. 9. 1971, GA VIII-1742/3/71, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (FLD für Wien, NÖ und Bgld) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 2.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 29. 11. 1968 erwarben, die Beschwerdeführer je 1/12te1 Anteil der Liegenschaft EZ. nnnn der KG H., Haus in der W...gasse 4, um den Kaufpreis von S 1,400.000,-- . In Ihrer Abgabenerklärung vom 2. 12. 1968 begehrten sie die Freiheit des Erwerbsvorgangs von der Grunderwerbsteuer gem "§ 4 Abs 1 Ziffer 2 GrEStG". Über Aufforderung des zuständigen FA gaben sie ferner bekannt, dass auf der Liegenschaft ein Eigentumswohnhaus errichtet werden sollte, wobei als Wohnungsgröße jeweils ein Ausmaß von 129 m2 vorgesehen sei. Die Baukosten würden sich voraussichtlich auf S 4.200,-- je m2 belaufen.
Mit Bescheid vom 13. 1. 1969 bemaß das FA ungeachtet des gestellten Befreiungsantrags die Grunderwerbsteuer für jeden Beschwerdeführer mit S 9.432,--, zusammen mit S 113.184,--, und führte zur Frage der Steuerpflicht aus, dass die Eigenschaft der gegenständlichen Wohnungen als ''Arbeiterwohnstätten" wegen der Höhe der Baukosten verneint werden müsse. Die Beschwerdeführer beriefen und machten geltend, dass die Richtsätze der Landesregierungen durch die Lohn- und Preisentwicklung überholt seien; im übrigen ergebe sich aus den Planungsunterlagen (zu deren Vorlage sie bereit seien), dass den Erfordernissen der Hygiene und der Haushaltsführung entsprochen werde und lediglich eine durchaus normale Ausstattung vorgesehen sei. Das FA legte dieses Rechtsmittel, ohne eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, der Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.
Die FLD für Wien, NÖ und Bgld hat mit Verfügung vom 7. 5. 1969 gem § 281 BAO zunächst das Berufungsverfahren mit der Begründung ausgesetzt, dass über die gleiche Rechtsfrage zur Z 1787/68 ein Verfahren vor dem VwGH anhängig sei. Mit dem nunmehr vor dem VwGH angefochtenen Bescheid vom 29. 9. 1971 hat sie sodann die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde hat zur Begründung der Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs in ihrer Entscheidung ausgeführt, dass die Frage, ob die Baukosten jenen einer Arbeiterwohnstätte entsprächen, nach der V d Wr Landesregierung vom 5. 3. 1968 LGBl für Wien 7 zu messen sei, wonach die Höchstgrenze der Gesamtkosten je m2 bei S 3.550,-- liege. Im gegenständlichen Falle werde jedoch dieser Grenzbetrag überschritten, weil die Gesamtbaukosten S 4.200,-- betrügen. Eine Überschreitung des Höchstbetrages von S 3.550,-- sei zwar zulässig, wenn dies durch ungewöhnliche Umstände bei der Bauführung unvermeidlich werde. Im gegenständlichen Falle seien aber diese Kosten noch nicht als unvermeidbar zu bezeichnen, weshalb eine Steuerbefreiung im Grunde des § 4 Abs 1 Z 2 lit a Grunderwerbsteuergesetz 1955 BGBl 140 (GrEStG) nicht in Betracht komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene, vorliegende Beschwerde, über die der VwGH erwogen hat:
Die Beschwerdeführer bezeichnen sich durchwegs als Angehörige der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien. Aus diesem Grund ist der VwGH im Verfahren über die Beschwerde zu der Ansicht gelangt, dass für die Entscheidung über die Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch Gründe maßgebend sein könnten, die den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bisher nicht bekannt gegeben wurden. Bei der Behandlung der Beschwerde war nämlich auch die Frage zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid nicht etwa deshalb rechtswidrig sein könnte, weil die Beschwerdeführer als Angestellte der Internationalen Atomenergie-Organisation bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gem den Bestimmungen des Abkommens vom 11. 12. 1957 über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation BGBl 1958/82 und des Wiener Übereinkommens über die diplomatischen Beziehungen BGBl 1966/66 von der streitigen Grunderwerbsteuer befreit sein könnten. Er hat deshalb die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgefordert, sich iSd § 41 Abs 1 letzter Satz VwGG 1965 binnen drei Wochen zu äußern, ob der angefochtene Bescheid etwa aus den angeführten Gründen rechtswidrig sein könnte. Die Parteien haben die ihnen gestellte Frist ungenützt verstreichen lassen.
Im Zuge der Errichtung des Sitzes der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien ist ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der genannten Organisation (IAEO) abgeschlossen worden (s BGBl 1958/82), mit dem schon in seiner ursprünglichen Fassung den Angestellten der IAEO u.a. in und gegenüber der Republik Österreich gewisse Privilegien und Immunitäten, darunter auch solche abgabenrechtlicher Art, eingeräumt wurden (vgl die Abschn 38 und 39 des zit Abkommens). So ist in Abschn 38 lit d für Angestellte der IAEO die Befreiung von der Besteuerung der Gehälter, Bezüge und Vergütungen, die die Angestellten für gegenwärtige oder frühere Dienste oder in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bei der IAEO erhalten, vorgesehen und durch die lit e des gleichen Abschn sind die in Rede stehenden Angestellten von jeder Art Besteuerung von Einkommen, die aus Quellen außerhalb der Republik Österreich stammen, befreit. Darüber hinaus werden in Abschn 39 neben den im Abschn 38 angeführten Privilegien und Immunitäten
a) dem Generaldirektor die Privilegien und Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen gewährt, die Botschaftern, die Leiter diplomatischer Vertretungsbehörden sind, eingeräumt werden;
b) einem stellvertretenden Generaldirektor oder einem sonstigen höheren Angestellten der IAEO, während er den Generaldirektor in dessen Abwesenheit vom Dienst vertritt, die gleichen Privilegien, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen gewährt, die dem Generaldirektor eingeräumt werden; und
c) den stellvertretenden Generaldirektoren, denjenigen sonstigen Angehörigen des Personals, die den Dienstgrad P-5 oder einen höheren Dienstgrad besitzen, sowie jenen weiteren Kategorien von Angestellten, die vom Generaldirektor nach Rücksprache mit dem Gouverneursrat und mit Zustimmung der Regierung im Hinblick auf ihre verantwortliche Stellung in der IAEO namhaft gemacht werden, die gleichen Privilegien, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen gewährt, wie sie die Regierung den Mitgliedern vergleichbaren Ranges des Personals der bei der Republik Österreich beglaubigten Leiter diplomatischer Vertretungsbehörden einräumt. Zufolge Abschn 39 ist also hinsichtlich der darin bezeichneten Funktionäre auf die den Diplomaten eingeräumten Privilegien, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen Bedacht zu nehmen, die im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (s BGBl 1966/66) ihre feste völkerrechtliche Regelung gefunden haben. Nach Art 34 dieses Übereinkommens ist aber auch der Diplomat, der nicht Missionschef ist, grundsätzlich von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit. Von dieser Befreiung sind aber gewisse Einschränkungen festgelegt, von denen für den vorliegenden Rechtsstreit nur die lit b, allenfals auch die lit f in Betracht kommen. Nach der lit b bleibt die Pflicht der Diplomaten zur Entrichtung von Steuern und sonstigen Abgaben vor privaten, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats gelegenen unbeweglichen Vermögen, es sei denn, dass der Diplomat es im Auftrag des Entsendestaats für die Zwecke der Mission benützt, aufrecht. Diese Einschränkung ist jedoch für den Streitfall unbeachtlich. Denn die Grunderwerbsteuer ist zwar eine Steuer, die sich auf unbewegliches Vermögen bezieht, sie ist aber keine Steuer vom unbeweglichen Vermögen, sondern eine Abgabe, die anlässlich des Übergangs von Grundstücken zu entrichten ist, also keine Besitz-, sondern, eine Verkehrsteuer. Das kann auch aus der lit f des Abschn 34 geschlossen werden, derzufolge die Abgabenpflicht für Eintragungs-, Gerichts-, Beurkundungs-, Beglaubigungs-, Hypotheken- und Stempelgebühren in Bezug auf unbewegliches Vermögen, jedoch vorbehaltlich des Art 23, aufrecht bleibt. Diese Ausnahme wäre nämlich überflüssig, wollte man als "Steuern oder sonstige Abgaben" vom unbeweglichen Vermögen alle Abgaben erfassen, die im Zuge des Grundstücksverkehrs anfallen. Aus der lit f sollte hervorgehen, dass im Zuge des Übergangs unbeweglichen Vermögens nur die darin bezeichneten Abgaben (die GrESt ist darunter nicht aufgezählt) im Empfangsstaat erhoben werden sollen. Soweit in diesem Zusammenhang die GrESt in Frage steht vgl auch Zeileissen, "Die abgabenrechtlichen Privilegien in den diplomatischen und konsularischen Beziehungen", Wien-Stuttgart 84 f. Da also durch Art 34 des Abkommens aus dem Jahre 1966 den Diplomaten die Freiheit von der GrESt eingeräumt ist, wäre zu untersuchen gewesen, ob die Beschwerdeführer zu den im Abschn 39 des Abkommens über die IAEO genannten Personen gehören. Bejahendenfalls wäre schon deshalb die Anforderung der GrESt im vorliegenden Beschwerdefall unzulässig gewesen. Nun gilt es allerdings auch zu bedenken, dass im GrEStG in seiner ursprünglichen Fassung selbst eine Befreiungsvorschrift beim Grundstückserwerb für ausländische Vertretungsbehörden festgelegt ist (§ 4 Abs 1 Z 7), woraus geschlossen werden könnte, dass der Gesetzgeber nur einen solchen Grundstückserwerb, nicht aber den Erwerb von Liegenschaften durch Diplomaten für private Zwecke von der Abgabe befreien wollte. Dieser Zweifel kann aber schon mit dem Hinweis darauf beseitigt werden, dass das Wiener Abkommen (ebenso wie das Abkommen aus dem Jahre 1958) ein Staatsvertrag mit gesetzesänderndem Inhalt ist, der die verfassungsgemäße Genehmigung des Nationalrates erhalten hat (Art 50 Abs 1 B-VG) und daher als lex posterior den Katalog der Befreiungsbestimmungen des § 4 GrEStG ergänzt und erweitert hat. Da sich die belangte Behörde mit dem aufgezeigten grundsätzlichen Rechtsproblem überhaupt nicht auseinander gesetzt hat, erwies sich der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften als rechtswidrig, sodass er gem § 42 Abs 2 lit c Z 2 und 3 VwGG 1965 im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art I A Z 1 V d BK-BGBl 1972/427.
Wien, am 14. Dezember 1972
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1972:1971002158.X00Im RIS seit
14.12.1972Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008