TE Vwgh Erkenntnis 1974/1/18 0969/73

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Veröffentlicht am 18.01.1974
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §68 Abs4 lita;
BAO §299 Abs1 lita impl;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRG 1959 §99 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Penzinger und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter im Beisein des Schriftführers Landesgerichtsrat Dr. Terlitza, über die Beschwerde der T-AKTIENGESELLSCHAFT in Wien, vertreten durch Dr. Walter Schuppich und Dr. Werner Sporn, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. April 1973, Zl. 64.682-I/1/72, betreffend Nichtigerklärung einer wasserrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 3. April 1969 bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha das Ansuchen, ihr die wasserrechtliche Genehmigung für eine Schottergewinnung auf dem Grundstück Nr. n1 in G zu erteilen. Sie teilte dabei mit, dass der Abraum durch einen Bagger Marke Prestmann Lion 3 mit einer Schleppschaufel von 1,2 m3 Inhalt und einer Motorleistung von 145 PS erfolgen solle und dass ferner ein Ladegerät mit einer Leistung von 100 PS (Marke Chaseside oder Caterpillar) eingesetzt werden solle. Mit Eingabe vom 21. September 1969 ergänzte sie ihr Ansuchen dahin, dass beabsichtigt sei, ungefähr bis 5 m unter den Grundwasserspiegel zu baggern, dass die für die Nassbaggerung vorgesehene Fläche ungefähr 10 ha betrage und dass sich die Beschwerdeführerin gegenüber dem Grundeigentümer vertraglich verpflichtet habe, im Jahre mindestens 15.000 m3 Schotter abzubauen, was bei einem Abbau bis zu 5 m Tiefe eine Fläche von ungefähr 3.000 m2 im Jahr ergebe.

Mit Bescheid vom 30. Juni 1969 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha auf Grund einer am 19. Juni 1969 durchgeführten mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin unter verschiedenen Auflagen und Bedingungen die wasserrechtliche Bewilligung zur Schottergewinnung auf Grundparzelle Nr. n1, EZ. nn der niederösterreichischen Landtafel in G, wobei eine Baggerung bis 5 m unter den Grundwasserspiegel vorgesehen war. Mit Bescheid vom 16. August 1971 stellte dieselbe Behörde die grundsätzliche Übereinstimmung der ausgeführten Schottergrube mit der erteilten Bewilligung fest.

Mit Bescheid vom 17. Mai 1972 erklärte der Landeshauptmann von Niederösterreich die beiden angeführten Bescheide gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 für nichtig. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zur Erlassung dieser Bescheide nicht die Bezirkshauptmannschaft, sondern der Landeshauptmann zuständig gewesen wäre. Außerdem sei wegen der Mangelhaftigkeit dieser Bescheid das öffentliche Interesse beeinträchtigt gewesen. Dagegen berief die Beschwerdeführerin und machte geltend, dass die Nichtigerklärung offenbar wegen eines in der Nähe befindlichen Horizontal-Filterbrunnens der NÖSIWAG erfolgt sei. Die Schottergrube liege aber außerhalb des engeren und erweiterten Schutzgebietes dieses Brunnens. Außerdem seien zahlreiche Investitionen für die Reinhaltung der Schottergrube getätigt worden und sei es auch während der gesamten Betriebsdauer zu keinen Anständen wegen Gewässerverunreinigung gekommen. Die Nichtigerklärung sei mit Verfahrensmangel behaftet, weil das Parteiengehör nicht gewahrt worden sei und weil aus der Bescheidbegründung nicht hervorgehe, unter Annahme welcher konkreter Umstände diese Entscheidung ergangen sei. Schließlich handle es sich bei der Schottergrube um keine Anlage zur Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer und werde der Abbau keineswegs industriemäßig, sondern lediglich mit einem Schürfkübelbagger und einem Ladegerät betrieben.

Dieser Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 27. April 1973 nicht Folge gegeben. Nach der beigegebenen Begründung könnten gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Gemäß § 31a Abs. 2 WRG 1959 bedürfe die Gewinnung von Sand und Kies der wasserrechtlichen Bewilligung, wenn sie mit besonderen Vorrichtungen erfolge und eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könne. Nach § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 sei der Landeshauptmann in erster Instanz für Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässern zuständig, die nicht allein von landwirtschaftlichen Haus- und Hofbetrieben oder kleingewerblichen Betrieben stammten. Im vorliegenden Fall sei den Projektangaben zu entnehmen, dass jährlich 15.000 m3 Schotter unter Verwendung eines 145 PS starken Baggers und eines 100 PS starken Ladegerätes abgebaut werden sollen. Unter Zugrundelegung von 200 bis 300 Arbeitstagen im Jahr ergebe sich eine tägliche Abbaumenge von 50 bis 75 m3 Schotter. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kleingewerbebetrieb vorliege, sei die Zahl der Beschäftigten nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Im Hinblick auf die fortschreitende Technisierung des Arbeitsprozesses nehme auch die Anzahl der in einem Großbetrieb beschäftigten Arbeitskräfte ständig ab. Zu prüfen sei daher, ob der Umfang der Produktion oder des Umsatzes und die gesamte maschinelle oder sonstige Einrichtung noch einem Kleinbetrieb entsprächen. Maßgebend sei somit, in welchem Umfang die Betriebsstätte eingerichtet und organisiert sei. Wenn auch im Hinblick auf den derzeitigen Stand der Technik auch in Kleinbetrieben der Einsatz gewisser Maschinen unerlässlich sei, so könne doch durch die Art und den Umfang des Einsatzes von Maschinen der Umfang eines Kleinbetriebes überschritten werden. Bei einer Sand- und Schottergewinnung (richtig: Sand- und Kiesgewinnung) handle es sich um einen arbeitsintensiven Betrieb, der in früheren Zeiten insbesondere bei Bedachtnahme auf die beabsichtigte Abbaumenge den Einsatz zahlreicher Arbeitskräfte erfordert hätte. Nur durch den Einsatz der genannten starken Maschinen sei es dem Unternehmen möglich, diese Betriebsstätte unter der Verwendung weniger Arbeitskräfte (laut mündlicher Angabe des Vertreters des Unternehmens: drei) zu führen. Trotz dieser geringen Zahl der dort Beschäftigten könne diese Betriebsstätte nicht als Kleinbetrieb gewertet werden. Durch den Einsatz der angeführten Maschinen sei nämlich die Kapazität dieser Betriebsstätte so groß, dass sie nicht mehr unter den Begriff kleingewerblicher Betrieb eingeordnet werden könne (Hinweis auf das OGH-Erkenntnis vom 16. März 1972, Zl. 3 Ob 29/72). Auf Grund der angeführten Gesetzesstelle ergebe sich somit, dass für die wasserrechtliche Bewilligung und Überprüfung der gegenständlichen Sand- und Kiesgewinnung die Zuständigkeit des Landeshauptmannes von Niederösterreich gegeben gewesen sei. Da aber der Bewilligungsbescheid von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha und der Überprüfungsbescheid von derselben Behörde im Namen des Landeshauptmannes von Niederösterreich - jedoch ohne entsprechende Ermächtigung - erlassen worden seien, habe der Landeshauptmann von Niederösterreich mit dem bekämpften Bescheid zu Recht die beiden angeführten Bescheide als nichtig erklärt. Soweit in der Berufung die Nichteinhaltung des Parteiengehörs gerügt werde, sei festzuhalten, dass es für die Nichtigerklärung keiner weiteren Ermittlungen bedurfte, da die hiefür maßgebenden Umstände aus den Akten des Bewilligungs- und Überprüfungsverfahrens entnommen werden konnten.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrer durch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha erteilten wasserrechtlichen Bewilligung zur Schottergewinnung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin führt aus, das Grundstück Nr. n1 liege außerhalb des engeren oder erweiterten Schutzgebietes für Brunnen überhaupt, insbesondere auch außerhalb des engeren und erweiterten Schutzgebietes des Horizontal-Filterbrunnens der NÖSIWAG, der offensichtlich Anlass für dieses Verfahren gewesen sei. Der Schotterabbau erfolge nur auf der östlich vom "Kalten Gang" gelegenen Hälfte des Grundstückes Nr. n1, das durch ein in nordsüdwestlicher Richtung verlaufendes Gerinne zweigeteilt werde. Die Wasseranlage der Beschwerdeführerin stimme mit der von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha erteilten Bewilligung vollkommen überein, der Schutz des Grundwasservorkommens in der Mitterndorfer Senke, wie ihn die Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 11. April 1969 zum Gegenstand habe, sei voll gewährleistet. Die Beschwerdeführerin habe zahlreiche Investitionen getätigt, die ihr hohe Kosten verursachten, um das Wasser in der Schottergrube rein zu halten. Während der nunmehr fast vierjährigen Dauer des Betriebes sei kein Anstand wegen Verschmutzung des Grundwassers oder des Gewässers bekannt geworden. Zur geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Landeshauptmann von Niederösterreich sei, entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht Wasserrechtsbehörde erster Instanz gemäß § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959. In der angeführten Gesetzesbestimmung würden landwirtschaftliche Haus- und Hofbetriebe und kleingewerbliche Betriebe nebeneinander gestellt. Unbestritten erfolge der Schotterabbau durch die Beschwerdeführerin unter Einsatz eines Löffelbaggers und eines Ladegerätes sowie unter Einsatz von drei Arbeitskräften während der normalen wöchentlichen Arbeitszeit. Damit sei dasjenige Ausmaß, welches der Begriff "kleingewerblicher Betrieb" schaffe, nicht überschritten. Vergleicht man die Schottergewinnung in "kleingewerblichen Betrieben" mit landwirtschaftlichen Haus- und Hofbetrieben, so zeige sich, dass diese landwirtschaftlichen Haus- und Hofbetriebe die Schottergewinnung ebenfalls nicht nur manuell durchführten - dies wäre in der heutigen Zeit wirtschaftlich nicht vertretbar -, sondern ebenso Geräte einsetzten wie die Beschwerdeführerin. Die belangte Behörde irre auch, wenn sie meine, dass die Abbaumenge von entscheidender Bedeutung sei. Der eindeutige und klare Wortlaut des Gesetzes spreche von Kleingewerbetrieben im allgemeinen, wobei auf die Abbaumenge keine Rücksicht genommen werde. Dies mit gutem Grund, da mit dem Begriff der Abbaumenge jederzeit und leicht, und ohne dass eine genaue Überprüfung und Kontrolle vorgenommen werden könnte, manipuliert werden könne. Es müsse daher nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und dem klaren Auftrag des Gesetzgebers auf den Betrieb abgestellt werden. Ein Betrieb, der drei Arbeitskräfte beschäftige und dem Maschinen als Hilfsmittel zur Verfügung stehen, sei aber in jedem Fall als kleingewerblicher Betrieb anzusehen. Die Beschwerdeführerin habe auch keine besonderen Baulichkeiten an Ort und Stelle errichtet.

Nach § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 ist der Landeshauptmann in erster Instanz für die Bewilligung von Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässern, die nicht allein von Haushaltungen, landwirtschaftlichen Haus- und Hofbetrieben oder kleingewerblichen Betrieben stammen, zuständig. Nach dem Projekt der Beschwerdeführerin handelte es sich angesichts der beabsichtigten Baggerungen im Grundwasserbereich eindeutig um ein Vorhaben, das der Bewilligung nach § 32 Abs. 2 lit. c und daher nicht einer solchen nach § 9 oder § 31a WRG 1959 bedurfte. Die erteilte Bewilligung konnte daher nur nach diesem Bewilligungserfordernis beurteilt werden, nämlich nach dem Tatbestand der "Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässern", wie dies § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 u. a. vorsieht. Was weiters die Annahme der belangten Behörde betrifft, dass es sich beim fraglichen Betrieb nicht um einen kleingewerblichen Betrieb handle, wie dies die eben erwähnte Gesetzesstelle als weitere Voraussetzung für die Kompetenz des Landeshauptmannes nennt, ist der Beschwerdeführerin beizustimmen, dass aus der Nebeneinanderstellung der in dieser Gesetzesstelle angeführten Betriebe auf die Auffassung des Gesetzgebers geschlossen werden kann, dass das Maß der Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässern bei allen angeführten Kategorien von Betrieben ungefähr gleich ist. Die Frage, ob ein kleingewerblicher Betrieb nach dieser Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes vorliegt, muss notwendigerweise nach Art und Einrichtung des Betriebes bzw. der Betriebsstätte, von der die Einwirkungen ausgehen, beurteilt werden.

Setzt man den unter den nebeneinander aufgezählten Begriffen "Haushaltungen, landwirtschaftliche Haus- und Hofbetriebe, kleingewerbliche Betriebe" allgemein geläufigen Begriff der "Haushaltung" in seinem wirtschaftlichen Rang erfahrungsgemäß auf die unterste Stufe wirtschaftlicher Betriebsformen, dann kann es sich bei den gleichwertig daneben genannten "kleingewerblichen Betrieben" ebenfalls nur um solche unterster wirtschaftlicher Rangstufen handeln. Wie der oberste Gerichtshof hiezu bereits in seinem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 16. März 1972, Zl. 3 Ob 29/72, bei Auslegung desselben Rechtsbegriffes ausgeführt hat, kann aber bei einem arbeitsintensiven Betrieb, dessen Kapazität ohne die eingesetzten Maschinen zahlreiche Arbeitskräfte erfordern würde, bereits aus solcher Warte nicht mehr von einem kleingewerblichen Betrieb gesprochen werden.

Da es sich gegenständlich unbestritten um einen solchen Betrieb handelt, war die belangte Behörde im Recht, wenn sie angesichts der Kompetenzvorschrift des § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 die beiden Vorbescheide auf der Grundlage des § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 als nichtig behob.

Soweit die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf § 68 Abs. 3 AVG 1950 auf die Verpflichtung der Behörde, mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen, verweist, ist darauf zu entgegnen, dass es sich gegenständlich nicht um eine Behebung nach § 68 Abs. 3, sondern um eine Nichtigerklärung nach § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 handelt, bei welcher die Herstellung des rechtsmäßigen Zusandes im Vordergrund steht und eine Interessenabwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen nicht in Betracht kommt.

Da der maßgebende Sachverhalt durch die Parteiangaben selbst klargestellt war (§ 56 AVG 1950), bedurfte es vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keines weiteren Ermittlungsverfahrens. Der maßgebende Sachverhalt blieb auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbestritten.

Die Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Zuspruch des Aufwandersatzes an den Bund gründet sich auf § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 und Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427.

Wien, am 18. Jänner 1974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1973000969.X00

Im RIS seit

18.01.1974

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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