TE Vwgh Erkenntnis 1974/5/14 0121/74

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Veröffentlicht am 14.05.1974
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8 impl;
BauO Stmk 1968 §62 Abs1;
BauO Stmk 1968 §69;
BauRallg impl;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Liska, Dr. Iro und Dr. Salcher als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungsoberkommissär Dr. Yasikoff, über die Beschwerde des Dr. W K in G, vertreten durch, Dr. J F, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Dezember 1973, Zl. A 17-K-11.658/3- 1973, betreffend den Antrag eines Nachbarn auf Zustellung des Benützungsbewilligungsbescheides (mitbeteiligte Partei: F B, in G,), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.157,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Stadtsenat von Graz hatte der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 21. März 1972 die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung einer PKW-Doppelgarage sowie eines Verandazubaues und ferner zur Demolierung einer Holzlage auf der Liegenschaft M Grundstück Nr. nn/10, EZ.nnn der Katastralgemeinde R erteilt. Von den dieser Bewilligung beigefügten Auflagen ist für das gegenständliche Verwaltungsgerichtshofverfahren nur die folgende interessant, die unter lit. d,) vorgeschrieben wurde: "Das Fundament der Veranda ist so auszubilden, dass der bestehende Brunnen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird." Der Beschwerdeführer war diesem Bauverfahren als Anrainer beigezogen worden.

In dem am 13. Juli 1972 beim Magistrat der Stadt Graz eingelangten Schreiben des Beschwerdeführers teilte dieser mit, das Fundament des Verandazubaues sei nicht so ausgebildet worden, dass der bestehende Brunnen nicht in Mitleidenschaft gezogen werde. Die Brunnenabdeckung sei in den Zubau eingeputzt worden, obwohl es sich um eine abnehmbare Abdeckung handle. Im Amtsbericht über die am 17. Juli 1972 durchgeführte Rohbaubeschau erklärte der dabei für das Baupolizeiamt anwesende Baukontrollor, dass die Ausführung mit dem genehmigten Plan bis auf geringfügige Änderungen übereinstimmten und daher gegen die weiteren Arbeiten sowie Verputzarbeiten kein Einwand bestehe. Auf den Brunnen wurde in diesem Bericht nicht ausdrücklich Bezug genommen.

Der Stadtmagistrat von Graz erteilte mit Bescheid vom 13. Oktober 1972 der mitbeteiligten Partei auf Grund des Ergebnisses der am 11. Oktober 1972 vorgenommenen Endbeschau gemäß § 69 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die Bewilligung zur Benützung der Veranda und der PKW-Garage ab 20. Oktober 1972. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer, der auch der im Rahmen einer mündlichen Verhandlung durchgeführten Endbeschau nicht beigezogen worden ist, nicht zugestellt. In dem am 22. November 1972 beim Magistrat eingelangten schriftlichen Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Zustellung des Benützungsbewilligungsbescheides, weil die tatsächliche Bauausführung nicht mit dem Baubewilligungsbescheid übereinstimme und der Beschwerdeführer daher als Miteigentümer der Nachbarliegenschaft Parteistellung habe. Der Stadtsenat von Graz wies mit Bescheid vom 10. Jänner 1973 diesen Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurück, weil ihm auf Grund der konkreten Umstände in diesem Benützungsbewilligungsverfahren keine Parteistellung zugestanden sei.

In der dagegen eingebrachten Berufung behauptet der Beschwerdeführer unter anderem, dass die Veranda an den im Baubewilligungsbescheid angeführten Brunnen angebaut und dessen Deckel in dieses Bauwerk selbst eingeputzt worden sei. Weiters sei keine Ausbildung des Fundamentes vorgenommen worden, die den Brunnen vor etwaigen Schäden schützen sollte und außerdem sei der bisher freistehende Brunnen so einbetoniert worden, dass der Deckel niveaugleich mit der Grundfläche sei und sich überhaupt nicht abheben lasse. Um in den Brunnen selbst zu kommen, müsse aber der Deckel abgehoben werden. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 23. Mai 1973 erklärte der von der belangten Behörde befragte technische Amtssachverständige, dass keine äußeren Merkmale eines Schadens am Brunnen festzustellen seien. Zur Behauptung des Beschwerdeführers in der Berufung, dass nun der Deckel des Brunnens eingemauert sei, führte der technische Amtssachverständige aus, der zweigeteilte Deckel sei so ausgebildet worden, dass erst nach Abheben des Deckelteiles auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers der Deckel auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei entfernt werden könne. Zu diesem Beweisergebnis gab der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs eine schriftliche Äußerung ab, in der er erneut darauf hinwies, dass der vorher freistehende Brunnen nunmehr auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei niveaugleich mit der Deckeloberfläche einbetoniert worden sei. Unzutreffend sei auch die Behauptung, dass der Deckelteil auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei nach Entfernung des Deckelteiles auf der Seite der Liegenschaft des Beschwerdeführers entfernt werden könne. Es sei nachträglich, offenbar im Zusammenhang mit der vorgenommenen Besichtigung, der Beton an den Seiten des Deckels in geringem Ausmaß aufgestemmt worden, nicht aber dort, wo der Deckel in den Vorbau einbezogen sei. Hier handle es sich offenbar um eine Schlussfolgerung, denn eine Probe sei unmöglich gewesen, da der Deckel auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei nicht habe abgehoben werden können. Der Brunnen sei nach wie vor einbetoniert und nicht frei. Daher sei es auch unverständlich, dass anlässlich der Besichtigung keine äußeren Merkmale eines Schadens am Brunnen festgestellt worden seien. In den weiteren danach von der belangten Behörde eingeholten schriftlichen Stellungnahmen des technischen Amtssachverständigen wurde hinsichtlich des Brunnens lediglich der Vorschlag gemacht, im Beisein der mitbeteiligten Partei und des Beschwerdeführers den Brunnendeckel entfernen zu lassen, und schließlich erklärt, dass in die mit dem Baubewilligungsbescheid dem Beschwerdeführer eingeräumten Rechte durch die erfolgte Bauführung nicht eingegriffen worden sei.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich bestätigte. Zu der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung behaupteten Verletzung der ihm aus dem Baubewilligungsbescheid zustehenden Nachbarrechte wegen Nichteinhaltung der unter lit.d.) gemachten Auflage verweist die belangte Behörde darauf, dass eine vom technischen Amtssachverständigen durchgeführte Überprüfung an Ort und Stelle ergeben habe, dass das aufgehende Mauerwerk der Veranda mit einem zirka 2 cm starken Außenputz versehen sei und, dass dieser Außenputz auf den Brunnenkranz, und zwar auf der der mitbeteiligten Partei eigenen Liegenschaft, aufliege. Der Beschwerdeführer sei daher in einem Irrtum befangen, wenn er meine, das Fundament sei nicht konsensgemäß ausgeführt worden. Im Berufungsvorbringen bestreite der Beschwerdeführer auch nicht die konsensgemäße Ausführung des Fundamentes, sondern wende sich lediglich gegen das aufgehende Mauerwerk. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem Begriffsinhalt des Wortes "Fundament" (vgl. auch das Österreichische Wörterbuch und Duden, Band 1), sei mit dem Fundament die Gründung eines Bauwerkes gemeint, also jener Teil des Bauwerkes, der in der Regel unter der Erdoberfläche liege. Im gleichen Sinn bestimme auch § 19 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, dass alle Bauten standfest und frostfrei zu gründen seien. Daraus folge, dass einerseits die Auflage d) des Baubewilligungsbescheides eingehalten worden sei und dass es sich andererseits bei der Geringfügigkeit der Planabweichung beim aufgehenden Mauerwerk nicht um eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme gemäß § 57 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 handle. Die belangte Behörde vermöge somit lediglich die Richtigkeit der erstinstanzlichen Rechtsauffassung zu bestätigen, dass die Benützungsbewilligung an keine Auflagen geknüpft gewesen sei, die Geringfügigkeit der Planabweichung keines gesonderten Konsenses bedurft habe und die tatsächliche Bauausführung in keine dem Nachbarn aus dem Baubewilligungsbescheid erfließende Rechte eingreife. Auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage mangle dem Beschwerdeführer die Parteistellung in dem durchgeführten Benützungsbewilligungsverfahren, weshalb ihm auch nicht das Recht zukomme, das an die Parteistellung gebundene Recht auf Bescheidzustellung geltend zu machen.

Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende Beschwerde gerichtet, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Über sie sowie über die von der belangten Behörde und von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach dem Beschwerdevorbringen stehe unbestritten fest, dass der teils auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei und teils auf der dem Beschwerdeführer zur Hälfte eigentümlichen Liegenschaft befindliche Brunnen der Wasserversorgung beider Liegenschaften diene. Jedenfalls sei dies aber hinsichtlich der im Miteigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaft der Fall. Wie der Beschwerdeführer mehrfach vorgebracht und auch unter Beweis gestellt habe, sei der bis dahin freistehende Brunnen in dem auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei befindlichen Teil niveaugleich mit der Deckeloberfläche einbetoniert, sodass der Brunnen nicht geöffnet werden könne und ein solches Öffnen auch anlässlich der Besichtigung durch den Amtssachverständigen nicht möglich gewesen sei. Die widmungsgemäße Benützung des Brunnens sei dadurch erschwert worden, weil der Brunnendeckel sich nicht mehr abheben lasse. Damit sei aber der Brunnen in Verletzung der unter lit. d.) des Baubewilligungsbescheides erteilten Auflage durch die gegenständliche Bauführung in Mitleidenschaft gezogen und deshalb in das Benützungsrecht des Beschwerdeführers am Brunnen widerrechtlich eingegriffen worden. Das Fundament der Veranda, somit das Mauerwerk derselben, schließe nicht "etwa bündig" an den Brunnendeckel an, sodass die Mauern eine Tangente zum Kreis des Brunnendeckels bildeten, noch weniger werde der in dem seinerzeit vorgehaltenen Plan ersichtlich gewesene Abstand von 20 cm eingehalten sondern das Mauerwerk überrage sogar den Brunnendeckel und dieser sei in das Mauerwerk eingeschlossen und einbetoniert, sodass er nicht abhebbar sei. Mit dieser Tatsache setze sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht auseinander. Sie verniedliche lediglich den Tatbestand, indem sie wahrheitswidrig behaupte, dass nur der Außenputz auf dem Brunnen ganz aufliege. Dass der Brunnendeckel nicht mehr abhebbar sei, werde im angefochtenen Bescheid nicht bestritten. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, dass es sich nur um eine geringfügige und daher nicht bewilligungspflichtige Planabweichung handle, sei unhaltbar, wenn durch eine solche Abweichung ein vorhandener und der Wasserversorgung dienender Brunnen nicht mehr widmungsgemäß benützt werden könne, weil der Deckel nicht abhebbar sei. Selbst wenn man unter Fundament nur den unterirdischen Teil verstünde, dürfte im angefochtenen Bescheid nicht die Feststellung getroffen werden, dass die Auflage d.) des Baubewilligungsbescheides eingehalten worden sei, da eine Überprüfung des Brunnenschachtes selbst mangels der Möglichkeit, den Brunnendeckel abzuheben, nicht stattgefunden habe. Die im Baubewilligungsbescheid enthaltene Auflage, dass der Brunnen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden dürfe, sei in erster Linie zum Schutz der Wasserversorgung, somit auch zum Schutz des Beschwerdeführers als Anrainer normiert worden. Durch die tatsächliche Bauführung sei im Gegensatz zur Rechtsansicht der belangten Behörde auch in ein dem Beschwerdeführer aus dem Baubewilligungsbescheid erfließendes Recht eingegriffen worden.

Hinsichtlich der Benützungsbewilligung ist im § 69 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, bestimmt, dass die Baubehörde auf Grund der Endbeschau, bei der zu untersuchen ist, ob der Bau mit der Baubewilligung übereinstimmt und ob bei der Bauausführung die baurechtlichen Vorschriften eingehalten wurden, mit schriftlichem Bescheid darüber zu entscheiden hat, ob und von welchem Zeitpunkt an der Bau benützt werden darf. Weder aus dieser noch aus einer anderen Bestimmung der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ist ein Anspruch der Nachbarn ableitbar, der der Erteilung der Benützungsbewilligung vorangehenden Endbeschau beigezogen zu werden. Desgleichen kann aus der Parteistellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ein solcher Anspruch nicht abgeleitet werden, denn die Rechtsstellung der Nachbarn erschöpft sich verfahrensrechtlich in dem Recht, der Bauverhandlung beigezogen zu werden, in die Pläne und sonstigen Unterlagen Einsicht zu nehmen, gegen das Bauvorhaben wegen Verletzung subjektiver Rechte Einwendungen zu erheben und im Falle der Erteilung der Baubewilligung dagegen das Rechtsmittel der Berufung einzubringen (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1955, Slg. N.F. Nr. 3902/A). In dem zur Bauordnung für Tirol ergangenen Erkenntnis vom 20. Dezember 1965, Zl. 1032/65, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in dem Verfahren zur Erteilung der Benützungsbewilligung dem Nachbarn jedoch dann Parteistellung zukommt, wenn die Benützungsbewilligung an Auflagen geknüpft wird, welche in Rechte eingreifen, die der Nachbar im vorangegangenen Baubewilligungsverfahren erworben hat. Ein solcher Fall liegt in der gegenständlichen Angelegenheit nicht vor, weil die Benützungsbewilligung an keine Auflagen geknüpft wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof ist aber der Meinung, dass dem Nachbarn in einem der Erteilung der Benützungsbewilligung dienenden Verfahren auch dann Parteistellung zukommt, wenn sich die Erteilung der Benützungsbewilligung als eine Abänderung des Baubewilligungsbescheides darstellt, so weit darin ein Verzicht auf die konsensgemäße Herstellung der Bauführung gelegen ist, dies allerdings nur dann, wenn die Abänderung des Bauvorhabens Umstände betrifft, durch welche in die Rechte der Nachbarn eingegriffen wird, gleichgültig ob sich diese Rechte aus dem Gesetz oder aus dem Baubewilligungsbescheid ergeben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1967, Zl. 438/67, auf das ebenfalls unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung hingewiesen wird). Der Bescheid, mit dem der mitbeteiligten Partei die Benützungsbewilligung erteilt wurde, wäre dem Beschwerdeführer als Partei nur dann zuzustellen gewesen, wenn unter den oben angeführten Voraussetzungen ein Eingriff in seine Rechte als Nachbarn stattgefunden hätte. Um die Berechtigung der gegenständlichen Beschwerde beurteilen zu können, ist daher zu beantworten, ob ein derartiger Fall vorliegt.

Dazu ist zu sagen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Benützungsbewilligung kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes ableitbar ist (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 1. Februar 1902, Slg. Nr. 816/A, vom 6. Juni 1966, Slg. N.F. Nr. 6940/A, vom 20. Februar 1967, Slg. N.F. Nr. 7086/A, sowie zuletzt vom 22. Jänner 1974, Zln. 899 und 900/73, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird). Eine Benützungsbewilligung, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, kann nämlich den Baukonsens nicht abändern. Daher kommt dem Nachbarn im Benützungsbewilligungsverfahren - wie oben dargelegt - grundsätzlich keine Parteistellung zu. Die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis Zl. 438/67 verlangte Voraussetzung einer "Abänderung des Baubewilligungsbescheides, soweit darin ein Verzicht auf die konsensgemäße Herstellung der Bauführung gelegen ist," trifft allerdings dann zu, wenn die Benützungsbewilligung auch Elemente einer Baubewilligung enthält. Dies ist dort der Fall, wo die Baubehörde eine Benützungsbewilligung erteilt, obwohl offensichtliche Abweichungen vom Baukonsens vorliegen. Eine solche Benützungsbewilligung weist, und zwar ohne dass dies in ihrer Form zum Ausdruck kommen muss, Merkmale einer Baubewilligung auf. Wenn die Änderung des Bauvorhabens Umstände betrifft, durch welche in die sich aus dem Gesetz oder aus dem Baubewilligungsbescheid ergebenden Rechte des Nachbarn eingegriffen wird, kommt diesem auch im Benützungsbewilligungsverfahren die Parteistellung zu. Über den ausschließlich entscheidenden Umstand, nämlich ob durch die Planabweichungen in die dem Beschwerdeführer aus dem Baubewilligungsbescheid erwachsenen Rechte eingegriffen werde, fehlen aber entsprechende Sachverhaltsfeststellungen. Die bloße Verneinung dieser Frage durch den technischen Amtssachverständigen in dessen Gutachten vom 29. November 1973, und zwar ohne jede Begründung dafür, ist zu wenig.

Der Beschwerdeführer behauptet, dass die Auflage, wonach der Brunnen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden dürfe, in erster Linie dem Schutz auch der Wasserversorgung des Beschwerdeführers diene. Darüber finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Die für die rechtliche Beurteilung primär notwendige Klärung, ob die unter d.) festgesetzte Auflage des Baubewilligungsbescheides der Wahrung eines Rechtes des Beschwerdeführers dient, wurde seitens der Verwaltungsbehörde noch nicht vorgenommen. Wenn sich daraus ein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers ergäbe, dann wäre weiters zu prüfen, ob dieses durch die konkrete Bauführung verletzt wurde. Der Beschwerdeführer könnte sich nämlich - auf Grund der dargelegten Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes - mit Erfolg wehren, wenn der Brunnen "in Mitleidenschaft gezogen" und die Abweichung dieses Sachverhaltselements vom Konsens durch die Benützungsbewilligung im Sinn eines Verzichtes auf die Herstellung des konsensgemäßen Zustandes rechtlich saniert worden wäre. Diese in der gegenständlichen Auflage des Baubewilligungsbescheides gewählte Formulierung bedeutet nach Ansicht des Gerichtshofes im vorliegenden Fall, dass der Brunnen in seinem Bestand und in seiner Verwendungsmöglichkeit nicht so beeinträchtigt werden darf, dass die Wasserversorgung daraus gefährdet oder sogar verhindert wird. Dies ist aber jedenfalls schon dann der Fall, wenn sich der Deckel des Brunnens nach der Bauführung schwieriger öffnen lässt als vorher. Darüber sowie über den Zustand des Brunnenschachtes, der nach der Behauptung des Beschwerdeführers mangels einer Öffnungsmöglichkeit des Deckels nicht besichtigt worden sei, machten die von der belangten Behörde beigezogenen technischen Amtssachverständigen überhaupt keine Angaben.

Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in den aufgezeigten Punkten ist deshalb wesentlich, weil der Verfahrensmangel möglicherweise von Einfluss auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gewesen sein konnte. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427.

Wien, am 14. Mai 1974

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6Auflagen BauRallg7Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1974000121.X00

Im RIS seit

19.12.2002

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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