TE Vwgh Beschluss 1974/7/4 0989/74

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Veröffentlicht am 04.07.1974
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
72/01 Hochschulorganisation;

Norm

AVG §73 Abs2;
BAO §311 Abs2 impl;
HSchOrgG §26 Abs1 ;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Zach, Dr. Karlik und Dr. Seiler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde des FB in L, vertreten durch Dr. Robert Hoffmann, Rechtsanwalt in Linz Fadingerstraße 17/a, gegen das Professorenkollegium der sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Fakultät der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Linz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über einen Antrag auf Verleihung des Doktorgrades, wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde, er habe nach Ablegung der drei juristischen Staatsprüfungen und der drei juristischen Rigorosen am 15. November 1973 gemäß § 8 der juristischen Rigorosenordnung in der geltenden Fassung den Antrag auf Zulassung zur Promotion gestellt. Das zur Entscheidung über diesen Antrag zuständige Professorenkollegium der in Betracht kommenden Fakultät sei in der Angelegenheit bisher untätig geblieben, weshalb der Beschwerdeführer gemäß Art. 132 B-VG und § 27 VwGG 1965 die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag erhebe, dieser Gerichtshof möge der belangten Behörde die Entscheidung über den Antrag vom 15. November 1973 auf Verleihung des Doktorgrades der Rechte auftragen "und nötigenfalls selbst in der Sache entscheiden". Die belangte Behörde sei gemäß § 26 Abs. 1 lit. n HOG im autonomen Wirkungsbereich der Hochschule zur Entscheidung über den Promotionsantrag zuständig, der verwaltungsbehördliche Rechtszug sei erschöpft, weil nach den Bestimmungen des Hochschul-Organisationsrechtes über einem Professorenkollegium der Fakultät keine sachlich übergeordnete, d.

h. im organisatorischen (administrativen) Instanzenzug übergeordnete Verwaltungsbehörde existiere. Der akademische Senat sei zwar gemäß § 30 Abs. 2 lit. g HOG für die Entscheidung über Berufungen gegen Verfügungen oder Entscheidungen der Professorenkollegien zuständig, diese meritorische Zuständigkeit könne jedoch eine organisatorische Überordnung des akademischen Senates über die Professorenkollegien der Fakultäten nicht begründen. Denn die Annahme einer organisatorischen Überordnung im Sinne des § 73 AVG hätte insbesondere zur Folge, dass eine generelle Weisungsbefugnis des Akademischen Senates gegenüber dem Professorenkollegium in allen in Betracht kommenden Angelegenheiten angenommen werden müsste. Mangels Existenz einer sachlich übergeordneten Verwaltungsbehörde sei somit der verwaltungsbehördliche Rechtszug erschöpft und die Säumnisbeschwerde, auch die gesetzliche Entscheidungsfrist längst abgelaufen sei, zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Die Verleihung akademischer Grade, auf die der gestellte Antrag auf Zulassung zur Promotion abzielt, gehört in den Bereich der autonomen Hochschulverwaltung und fällt innerhalb dieses Bereiches in die Zuständigkeit der Professorenkollegien der Fakultäten, deren diesbezügliche Beschlüsse nicht der Genehmigung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung bedürfen (§ 26 Abs. 2 lit. n und Abs. 3 Hochschulorganisationsgesetz). Der mangels anders lautender ausdrücklicher Regelung zulässige administrative Instanzenzug gegen im angeführten Gegenstand ergangene Beschlüsse der Professorenkollegien endet bei der gesetzlich berufenen obersten akademischen Behörde (§ 4 Abs. 2 leg. cit.), das ist in dem hier gegebenen Falle der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz zufolge der §§ 46 a und 30 Abs. 2 lit. g leg. cit. der Akademische Senat dieser Hochschule.

Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG kann gemäß § 27 VwGG 1965 erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Die Zulässigkeit der hier vorliegenden Säumnisbeschwerde hängt mithin von der Beantwortung der Frage ab, ob der Beschwerdeführer nach Eintritt der Säumnis des Professorenkollegiums im Sinne der gemäß Art. II Abs. 2 Z. 28 EGVG in der Fassung der EGVG-Novelle vom 18. März 1959, BGBl. Nr. 92, auf das behördliche Verfahren der Organe der wissenschaftlichen Hochschulen anzuwendenden Bestimmung des § 73 Abs. 2 AVG 1950 ein Verlangen auf Entscheidung durch den Akademischen Senat als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde stellen konnte oder nicht.

Diese Frage ist - im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Meinung - aus folgenden Erwägungen zu bejahen:

Die Zuständigkeit zur Entscheidung über ein von einer Partei gestelltes Sachbegehren geht nämlich über von dieser Partei erhobene Säumnisbeschwerde dann - aber auch nur dann - auf den Verwaltungsgerichtshof über, wenn die oberste Verwaltungsbehörde, die nach den in Frage kommenden Vorschriften das Recht hat, den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung zu bestimmen, angerufen wurde und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Jede derartige Behörde ist "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG 1950 und kann nicht nur von der Partei im Devolutionsweg angerufen werden, sondern muss angerufen worden sein, damit eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig werden kann. Sieht die in Frage kommende Verwaltungsvorschrift ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Behörde vor, die primär zuständig war und über den Antrag der Partei nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG 1950 einen Bescheid erlassen hat, dann ist zunächst jedenfalls die Berufungsbehörde die "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde", an die sich die Partei im Devolutionswege zu wenden hat.

Daran hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung nie einen Zweifel gelassen. Er hat nur wiederholt ausgesprochen, dass die Möglichkeit im Fall unbegründeter Säumnis der zuständigen Behörde den Übergang der Entscheidungspflicht auf die Oberbehörde zu bewirken nicht nur durch Devolutionsantrag an die sonst in Frage kommende Rechtmittelbehörde, sondern auch in jenen Fällen gegeben ist, in denen gegen die Sachentscheidung der zuständigen Behörde ein ordentliches Rechtsmittel ausgeschlossen ist (vgl. u. a. den Beschluss vom 24. September 1951, Zl. 1330/51). Als oberste Instanz, die ein Beschwerdeführer rechtlich anzurufen in der Lage war, ist also im Anwendungsbereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht nur die Berufungsbehörde, sondern auch die in Betracht kommende Oberbehörde anzusehen, an die im Wege der Devolution die Zuständigkeit übergeht (vgl. die Beschlüsse vom 20. November 1947, Slg. N. F. Nr. 213/A, und vom 31. März 1948, Slg. N. F. Nr. 369/A). Dieser Rechtsprechung liegt der an die Spitze der vorstehenden Erwägungen gestellte Gedanke zu Grunde, dass von einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof der obersten Verwaltungsbehörde, die den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können, die Gelegenheit zu dieser Entscheidung gegeben sein musste.

Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Möglichkeit auf den Inhalt der Entscheidung bestimmend einzuwirken, kraft der Stellung als Rechtsmittelbehörde oder etwa im Wege der Erteilung von Weisungen an die zur Entscheidung zuständige Behörde oder in Ausübung einer Funktion als Aufsichtsbehörde gegeben ist. Jene Behörde aber, die die Partei ohne die eingetretene Säumnis als Rechtsmittelinstanz hätte anrufen können, ist funktionell in erster Linie die "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" nach § 73 Abs. 2 AVG 1950. Ganz unerheblich ist dabei, ob sie dem organisatorischen Aufbau der Verwaltung nach zu der zunächst säumig gewordenen Behörde in dem allgemeinen Verhältnis eines vorgesetzten zum nachgeordneten Organ steht. Denn der Begriff "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" bezieht sich ausschließlich auf das konkret gestellte und unerledigt geblieben Sachbegehren. Dass in Bezug auf dieses die Berufungsbehörde stets "Oberbehörde" ist, wurde dargetan. Im Gegensatz zu der von der Beschwerde vertretenen Auffassung kommt es nämlich hier nicht darauf an, ob der Behörde erster Instanz schon vor Erlassung ihres Bescheides bindende Weisungen in Bezug auf den Inhalt der zu treffenden Entscheidung hatten erteilt werden können oder nicht. Die Stellung der Berufungsbehörde als "Oberbehörde" kommt in diesem Zusammenhang nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass die Behörde erster Instanz im Fall einer Aufhebung des Bescheides und Rückverweisung der Angelegenheit durch die Berufungsbehörde (§ 66 Abs. 2 AVG 1950) an deren Rechtsauffassung ebenso gebunden ist, wie an die einer etwa weisungsberechtigten Oberbehörde.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer das Recht hatte, nach Eintritt der Säumnis des Professorenkollegiums das Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Akademischen Senat als die Berufungs- und damit die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu stellen. Da er dies nicht getan hat, erweist sich seine Säumnisbeschwerde mangels Anrufung der obersten Behörde, die im Verwaltungsverfahren angerufen werden konnte, als unzulässig und war ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 34 Abs. 1 VwGG 1965).

Wien, am 4. Juli 1974

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1974000989.X00

Im RIS seit

04.07.1974

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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