TE Vwgh Erkenntnis 1974/7/4 1061/73

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Veröffentlicht am 04.07.1974
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §303 Abs4;
BAO §307 Abs1;
GrEStG 1955 §20 Abs1;

Beachte

Vorgeschichte: 0051/70 E 22. April 1971;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Dorazil und die Hofräte Dr. Raschauer, . Dr. Frühwald, Dr. Riedel und Dr. Reichel als Richter, im Beisein der Schriftführer Finanzkommissär Dr. Wimmer und Landesregierungsoberkomissär Dr. Cede, über die Beschwerde der LW in W, vertreten durch Dr. Theodor Schwager, RA in Wien I, Schottengasse 4, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 2. 5. 1973 GA 11-602-6/73, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.202,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 21. 12. 1964 von Dr. Elfriede V. die Liegenschaft EZ nnnn der KG M. um einen Kaufpreis von S 2,500.000,--. Gem Pkt V dieses Vertrags behielt sich die Beschwerdeführerin das Recht vor, innerhalb von zwei Jahren ohne Angabe von Gründen von diesem Vertrag zurückzutreten. Der Abschluss dieses Kaufvertrags wurde von der Beschwerdeführerin am 7. 1. 1965, sohin um drei Tage verspätet, dem FA für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien ohne Verwendung des amtlichen Abgabenerklärungsvordrucks angezeigt.

Die mit Bescheid vom 27. 1. 1965 mit S 200.000,-- festgesetzte Grunderwerbsteuer wurde in der Folge auch entrichtet.

Auf Grund einer Mitteilung der Beschwerdeführerin vom 5. 4. 1966, sie sei vom gegenständlichen Kaufvertrag zurückgetreten, vergütete des FA mit Bescheid vors 7. 6. 1966 gem § 20 Abs 1 Z 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 BGBl 140 (GrEStG) die entrichtete Grunderwerbsteuer.

In der Folge setzte jedoch des FA mit Bescheid vom 27. 4. 1967 die Grunderwerbsteuer mit S 200.00,-- (sowie einen Verspätungszuschlag in der Höhe von S 20.000,--) neuerlich fest, weil die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Mitteilung vors 5. 4. 1966 nicht vom Vertrag zurückgetreten sei, sondern die Liegenschaft der C. Baugesellschaft mbH verkauft hebe. Der Berufung der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid. blieb ein Erfolg versagt. Mit Grad Erk des von dieser Partei daraufhin angerufenen VwGH vom 22. 4. 1971, 51/70, auf dessen Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, wurde der auf Grund der vorgenannten Berufung ergangene Berufungsbescheid der balgten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts deswegen aufgehoben, weil ohne formelle Wiederaufnahme iS der §§ 303 ff der Bundesabgabenordnung 1961 BGBl 194 (BAO) die Grunderwerbsteuer nicht neuerlich hätte festgesetzt werden dürfen.

Nachdem die belangte Behörde auf Grund des eben erwähnten Erk im fortgesetzten Verfahren nunmehr mit Bescheid vom 7. 7. 1971 den erstinstanzlichen Bescheid vom 27. 4. 1967 aufgehoben hatte, nahm das FA mit Bescheid vom 13. 8. 1971 das Grunderwerbsteuerverfahren von Amts wegen wieder auf und hob, offenbar irrtümlich, den bereits im Instanzenzug behobenen Bescheid vom 27. 4. 1967 auf und setzte die Gunderwerbsteuer neuerlich mit S 200.000,-- fest. Dieser Bescheid wurde infolge Berufung der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde mit Bescheid vom 29. 9. 1971 deshalb aufgehoben, weil sich das FA irrtümlicherweise nicht auf den Bescheid vom 7. 6. 1966, mit welchem dem Antrag gem § 20, GrEStG stattgegeben wurde, bezogen hat, sondern den bereits mit der Berufungsentscheidung vom 7. 7. 1971 aufgehobenen Bescheid vom 27. 4. 1967, abermals aufgehoben habe. Des FA verfügte daraufhin mit Bescheid vom 5. 11. 1971 die amtswegige Wiederaufnahme bezüglich des Erstattungsverfahrens, hob den Bescheid vom "3." 6. 1966 (richtig:  7. 6. 1966) auf und setzte die Grunderwerbsteuer wiederum mit S 200.000,-- fest. Die Beschwerdeführerin berief auch gegen diesen Bescheid. Die belangte Behörde wies mit ihrem Bescheid von 20. 11. 1972 die Berufung gegen die amtswegige Anordnung der Wiederaufnahme und die damit verbundene Aufhebung des Bescheides vom 3. 6. 1966 (richtig: 7. 6. 1966) als unbegründet ab, hob aber in Stattgebung der Berufung den Ausspruch aber die neuerliche Festsetzung des Abgabenanspruches auf und sprach aus, dass das FA eine neuerlich Entscheidung zu treffen habe. Dieser Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin beim VwGH nicht angefochten.

Das FA wies im Zuge der Durchführung der von der vorgesetzten Dienstbehörde aufgetragenen, Sachentscheidung nunmehr mit Bescheid vom 11. 1. 1973 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erstattung der mit Bescheid vom 27. 1. 1965 vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer ab. Zur Begründung führte es aus, dass in Wahrheit entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin kein Rücktritt vom Vertrag erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin habe das Grundstück vielmehr an eine dritte Gesellschaft weiterveräußert. Davon abgesehen sei eine Rückerstattung wach deshalb ausgeschlossen, weil, der ursprüngliche, angeblich rückgängig gemachte Erwerbsvorgang nicht ordnungsgem angezeigt worden sei.

Die Beschwerdeführerin berief auch gegen diesen Bescheid.

Die FLD für Wien, NÖ, und Bgld hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. 5. 1973 diese Berufung abgewiesen. Sie hat dargelegt, dass nach ihrer Ansicht kein Erwerbsvorgang aufgehoben worden sei, weil über Einschreiten und Vermittlung eines Dr. J. bereits am 1. 3. 1965 die das gg Grundstück betreffenden Verkaufsverhandlungen mit der C. Baugesellschaft mbH zum Abschluss gekommen seien. Daraus folge, dass in diesem Zeitpunkt der Übereignungsanspruch und auch die volle Verfügungsgewalt über diese Liegenschaft auf die neue Käuferin übergegangen sei, weshalb ein Rücktritt der Beschwerdeführerin sowohl rechtlich als auch faktisch nicht mehr möglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde über die der VwGH erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde zunächst dagegen, dass das FA (und in der Folge auch die belangte Behörde) nur mehr eine neue Entscheidung über ihren auf § 20 GrEStG gestützten Antrag getroffen habe. Diese Vorgangsweise sei deshalb rechtswidrig, weil gem § 307 Abs. 1 BAO die abschließende Sachentscheidung mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheid zu verbinden gewesen wäre.

Der VwGH hatte zunächst zu prüfen, ob diese Vorgangsweise rechtmäßig war, weil nur bei Verneinung dieser Frage zu untersuchen wäre, ob im Beschwerdefall die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens zu Recht angeordnet wurde. Nun ist es richtig, dass zufolge § 307 Abs 1 mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wieder aufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist. Allein die Beschwerdeführerin übersieht, dass das FA in seinem Bescheid vom 5. 11. 1971 diesem Gesetzesbefehl nachgekommen ist. Es hat die Wiederaufnahme des mit seinem Bescheid vom 7. 6. 1966 zum Abschluss gebrachten Verfahrens verfügt und zugleich eine neue Entscheidung in der Sache getroffen, nämlich die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang vom 21. 12. 1964 wieder festgesetzt. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung waren der Rechtsmittelbehörde zwei Rechtsfragen vorgelegt worden.

Einerseits nämlich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens und andererseits die Gesetzmäßigkeit der Abgabenfestsetzung. Mit ihrem Bescheid vom 20. 11. 1972 hat die belangte Behörde die Berufung in Sachen Wiederaufnahme des Verfahrens, verworfen, womit diese rechtskräftig wurde, sie aber im Hinblick auf die Festsetzung der Abgabe aufgehoben. Diese Haltung entsprach den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, weil die Rechtsmittelbehörde berufen ist, die Rechtmäßigkeit des von der Erstinstanz erlassenen Bescheides zu überprüfen. Sie ist zufolge § 276 Abs 1 BAO berechtigt und verpflichtet, den von ihr bekämpften Bescheid (sofern nicht ein Anlass für die Zurückweisung einer Beschwerde vorliegt) aufzuheben (abzuändern) oder die Berufung abzuweisen, wenn dies dem Gesetz entspricht. Sind die Berufungsgegenstände teilbar und jede Sache selbstständig für sich auf ihren rechtlichen Gehalt überprüfbar, dann hat sie jeden Gegenstand für sich auf seine Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen. Ergibt eine solche Prüfung, dass ein Berufungsgegenstand rechtlich einwandfrei gelöst wurde und ein anderer nicht, dann ist sie berechtigt und verpflichtet, der Berufung in dem Punkt, der sich als rechtswidrig erweist, Folge zu geben, und ist im anderen Punkt die Berufung abzuweisen. Das muss aus Gründen des rechtsstaatlichen Prinzips auch in den Fällen der Wiederaufnahme des Verfahrens gelten. Die belangte Behörde hat mit ihrem Bescheid vom 20. 11. 1972, den die beschwerdeführende Partei übrigens nicht vor dem VwGH bekämpft hat, die Wiederaufnahme des Verfahrens, das mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 7. 6. 1966 beendet wurde, als mit dem Gesetz in Einklang stehend befunden. Bei diesem Ergebnis war es ihr verwehrt, den Ausspruch über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beseitigen, nur weil die vom FA getroffene Sachentscheidung nach Auffassung der belangten Behörde dem Gesetz widersprochen hatte. Dies hätte auch prozessökonomisch gar keinen Sinn. Bei dieser Sachlage war es dem FA, das an den Bescheid der Rechtsmittelbehörde gebunden war, verwehrt, sich neuerlich mit der Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens zu beschäftigen. Diese Frage war im Instanzenzug bereits rechtskräftig entschieden, sodass das FA gar nicht mehr im Stande war, den Gesetzesbefehl des § 307 Abs. 1 BAO zu erfüllen, wobei es dahingestellt bleiben soll, ob eine Missachtung der zuletzt bezogenen Vorschrift überhaupt eine Verletzung subjektivöffentlicher Rechte eines Abgabepflichtigen nach sich zu ziehen vermag. Daher war auch die belangte Behörde im Zuge der Erlassung des angefochtenem Bescheides nur mit zu einer Entscheidung in der Grunderwerbsteuersache, nämlich zu der Frage gestellt, ob das FA zu Recht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Abänderung der Steuerfestsetzung gem § 20 GrEStG abgewiesen hat. Der Vorwurf der Verletzung der Best des 307 Abs. 1 BAO trifft daher die belangte Behörde nicht.

Entgegen dem Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides vom 11. 1. 1973 hat sich die belangte Behörde zur Begründung ihrer Rechtsansicht, dass eine Abänderung der Steuer gem § 20 GrEStG im Streitfall nicht erfolgen könne, ausschließlich darauf gestützt, dass nach ihrer Meinung eine Aufhebung des Erwerbsvorgangs vom 21. 12. 1964 nicht erfolgt sei, dass vielmehr die Beschwerdeführerin das damals erworbene Grundstück EZ. nnnn KG M. offenbar direkt an die C. Baugesellschaft mbH weiterveräußert habe. Sie hat ausgeführt, dass Dr. I. von der Beschwerdeführerin mit Zustimmung der Dr. V. beauftragt worden sei, bezüglich der gegenständlichen Liegenschaft mit der bezeichneten Baugesellschaft Verkaufsverhandlungen zu führen, die mit einer am 1. 3. 1966 erfolgten telegraphischen Annahme "des betreffenden Kaufangebots durch die genannte Gesellschaft ihren Abschluss fanden". Die belangte Behörde hat aber der Feststellung, es sei eine Aufhebung des Vertrags vom 21. 12. 1964 nicht erfolgt, eine bloße Behauptung zu Grunde gelegt. Denn aus dem angefochtenen Bescheid ist nicht ersichtlich, welche Beweismittel die belangte Behörde für ihren Schluss herangezogen hat. Sie hat auch nicht dargelegt, wann, wo und auf welche Art die Beschwerdeführerin Dr. I. beauftragt hat, die streitige Liegenschaft direkt an die C. Baugesellschaft mbH weiterzuveräußern. Die belangte Behörde hat ihre Rechtsauffassung in Ausführungen der Beschwerdeführerin bestätigt gefunden, denenzufolge diese nur an einer Weiterveräußerung der in Rede stehenden Liegenschaft, nicht aber an einer echten Rückgängigmachung des Kaufvertrags vom 21. 12. 1964 interessiert gewesen sei. Auch in diesem Belang hat es die belangte Behörde unterlassen, konkret anzuführen, wann die Beschwerdeführerin eine solche Äußerung von sich gegeben hat. Sie hat damit ihre Begründungspflicht in wesentlichen Punkten verletzt und damit den angefochtenen Bescheid derart mangelhaft erlassen, dass nicht auszuschließen war, dass sie bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Demgegenüber reicht die im angefochtenen Bescheid weiters getroffene Feststellung, die von den Kontrahenten der C. Baugesellschaft mbH geleisteten Zahlungen seien ausschließlich von der Beschwerdeführerin vereinnahmt worden, nicht aus, die oben aufgezeigten wesentlichen Verfahrensmängel in ihrer Bedeutung abzuschwächen.

Der angefochtene Bescheid war daher gem § 42 Abs. 2 lit. c Z 2 und 3 VwGG 1965 aus den oben dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die V d BK v 14. 11. 1972 BGBl. 427. Ein Ersatz der Beilagenstempel war nur in der Höhe von S 7,60 (Vorlage einer Abschrift der Berufungsentscheidung) auszusprechen, da nur die Vorlage einer Ausfertigung zur gehörigen Rechtsverfolgung erforderlich war.

Wien, am 4. Juli 1974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1973001061.X00

Im RIS seit

04.07.1974

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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