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L00013 Landesverfassung Niederösterreich;Norm
AVG §10 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):1536/78Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Jurasek, Dr. Draxler und Großmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerde des Landes Niederösterreich, vertreten durch den Landeshauptmann, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. Juli 1974, GZ.,VII/1-V-115/O/O-1974 (mitbeteiligte Partei:
Ausgleichstaxfonds nach dem Invalideneinstellungsgesetz 1969, vertreten durch das Bundesministerium für soziale Verwaltung, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten einer Ausgleichstaxenvorschreibung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens schrieb das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 21. Dezember 1973 dem Land Niederösterreich unter Berufung auf das Invalideneinstellungsgesetz 1969 und das Opferfürsorgegesetz für die Zeit zwischen dem 1. Juni 1976 und dem 31. Dezember 1972 die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in einer Gesamthöhe von S 5,065.000,-- vor. Gegen diesen an das Land Niederösterreich "p.A. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" zugestellten und laut dem bei den Akten erliegenden Rückschein von der Einlaufstelle des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung am 28. Dezember 1973 in einer Ausfertigung übernommenen Bescheid erhob das Land Niederösterreich in einem mit 10. Jänner 1974 datierten, vom Landeshauptmann offensichtlich eigenhändig unterfertigten Schriftsatz Berufung mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid im Sinne einer Herabsetzung der Taxenvorschreibung abzuändern oder ihn zur Neuerlassung eines Ausgleichstaxenbescheides durch die Behörde erster Instanz zu beheben. Laut Präsentatum der Eingangsstelle der Behörde erster Instanz ist diese Rechtsmittelschrift, in der als Datum der Bescheidzustellung - entgegen der Beurkundung auf dem Rückschein - der 2. Jänner 1974 angegeben ist, am 15. Jänner 1974 beim Landesinvalidenamt eingegangen.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 18. Juli 1974 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung im Sinne des Art. 102 B-VG und als Berufungsbehörde gemäß § 19 des Invalideneinstellungsgesetzes 1969, BGBl. Nr. 22/1970, die vom Land Niederösterreich gegen die Ausgleichstaxenvorschreibung eingebrachte Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Begründung als verspätet zurück, dass der erstinstanzliche Bescheid dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung laut Rückschein schon am 28. Dezember 1973 zugestellt, die dagegen erhobene Berufung aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist am 15. Jänner 1974 zur Post gegeben worden sei. Laut Zustellverfügung wurde die Zustellung dieses Rechtsmittelbescheides, der in seinem Spruch das Land Niederösterreich als Partei nennt, an das "Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung I/P zu Zahl I/P- 111-I-1974" angeordnet und nach dem bei den Akten des Verwaltungsverfahrens befindlichen Rückschein am 24. Juli 1974 auch durch die Übernahme des Schriftstückes durch die Abteilung I/P des Amtes der Landesregierung bewirkt.
In der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde macht das durch den Landeshauptmann vertretene Land Niederösterreich Rechtswidrigkeit des Zurückweisungsbescheides vom 15. Juli 1974 sowohl seinem Inhalt nach als auch infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrage geltend, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben. Verbunden mit diesem Antrag ist im Sinne des § 30 Abs. 2 letzter Satz VwGG 1965 das Begehren, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. In der zwischen den beiden geltend gemachten Beschwerdegründen allerdings nicht weiter differenzierenden Ausführung der Beschwerde wird ausgeführt, dass der die Taxenvorschreibung enthaltende Bescheid der Behörde erster Instanz wohl an die Partei des Verwaltungsverfahrens, nämlich an das nun beschwerdeführende Land Niederösterreich, gerichtet gewesen, gleichwohl aber keinem Vertreter des Landes zugestellt worden sei. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, dem der Bescheid des Landesinvalidenamtes zugestellt worden ist, sei Hilfsorgan (Geschäftsapparat) der Landesregierung als oberstem Organ der Landesvollziehung und des Landeshauptmannes als dem Träger der mittelbaren Bundesverwaltung im Bereiche des Landes Niederösterreich. Das Amt der Landesregierung könne außerdem nach Maßgabe einer dementsprechenden selbst einfachgesetzlichen Regelung selbstständige Behördeneigenschaft besitzen, nicht könne es aber Vertreter des Landes als Träger von Privatrechten sein. Als Vertreter des Landes als juristische Person komme für das vor dem Verwaltungsgerichtshof Beschwerde führende Land Niederösterreich gemäß Art. 37 der Landesverfassung allein der Landeshauptmann in Betracht. Davon ausgehend habe die Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz aber erst mit dem 10. Jänner 1974 zu laufen begonnen, das ist derjenige Tag, an dem der erstinstanzliche Bescheid dem Landeshauptmann tatsächlich zugekommen ist. Die am 15. Jänner 1974 zur Post gegebene Berufung sei daher rechtzeitig erhoben worden. Auf den angefochtenen Rechtsmittelbescheid eingehend, wendet das beschwerdeführende Land ein, dass er an keinen Rechtsträger (nicht an das Land Niederösterreich) gerichtet, keinem Vertreter des Landes zugestellt und demgemäß auch nicht rechtswirksam geworden sei. Die Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beginne frühestens mit dem 4. September 1974, an welchem Tag der angefochtene Bescheid dem Landeshauptmann als Vertreter des Landes aus Anlass der Fertigung der Beschwerde erstmals bekannt geworden sei. Hiedurch erscheine aber nur der bei der Zustellung des Bescheides der Behörde zweiter Instanz unterlaufene Mangel behoben, der Bescheid selbst bleibe jedoch rechtswidrig, weil er an keine Rechtsperson gerichtet worden sei und ihm zu Unrecht die Annahme zugrundeliege, dass die gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz eingebrachte Berufung verspätet erhoben wurde. Schließlich wird in der Beschwerde auch noch ausgeführt, dass im Voranschlag des Landes Niederösterreich für das laufende Kalenderjahr der vorgeschriebene Ausgleichstaxenbetrag keine Bedeckung finde.
In ihrer zu dieser Beschwerde eingebrachten Gegenschrift beantragt die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde in der Hauptsache mit der Begründung, dass der Landeshauptmann von Niederösterreich für die in der Einlaufstelle des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung tätigen Organe eine den §§ 150 ff der Postordnung entsprechende Vollmacht zur Entgegennahme von Postsendungen ausgestellt und beim zuständigen Abgabepostamt hinterlegt habe und diese Vollmacht zur Übernahme aller an den Landeshauptmann gerichteten Postsendungen berechtige, gleichgültig, ob sie ihm als Vertreter des Landes als Privatrechtsträger oder als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung zukommen. Angesichts dieses Umstandes sei durch die Übernahme der den erstinstanzlichen Bescheid enthaltenden Rückscheinsendung am 28. Dezember 1973 durch einen hiezu postordnungsgemäß berechtigten Beamten der Einlaufstelle des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung kein (erst später geheilter) Zustellungsmangel unterlaufen. Damit aber habe sich die unbestrittenermaßen erst am 15. Jänner 1974 zur Post gegebene Berufung bereits als verspätet erwiesen.
Über diese Ausführungen und Begehren der beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung der im Zuge des über die Beschwerde eingeleiteten Vorverfahrens vorgelegten Verwaltungsakten verwogen:
Bei der Beurteilung der dem Gerichtshof vorliegenden Beschwerde war zunächst die Frage ihrer Rechtzeitigkeit zu prüfen. In dieser Hinsicht steht nach dem bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Rückschein fest, dass der angefochtene Bescheid vom 28. Juli 1974, der in seinem Spruch das Land Niederösterreich als Partei nennt, der Abteilung I/P des Amtes des Niederösterreichischen Landesregierung zugestellt und von einem Beamten dieser Abteilung am 24. Juli 1974 übernommen worden ist. Selbst unter der Fiktion, dass es sich hiebei um eine mängelfreie Zustellung an das beschwerdeführende Land Niederösterreich gehandelt hat und die Frist des § 28 VwGG 1965 nicht erst mit dem in der Beschwerdeschrift mit "4. September 1974" angegebenen Tag anzusetzen ist, an dem der angefochtene Bescheid dem Landeshauptmann von Niederösterreich tatsächlich zugekommen ist, ergibt sich hieraus, dass die am 4. September 1974 beim Verwaltungsgerichtshof überreichte Beschwerde jedenfalls noch als rechtzeitig erhoben anzusehen ist.
In der Sache selbst hängt das Schicksal der Beschwerde davon ab, ob die belangte Behörde mit Recht annehmen konnte, die Berufungsfrist sei bereits durch die von einem Beamten der Einlaufstelle des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung mit 28. Dezember 1973 bescheinigte Übernahme des erstinstanzlichen Bescheides mit der Folgewirkung in Lauf gesetzt worden, dass die erst am 15. Jänner 1974 zur Post gegebene Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 verspätet gewesen sei. Diese Folgerung wäre dann begründet, wenn es sich bei der Übernahme der Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides am 28. Dezember 1973 um eine mängelfreie Zustellung gehandelt hat. Nun geht aber aus dem Inhalt der mit dem beiderseitigen Parteienvorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchaus im Einklang stehenden Verwaltungsakten hervor, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz als Adressaten ausdrücklich das "Land Niederösterreich p. A. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" bezeichnet. Die Existenz eines Hinweises darauf, dass der Landeshauptmann als Empfänger genannt worden sei, lässt sich dagegen den Akten nicht entnehmen und wurde auch von keiner Seite ins Treffen geführt.
Es mag nun dahingestellt bleiben, ob die ausschließliche Vertretungsbefugnis des Landeshauptmannes in Bezug auf das Land als Träger von Privatrechten - was in der Lehre (vgl. Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, S. 596 ff, und Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer, 1967, S. 311 ff) keineswegs einheitlich beantwortet wird - nicht schon aus dem ersten Satz des Art. 105 Abs. 1 B-VG ("Der Landeshauptmann vertritt das Land") abgeleitet werden kann. Sie lässt sich nach Meinung des Gerichtshofes aber jedenfalls aus der im Beschwerdefall maßgebenden Regelung des Art. 37 des Landes-Verfassungsgesetzes für das Land Niederösterreich erschließen, in der ohne einen rechtssystematischen oder zwingend normologischen Zusammenhang mit der Rechtsstellung des Landeshauptmannes als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung dieser schlechthin, also auch für den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes, zum (gesetzlichen) Vertreter des Landes berufen wird. In eben diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1958, Slg. 4837/A, zu der dem Art. 37 des Niederösterreichischen Landes-Verfassungsgesetzes rechtsähnlichen Regelung des Art. 38 des Oberösterreichischen Landes-Verfassungsgesetzes 1954 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle oö. LGBl. Nr. 28/1971 ausgesprochen, dass die Vertretung des Landes als Privatrechtsträger ausschließlich dem Landeshauptmann obliegt und auch aus § 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 289, betreffend die Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, nicht zu folgern sei, dass in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes die Zustellung von Bescheiden an das Amt der Landesregierung die Zustellung an den Landeshauptmann als gesetzlichen Vertreter der juristischen Person Land ersetzen könne. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsanschauung abzugehen. Daraus aber ergibt sich, dass bei der Zustellung des an das "Land Niederösterreich p.A. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" gerichteten Bescheides der Behörde erster Instanz durch die Vernachlässigung des Vertretungsmonopols des Landeshauptmannes in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes tatsächlich ein Mangel unterlaufen ist, der - ungeachtet des Umtandes, dass die in der Eingangsstelle des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung tätigen Organe postordnungsgemäß auch zur Übernahme von Postsendungen berechtigt wären, die an den Landeshauptmann gerichtet sind - insolange nicht zu einer rechtswirksamen Zustellung führen konnte, als dieser Mangel nicht dadurch geheilt wurde, dass der Bescheid dem Landeshauptmann zugekommen ist (§ 31 AVG 1950). Wann letzteres der Fall war, hätte die belangte Behörde angesichts der ausdrücklichen, wenngleich nicht näher ausgeführten Behauptung in der Berufungsschrift, der erstinstanzliche Bescheid sei (erst) am 2. Jänner 1974 zugestellt worden, jedenfalls von Amts wegen zu prüfen gehabt.
Indem sie diese Prüfung unterlassen hat, ist der belangten Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen, der den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Da dieser Verfahrensmangel jedoch erkennbar auf einer unrichtigen Auslegung bzw. auf einer Außerachtlassung der die Berechtigung des Landeshauptmannes zur ausschließlichen Vertretung des Landes in dessen Eigenschaft als Träger von Privatrechten betreffenden Rechtsvorschriften beruht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis schien eine nähere Auseinandersetzung mit dem (die Leistungspflicht des Landes auf Grund des Invalideneinstellungsgesetzes 1969 nicht berührenden) Beschwerdeeinwand der mangelnden Bedeckung im Voranschlag des Landes für das Jahr 1974 ebenso entbehrlich, wie sich auch ein gesonderter Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, ihr gemäß § 30 Abs. 2 VwGG 1965 aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigte.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. 1 lit. A Z. 1 der Verordnung vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am 5. November 1974
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungAmtsbekannte FunktionäreHandlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts Öffentliches RechtRechtsfähigkeit Parteifähigkeit GebietskörperschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1974:1974001535.X00Im RIS seit
24.01.2003Zuletzt aktualisiert am
03.07.2009