TE Vwgh Erkenntnis 1974/11/11 1129/74

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Veröffentlicht am 11.11.1974
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §297 impl;
BauO NÖ 1883 §19;
BauO NÖ 1969 §96 impl;
BauRallg;

Beachte

Fortgesetztes Verfahren: 2099/77 B 16. Jänner 1978;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsoberkommissär Dr. Yasikoff, über die Beschwerde der JU, der MJ und des JS, letzterer vertreten durch den Abwesenheitskurator JU, sämtliche vertreten durch Dr. Walter Böhm, Rechtsanwalt in Wien IV, Margaretenstraße 2, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz und § 62 VwGG 1965 wird in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 13. Oktober 1967, Zl. 6- 4301/1966, womit dem Bauwerber Ludwig Kafka gemäß den §§ 16 und 26 der Bauordnung für Niederösterreich, LGBl. Nr. 36/1883, in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 17/1887, LGBl. Nr. 132/1922, LGBl. Nr. 70/1934 und LGBl. Nr. 131/1955, nach dem mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauplan die Bewilligung erteilt wurde, auf der Liegenschaft Katastralgemeinde Klosterneuburg, Xgasse ONr. n, Grundstück Nr. nnn/1, EZ. nnn, das Wohnhaus aufzustocken, auf Grund der dagegen von JU, MJ und JS eingebrachten Berufung dahingehend abgeändert, dass die beantragte Baubewilligung gemäß § 26 der Bauordnung für Niederösterreich von 1883 in Verbindung mit § 121 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung vom 13. Dezember 1968, LGBl. Nr. 166/1969, versagt wird.

Die Gemeinde Klosterneuburg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 1.090,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

LK beantragte am 9. November 1966 mit Zustimmung der Grundeigentümer AG und HK beim Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung, bei dem auf dem Grundstück Nr. nnn/1, EZ. nnn, Katastralgemeinde Klosterneuburg (X-gasse n), befindlichen eingeschossigen Haus den schadhaften Dachstuhl abzutragen, ein Geschoß aufzustocken und einen neuen Dachstuhl zu errichten. Dabei war vorgesehen, in der Nordostecke des bestehenden eingeschossigen Hauses einen freien Hofraum derart zu überbauen, dass die Nordostmauerkante des aufragenden Mauerwerkes des zweiten Geschosses bis an die Grundgrenze zur Liegenschaft EZ. n11 (Grundstück Nr. n12) der Katastralgemeinde Klosterneuburg, deren Eigentümer die Beschwerdeführer sind, heranreicht und der über der Nordostkante des Obergeschosses neuzuerrichtende Dachstuhl noch zirka 1/2 m im Luftraum über der Liegenschaft der Beschwerdeführer errichtet wird. Eine schriftliche Zustimmung seitens der Beschwerdeführer, mit dieser Dachstuhlecke den Luftraum über der Liegenschaft zu überbauen (§ 19 der Bauordnung für Niederösterreich ex 1883), wurde nicht vorgelegt, ebenso wenig die Erlaubnis, die Niederschlagswässer vom Dach auf das Grundstück der Beschwerdeführer abzuleiten. Dass die oben beschriebene Dachstuhlkante in die Liegenschaft der Beschwerdeführer hineinragt, ist auf Grund des im Maßstab 1 : 100 angefertigten Bauplanes nur daran zu erkennen, dass die im Grundriss stark gezeichnete und rotausgelegte Außenmauer des Obergeschosses im Abstand von 5 mm davon von einer strichlierten Linie umgeben wird, die den Umriss des Dachsaumes darstellt und dabei mit der Nordostecke über die Grundgrenze der Liegenschaft EZ. nnn, Katastralgemeinde Klosterneuburg, hinausreicht.

Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg ordnete über dieses Ansuchen für den 22. September 1967 eine mündliche Verhandlung an, zu der auch die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die nach § 42 AVG 1950 eintretenden Präklusionsfolgen geladen wurden. Bei dieser Verhandlung, als deren Gegenstand "die Erteilung der Baubewilligung für den Ausbau des Dachgeschosses auf Grundstück Nr. nnn/1, EZ. nnn, Katastralgemeinde Klosterneuburg, Haus.Ko.-Nr. n13, X-gasse Nr. n" bezeichnet wurde, erhoben die Beschwerdeführer laut der im Verwaltungsakt erliegenden Niederschrift gegen das Bauvorhaben keine Einwendungen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 13. Oktober 1967 wurde sodann dem Bauwerber die beantragte Baubewilligung erteilt. Den Beschwerdeführern wurde dieser Bescheid vorerst nicht zugestellt. In weiterer Folge, nämlich am 23. Februar 1972, beantragten die Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg, ihnen den Baubewilligungsbescheid vom 13. Oktober 1967 zuzustellen, bzw. ihnen im Baubewilligungsverfahren Parteistellung zuzuerkennen. Da ihnen weder der Bescheid zugestellt noch über ihren Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung binnen sechs Monaten abgesprochen wurde, machten die Beschwerdeführer am 25. August 1972 beim Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg den Übergang der Entscheidungspflicht nach § 73 AVG 1950 geltend. Nachdem auch der Gemeinderat durch sechs Monate hindurch keine Entscheidung gefällt hatte, brachten die Beschwerdeführer gegen diesen gemäß Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ein. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 11. September 1973, Zl. 328/73, gemäß §§ 42 Abs. 4 und 62 VwGG 1965 sowie gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 2 der Bauordnung für Niederösterreich von 1883, bzw. gemäß § 121 Abs. 3 der Bauordnung für Niederösterreich von 1969, entschieden, dass den Beschwerdeführern die Parteistellung im vorbezeichneten Baubewilligungsverfahren zukommt. Daraufhin wurde den Beschwerdeführern der Baubewilligungsbescheid vom 13. Oktober 1967 zugestellt, und zwar am 9. November 1973.

Mit einem am 19. November 1973 zur Post gegebenen und am 20. November 1973 bei der Stadtgemeinde Klosterneuburg eingelangten Schriftsatz erhoben die Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung. Sie machten darin im wesentlichen geltend, dass sowohl die Überbauung des Luftraumes an der Nachbarliegenschaft als auch die Ableitung von Abwässern auf dieselbe ohne Zustimmung ihrer Eigentümer unzulässig sei, und dass sie diesen Maßnahmen trotz ihrer Erklärung bei der Bauverhandlung, gegen das Bauvorhaben keine Einwendung zu erheben, nicht zugestimmt hätten, weil sie diese Verletzung ihrer Rechte aus dem mit § 24 Abs. 3 der Bauordnung für Niederösterreich von 1883 in Widerspruch stehenden Bauplan nicht hätten erkennen können.

Da die Berufung vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg nicht erledigt worden war, brachten die Beschwerdeführer am 27. Juni 1974 beim Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 132 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Säumnisbeschwerde ein. Der Verwaltungsgerichtshof leitete darüber mit Verfügung vom 5. Juli 1974 das Vorverfahren ein und stellte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG 1965 frei, innerhalb der für die Erstattung der Gegenschrift eingeräumten Frist von acht Wochen den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg legte mit Schriftsatz vom 6. August 1974 die Verwaltungsakten vor und erklärte - offenbar im Namen des Gemeinderates -, dass dieser innerhalb der gesetzten Frist "aus Termingründen" mit der Berufungssache nicht befasst werden könne, weshalb um Entscheidung in der Sache durch den Verwaltungsgerichtshof gebeten werde. Mit Verfügung vom 20. September 1974 wurde dem Bauwerber gemäß § 65 AVG 1950 die Berufungsschrift zur Kenntnis gebracht und er dabei auch eingeladen, sich darüber zu erklären, ob er bereit sei, sein Bauansuchen dahingehend abzuändern, dass die Inanspruchnahme von Teilen der im Eigentum der Berufungswerber stehenden Nachbarliegenschaft durch Dachvorsprung und Dachrinne sowie durch Ableitung der Niederschlagswässer vermieden werde. Der Bauwerber äußerte sich dazu mit Schriftsatz vom 3. Oktober 1974 im wesentlichen dahingehend, dass die Anrainer der Bauführung bei der Bauverhandlung ohnedies zugestimmt hätten. Er sei nach wie vor der Auffassung, dass die Bauführung rechtmäßig sei. Gleichzeitig gab er bekannt, dass das Ablaufrohr auf seinem Grundstück geführt worden sei und die Abwässer auf seinem Grundstück in den Kanal mündeten. Eine Änderung des Bauvorhabens, wie es im Bauplan zum Ausdruck kam, nahm er nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da die belangte Behörde über die Berufung der Beschwerdeführer nicht binnen der im § 27 VwGG 1965 festgesetzten Frist von sechs Monaten entschieden hatte, ist die Säumnisbeschwerde zulässig. Mit Rücksicht darauf, dass der versäumte Bescheid auch in der Folge nicht nachgeholt wurde, hatte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG 1965 in der Sache selbst zu entscheiden. Für die getroffene Entscheidung waren folgende Gründe maßgebend:

Der Erledigung des vorliegenden Rechtsfalles waren gemäß § 121 Abs. 3 der nunmehr geltenden Bauordnung für Niederösterreich von 1969, wonach die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes - das war gemäß § 122 Abs. 1 desselben der 31. Dezember 1969 - bereits in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen sind, die Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich von 1883 zu Grunde zu legen. Gemäß § 19 des letzterwähnten Gesetzes hat der Bauwerber bei Neu-, Zu- und Umbauten, bei Einfriedungen sowie bei wesentlichen Ausbesserungen und Abänderungen ein schriftliches Gesuch um Baubewilligung unter Nachweisung seines Eigentums oder Benützungsrechtes auf den Baugrund sowie den Bauplan zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen. Die Zustimmung des Grundeigentümers ist im allgemeinen nur ein Beleg des Bauansuchens (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. März 1959, Slg. N.F. Nr. 4894/A), wird jedoch dann, wenn sich im Zuge des Verfahrens ergibt, dass die Zustimmung des Eigentümers zur Bauführung nicht vorliegt oder später weggefallen ist, von einem bloßen Beleg zur Voraussetzung für die aufrechte Erledigung des Bauansuchens (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1951, Slg. N.F. Nr. 2050/A). Die Zustimmung des Grundeigentümers muss liquid sein (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1914, Slg. Nr. 10.110), was nur dann der Fall ist, wenn durch den Beleg dargetan wird, dass es nicht mehr fraglich sein kann, ob die Zustimmung erteilt wurde (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1948, Slg. N.F. Nr. 633/A). Die Zustimmung des Grundeigentümers zu einem bestimmten Bauvorhaben eines Dritten könnte nur dann als ein solcher Zustimmungsbeweis angesehen werden, wenn bei der Zustimmung zur Bauführung keine Zweifel daran möglich wären, dass es nur unter Benützung fremden Grundes verwirklicht werden kann. Als Bauführung auf fremdem Grunde ist auch die Überbauung des Luftraumes über einer nicht im Eigentum des Bauwerbers stehenden Liegenschaft anzusehen, weil sich das Grundeigentum, dessen Ausfluss die Baufreiheit ist, gemäß § 297 ABGB auch auf den in senkrechter Linie darüber befindlichen Luftraum erstreckt, soweit eine Herrschaft darüber möglich ist (siehe Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 2. April 1873, GlU 4926 u. a.).

Mit Rücksicht darauf, dass die Überbauung des Luftraumes über der Liegenschaft der Beschwerdeführer in den Bauplänen nur durch eine nicht in einer Zeichenerklärung erläuterte strichlierte Linie zum Ausdruck kam und als Gegenstand des Bauvorhabens eine Aufstockung des Gebäudes auf der Liegenschaft EZ. nnn des Grundbuches der Katastralgemeinde Klosterneuburg angegeben war, ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass aus dem prozessualen Verhalten der Beschwerdeführer anlässlich der Bauverhandlung kein Nachweis ihrer Zustimmung zur Inanspruchnahme des Luftraumes über ihrer Liegenschaft erblickt werden kann. Die Beschwerdeführer haben auch in ihrer Berufung klar zum Ausdruck gebracht, dass sie der Inanspruchnahme des Luftraumes über ihrer Liegenschaft nicht zustimmen. Schon die erwähnte unklare Fassung des Bauplanes und der mangelnde Hinweis auf die Inanspruchnahme fremden Grundes in der Baubeschreibung sowie die ausschließliche Bezeichnung des Grundstückes Nr. nnn/1 als zu bebauende Fläche während der Bauverhandlung schließen es nach Auffassung des Gerichtshofes überdies aus, die Beschwerdeführer diesbezüglich als im Sinne des § 42 AVG 1950 präkludiert zu betrachten.

Der Bauwerber hat sich zu einer Änderung des Bauvorhabens trotz eines entsprechenden Vorhaltes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht bereitgefunden; somit war über das Bauansuchen in seiner ursprünglichen Form zu entscheiden. Da das Vorhaben, wie sich aus vorstehenden Erwägungen ergibt, wegen der Überbauung fremden Grundes ohne Zustimmung von dessen Eigentümern mit § 19 der Bauordnung für Niederösterreich von 1883 in Widerspruch steht und der Baubehörde - somit auch dem Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über eine Säumnisbeschwerde - durch das Gesetz keine Befugnis eingeräumt ist, gestaltend in ein Bauvorhaben einzugreifen, musste schon deswegen in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Baubewilligung gemäß § 26 der Bauordnung für Niederösterreich von 1883 zur Gänze versagt werden. Darauf, ob allenfalls in der Äußerung des Bauwerbers, er habe die Ableitung der Niederschlagswässer auf die Nachbarliegenschaft unterlassen, in dieser Hinsicht eine Abänderung des Bauvorhabens zu erblicken ist - die Baupläne selbst wurden nicht geändert - und somit die von den Berufungswerbern gerügte weitere Bauordnungswidrigkeit allenfalls nicht weiter vorliegt, kommt es bei dieser Sach- und Rechtslage nicht mehr an.

Auf das in der Berufung enthaltene Begehren der Beschwerdeführer einen Abtragungsauftrag zu erlassen, konnte der Gerichtshof nicht eingehen, weil damit zuerst die Baubehörde erster Instanz befasst werden muss und somit keine Säumnis gegeben ist.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427. Das Kostenmehrbegehren (Umsatzsteuer) war abzuweisen, weil die in der genannten Verordnung für den Schriftsatzaufwand vorgesehenen Beträge Pauschalsummen darstellen, welche nicht überschritten werden dürfen.

Wien, am 11. November 1974

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1974001129.X00

Im RIS seit

13.01.2003

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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