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L00026 Landesregierung Steiermark;Norm
AdLRegOrgG 1925 §3 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2158/74Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Leibrecht, Hofstätter, Dr. Hrdlicka, Dr. Staßmann, Dr. Draxler, Dr. Liska, Dr. Iro und Dr. Salcher als Richter, im Beisein der Schriftführer Landesgerichtsrat Dr. Fritscher und prov.
Landesregierungskommissär Dr. Funovits, über die Beschwerden des Dr. D E, der T E, der J S und der T G, alle in X und alle vertreten durch Dr. J , Rechtsanwalt in H, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. September 1974, GZ. 3-338 La 13/3-1974, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: A GesmbH in D, vertreten durch Dr. G C, Rechtsanwalt in H), und vom 14. Oktober 1974, GZ. 3-338 La 13/4-1974, betreffend eine Berichtigung von Schreibfehlern, zu Recht erkannt:
Spruch
Beide Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 4.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
I.
Der Bürgermeister der Marktgemeinde Vorau erteilte mit seinem Bescheid vom 19. Juni 1974 der A GesmbH die Baubewilligung für die Errichtung eines Betriebs- und Geschäftsgebäudes auf dem Grundstück Nr. nnn/1 der KG. X. Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der Marktgemeinde X in seinem Bescheid vom 17. Juli 1974 Folge und hob den Bescheid des Bürgermeisters vom 19. Juni 1974 auf.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 20. September 1974 wurde auf Grund der Vorstellung der A GesmbH der Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Vorau vom 17. Juli 1974 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese Gemeinde zurückverwiesen. Im dritten Absatz dieser mit zur hg. Zl. 2000/74 protokollierten Beschwerde bekämpften Entscheidung heißt es nach der als Überschrift gesetzten Bezeichnung "Bescheid" wörtlich:
"Über das gegen diesen Bescheid eingebrachte Rechtsmittel der Vorstellung entscheidet die Steiermärkische Landesregierung als Aufsichtsbehörde wie folgt." Unterschrieben wurde dieser Bescheid "Für den Landeshauptmann: Der Abteilungsvorstand: Dr. N eh. wirkl. Hofrat."
In der Folge erging "Für die Steiermärkische Landesregierung" der Bescheid vom 14. Oktober 1974, den die Beschwerdeführer mit der zur hg. Zl. 2158/74 protokollierten Beschwerde anfechten. Damit wurde der Bescheid vom 18. September 1974 (richtig: 20. September 1974) gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 dahingehend berichtigt, dass es statt "Für den Landeshauptmann" richtig "Für die Steiermärkische Landesregierung" zu lauten habe. Dieser Bescheid wurde von Oberregierungsrat der Steiermärkischen Landesregierung Dr. H gefertigt.
Erst nach der am 16. Oktober 1974 an die Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerin erfolgten Zustellung des Berichtigungsbescheides vom 14. Oktober 1974 wurde die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den berichtigten Bescheid vom 20. September 1974, die mit 5. November 1974 datiert ist und beim Verwaltungsgerichtshof am 7. November 1974 einlangte, erhoben. Zwar fehlt in den vorgelegten Verwaltungsakten ein Nachweis über die Zustellung des Berichtigungsbescheides vom 14. Oktober 1974 an den Erstbeschwerdeführer. Es wurde aber in der zuerst erhobenen und zur hg. Zl. 2000/74 protokollierten Beschwerde gegen den Bescheid vom 20. September 1974 bereits ausgeführt, dass dieser mit Bescheid vom 14. Oktober1974 gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 berichtigt worden sei.
II.
Jeder dieser beiden Bescheide wird von den Beschwerdeführern angefochten; der zuerst erlassene vom 20. September 1974 mit der hg. am 7. November 1974 eingelangten und zur Zl. 2000/74 protokollierten Beschwerde sowie der zweite vom 14. Oktober 1974 mit der hg. am 29. November 1974 eingelangten und zur Zl. 2158/74 protokollierten Beschwerde. In beiden Fällen machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend. Nach dem Beschwerdevorbringen sei über die Vorstellung gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Vorau von einer unzuständigen Behörde, nämlich vom Landeshauptmann, entschieden worden bzw. könne dessen Bescheid nicht von einer anderen Behörde, und zwar der Stiermärkischen Landesregierung, gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 berichtigt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese zu den hg. Zlen. 2000/74 und 2158/74 eingebrachten Beschwerden wegen der Identität der Beschwerdeführer sowie wegen des sachlichen Zusammenhanges der Angelegenheiten zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber sowie über die von der belangten Behörde und der im Verfahren Zl. 2000/74 mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften in einem gemäß § 13 Z. 1 und 3 VwGG 1965 verstärkten Senat wie folgt erwogen:
III.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Angelegenheit der "örtlichen Baupolizei", die gemäß Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG und § 40 Abs. 2 Z. 9 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. für Steiermark Nr. 115, in der geltenden Fassung, zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zählt und gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG zum Gesetzgebungs- und Vollziehungsbereich der Länder gehört. Nach Art. 119 a Abs. 5 B-VG und § 94 Abs. 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Aufsichtsbehörde ist im Vollzugsbereich des Landes gemäß § 97 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 die Landesregierung.
Wenngleich sich nun aus Art. 101 B-VG ergibt, dass alle Akte der Verwaltung des Landes in oberster Instanz von der Landesregierung in kollegialer Beratung und Beschlussfassung ergehen müssen, so ist demgegenüber im § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes, betreffend die Grundsätze für die Errichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, BGBl. Nr. 289/1925, es ausdrücklich für zulässig erklärt worden, dass auch die einzelnen Mitglieder einer Landesregierung im Sinne des Ministerialsystems zur selbständigen Leitung von Agenden der obersten Landesverwaltung berufen werden können. Die Entscheidung hierüber ist dem Landesverfassungsgesetzgeber vorbehalten. Im Falle der Einführung des Ministerialsystems ist die Aufteilung der Agenden nach monokratischer und kollegialer Erledigung in der Geschäftsordnung der Landesregierung (Art. 103 Abs. 2 B-VG) vorzunehmen. Diese Möglichkeit haben sämtliche Landesverfassungsgesetze, also auch das der Steiermark, vorgesehen.
Mit dem Landesverfassungsgesetz vom 4. Jänner 1946 ("Landesverfassungs-Übergangsgesetz"), LGBl. für Steiermark Nr. 20/1946, wurde das Landesverfassungsgesetz vom 4. Februar 1926 in der Fassung des LGBl. Nr. 1/1927 und der Landesverfassungsgesetze vom 21. Dezember 1928, LGBl. Nr. 26/1929, und vom 5. Juni 1930, LGBl. Nr. 66/1930, und zwar rückwirkend mit 12. Dezember 1945 wieder in Wirksamkeit gesetzt. § 30 des Landesverfassungsgesetzes, Anlage zur Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. November 1946, betreffend die Wiederverlautbarung des Landesverfassungsgesetzes vom 4. Februar 1926 in der Fassung LGBl. Nr. 1/1927 in der derzeit geltenden Fassung, LGBl. für Steiermark Nr. 21/1946, lautet (und hat auch immer so gelautet):
"Die Landesregierung regelt ihre Geschäftsführung durch eine Geschäftsordnung. In dieser Geschäftsordnung ist festzusetzen, welche Angelegenheiten der Beschlussfassung der Landesregierung unterliegen und welche Angelegenheiten durch das Amt der Landesregierung unter Leitung der einzelnen Regierungsmitglieder besorgt werden."
Nachdem der Steiermärkische Landtag am 4. Jänner 1946 mit dem Landesverfassungs-Übergangsgesetz die Wiedereinführung des Steiermärkischen Landesverfassungsgesetzes (rückwirkend mit 12. Dezember 1945) beschlossen hatte - die Kundmachung dieses Landesverfassungsgesetzes erfolgte erst in dem am 19. Dezember 1946 ausgegebenen 12. Stück des Landesgesetzblattes - , beschloss die Steiermärkische Landesregierung am 10. Jänner 1946 die nach § 30 LVG vorgesehene Geschäftsordnung der Landesregierung. § 4 dieser Geschäftsordnung - sie wurde bisher im LGBl. für Steiermark nicht kundgemacht - enthält nun in 23 Punkten die Aufzählung jener Angelegenheiten, die von der Landesregierung in Sitzungen mit kollegialer Beratung zu verhandeln sind. Davon sind für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung die Punkte 13 und 14. Diese lauten:
"13. Alle Entscheidungen über Berufungen gegen Verfügungen unterer Instanzen im Wirkungsbereiche des Landes mit Ausnahme von Entscheidungen in Armenangelegenheiten, Entscheidungen über Vorschreibungen von Landesabgaben, Entscheidungen über Rekurse (Gnadenansuchen) wegen straßenpolizeilicher Abstrafungen, jugendpolizeilicher Abstrafungen und Übertretungen der Bauordnungen, endlich des Tierquälerei- und Fischereigesetzes.
14. Alle auf Grund des Aufsichtsrechtes über die Bezirke und Gemeinden zu treffenden Entscheidungen."
Die Geschäftsordnung der Landesregierung enthält keine ausdrückliche Bestimmung, dass alle anderen Angelegenheiten, die etwa nicht im § 4 aufgezählt wären, unter der Verantwortung des zuständigen Mitgliedes der Landesregierung erledigt werden könnten, ohne, dass diese der kollegialen Beratung der Landesregierung unterzogen werden müssten.
Daraus ergibt sich nun, dass die Geschäftsordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. Jänner 1946 allein schon deshalb, weil sie im Landesgesetzblatt für das Land Steiermark nie kundgemacht wurde, für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich ist (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Slg. N. F. Nr. 1352/A, 2707/A, u. v. a.), dass aber darüber hinaus rechtens in Angelegenheiten der Bauordnungen (jetzt nur mehr der Steiermärkischen Bauordnung 1968) das Ministerialsystem, wonach ein Mitglied der Landesregierung - ohne Einholung eines Sitzungsbeschlusses der Landesregierung - allein "Für die Landesregierung" entscheiden kann bzw. sich dieses Landesregierungsmitglied durch einen auf Grund der Geschäftsordnung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung berechtigten Abteilungsvorstand oder höheren Beamten der Steiermärkischen Landesregierung vertreten lassen kann, im Lande Steiermark nie eingeführt worden ist. Die rechtliche Folge davon ist, dass, selbst wenn man vor der unterlassenen Kundmachung und den sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen absähe, auch in allen Fällen, in denen die Steiermärkische Landesregierung berufen ist, in Angelegenheiten des Baurechtes nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 bzw. gemäß § 94 und § 97 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 bescheidmäßig zu entscheiden, diese Entscheidung nur durch einen kollegialen Sitzungsbeschluss der Landesregierung gefällt werden dürfte und die Landesregierung allein die zuständige Behörde ist. Ist hingegen kein Sitzungsbeschluss der Landesregierung gefasst worden sondern hat - dem Ministerialsystem entsprechend - nur ein Mitglied der Landesregierung, sei es nun selbst oder vertreten durch einen Abteilungsvorstand oder einen anderen hiezu berechtigten höheren Beamten der Landesregierung, entschieden, d. h. einen Bescheid erlassen, dann ist dies durch eine unzuständige Behörde geschehen. Dies trifft aber für den Bescheid der "Steiermärkischen Landesregierung" vom 20. September 1974, GZ. 3-338 La 13/3-1974, wie der Mitteilung der Landesamtsdirektion des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Mai 1975, GZ. LAD 10 G 2/347-1975, zu entnehmen ist, zu, denn dieser Bescheid beruhte nicht auf einem Sitzungsbeschluss der Steiermärkischen Landesregierung. Der Bescheid ist damit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden.
Aus diesem Grunde war der Bescheid vom 20. September 1974 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Ist ein Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und wird dieser dann im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG 1950 berichtigt, dann gelten die gleichen rechtlichen Erwägungen auch für den "Berichtigungsbescheid", weil dieser für sich allein nicht bestehen bleiben kann.
Aus diesem Grunde war deshalb auch der Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Oktober 1974 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b und 53 Abs. 1 VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 und Art. IV Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer war im Hinblick auf die durch die obgenannte Verordnung erfolgte Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.
Wien, am 20. Mai 1975
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Baurecht PlanungswesenVerordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im VorstellungsverfahrenIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3BerichtigungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1975:1974002000.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
17.07.2013